Niels AnnenSPD - Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Nouripour, ich glaube, wir alle teilen Ihre Empörung über die Lage in der Region. Ich glaube aber – so ist das jedenfalls bei mir angekommen –, dass die Verbindung der Kritik, die Sie vorgetragen haben – darüber kann man ja sachlich diskutieren –, mit den jüngsten Bombardierungen in Aleppo zu einer missverständlichen Botschaft führen kann. Ich glaube, davon haben wir alle nichts. Insofern konnte ich die Reaktion meiner Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion wirklich verstehen; das teile ich auch.
Lassen Sie uns über die Lage sprechen. Ich will mich auf das beziehen, was der Kollege Hardt hier vorgetragen hat. Wissen Sie, Herr Gehrcke, ich freue mich ja über Ihr Lob für die Arbeit unseres Außenministers und unserer Bundeskanzlerin hinsichtlich der Einleitung eines politischen Prozesses. Ich nehme Ihnen das auch ab. Ich glaube, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, wirklich ehrlich gemeint war.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Man muss aber doch auch zur Kenntnis nehmen, dass genau zu dem Zeitpunkt, während der vereinbarte Prozess lief – das ist ja keine theoretische Debatte, sondern die Vertreter des Regimes und die Vertreter der Opposition saßen mit dem UN-Vermittler in Genf und haben gesprochen; sie waren im Rahmen der Proximity Talks dabei, die direkten Verhandlungen vorzubereiten –, die Luftwaffe von Assad mit Unterstützung der russischen Luftwaffe die Angriffe auf Aleppo intensiviert hat. Daraus, dass das genau zu dieser Zeit passiert ist, kann man keinen anderen Schluss ziehen, als dass diese Gespräche unterbrochen und verhindert werden sollten. Dazu muss man doch einmal etwas sagen. Ich finde es ja völlig in Ordnung, dass man auch über die anderen Akteure in diesem Krieg redet. Zu diesen anderen Akteuren gehört auch die Türkei. Übrigens hat heute auch die Bundeskanzlerin gesagt, wo sie da kritische Punkte sieht. – Aber dass Sie das hier nicht zum Thema machen, während in Aleppo gebombt wird, finde ich wirklich ein starkes Stück.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das, was wir im Moment tun können, um den politischen Prozess voranzutreiben, ist von daher, wie ich glaube, extrem kompliziert. Ich kann uns allen nur raten, nicht den Eindruck zu erwecken, dass wir uns auf die Seite einer der Konfliktparteien stellen. Wir müssen vielmehr an der Seite der Menschen in Syrien stehen. Wir müssen diejenigen sein – ich bin dankbar dafür, dass der Außenminister das in den Verhandlungen immer wieder in den Mittelpunkt gerückt hat –, die für die Weltgemeinschaft Partei ergreifen. Es waren doch die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, die bei den Verhandlungen zum Teil ihren eigenen Vermittler vergessen hatten.
Wir benötigen am Ende des Prozesses die Legitimität der Vereinten Nationen. Deswegen ist es so zentral, dass wir mit Herrn de Mistura jemanden haben, der nicht nur sprechfähig mit den unterschiedlichen Gruppierungen der Opposition und mit dem Regime ist, sondern auch die Unterstützung der wichtigen Länder auf der Welt hat. Dazu gehört Deutschland, dazu gehören aber vor allem die Staaten, die zwingend dazu beitragen müssen, dass dieser Prozess vorangeht, und dazu gehört in der Tat die Türkei.
Auch ich bin über die Entwicklung, über den Beschuss syrischen Territoriums, besorgt. Aber man darf es sich nicht so leicht machen, wie Sie, Herr Gehrcke, es hier tun. Sie haben gesagt, Sie würden davor warnen, dass wir uns mit Militärinstrumenten an einem Krieg beteiligen.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)
Zunächst einmal: Wir liefern – das wissen Sie genauso gut wie ich – Informationen, und wir tragen zu einem Lagebild bei. Diesbezüglich kann man unterschiedlicher Meinung sein; darüber haben wir hier diskutiert. Aber aus Ihrer Fraktion heraus – das ist dokumentiert; das ist in diesem Hause vorgetragen worden – sind die militärischen Erfolge der kurdisch-syrischen Milizen mehrfach bejubelt worden. Sie sind übrigens mit militärischen Mitteln erreicht worden.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Die verteidigen sich! Das ist ein Verteidigungskampf gegen Terror!)
Ich will auch von diesem Rednerpult aus sagen: Wir haben großen Respekt vor dem, was die YPG im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ geleistet hat. Es gehört aber dazu, auch darauf hinzuweisen – Sie haben ja gesagt, dass Bomben keinen Frieden schaffen –, dass es amerikanische Bomben waren, die Ziele getroffen haben, die von genau diesen Milizen markiert worden sind und dadurch die Grundlage für deren militärischen Erfolge geliefert haben. Man kann sich das Leben also auch leicht machen.
Dieser Krieg ist in einer Art und Weise komplex, dass man es selbst in fünf Minuten nicht schafft, alle unterschiedlichen Akteure zu benennen. Sie sagten, dass die USA einen Krieg im Irak geführt haben,
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Haben sie auch!)
gegen den wir gewesen sind. Dann haben Sie den Krieg im Jemen genannt, und dann haben Sie den Krieg in Libyen genannt. Zum Glück haben Sie am Ende noch die russische Offensive erwähnt. Ich will an dieser Stelle sagen: Die Türkei engagiert sich militärisch. Saudi-Arabien unterstützt bestimmte Milizen, von denen uns nicht alle gefallen; auch das haben wir hier mehrfach erwähnt. Russland bombardiert Aleppo. Auch unser türkischer Bündnispartner hat sich in den vergangenen fünf Kriegsjahren häufig ambivalent verhalten.
(Lachen des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE] – Heike Hänsel [DIE LINKE]: „Ambivalent“?)
Aber eines fällt schon auf, Herr Gehrcke: Sie versuchen, auch mit dem Titel dieser Aktuellen Stunde, die Schuld an der Situation einem Akteur in die Schuhe zu schieben. Einem einzigen Akteur! Damit, glaube ich, helfen Sie weder den Menschen in Syrien, noch helfen Sie der deutschen Öffentlichkeit, das, was dort wirklich passiert, nachvollzuziehen. Sie helfen übrigens auch nicht – das steht im Gegensatz zu dem, was Sie hier behauptet haben – den Bemühungen um Frieden von Frank-Walter Steinmeier.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Andreas Nick von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6562533 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien |