Alexander RadwanCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Schlussredner darf ich jetzt alles zusammenfassen; es wurde schon sehr viel gesagt. Lassen Sie mich zuvor auf einige von Ihnen genannte Punkte kurz eingehen.
Ich habe bei dieser Debatte den Eindruck – das ist sehr verständlich –: Es schwingt sehr viel Wut und Hilflosigkeit angesichts der Situation in Aleppo mit. Ich verweise auf die Schulen und die Krankenhäuser, die bombardiert wurden. Wir haben den Eindruck: Nach jeder Debatte, die wir hier geführt haben, nehmen die Hilflosigkeit und das Chaos zu statt ab. Der Terror wird nicht weniger, die Zahl der Flüchtlinge wird nicht geringer, sondern das spitzt sich immer weiter zu.
Es gibt widerstrebende Interessen. Darum finde ich es in dieser Debatte bemerkenswert, dass zumindest in den Redebeiträgen – ich werfe Ihnen nicht vor, nicht differenzieren zu können – eigentlich klar zum Ausdruck kommt: Einer ist schuld. In Syrien haben wir das Regime und die Rebellen; relativ wenig wurde in der heutigen Aktuellen Stunde über den Terrorismus und den IS gesprochen. Wir haben den Iran. Wir haben die Türkei. Wir haben Saudi-Arabien. Wenn es um Gespräche mit diesen drei Staaten geht, komme ich nicht zu dem Schluss: Mit dem einen darf man nicht reden, mit dem anderen schon.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Reden kann man mit allen!)
– Das klang vorhin bei Mitgliedern Ihrer Fraktion anders.
Dann haben wir die USA, Russland und Europa. Es geht um die Frage, wie der Kollege Roderich Kiesewetter gerade gesagt hat, welche Rolle die EU zukünftig übernimmt. Dazu haben wir die Situation, dass aktuell die Vorbereitungen dafür laufen – die Frage ist, ob es so kommen wird –, dass die Türkei die Aufgabe übernimmt, ein Stück weit gegenüber Syrien tätig zu werden. Dann haben wir natürlich die Bedenken, Frau Roth: Wie wirkt sich das auf die NATO aus? Es hat jedes Land eben seine eigenen Interessen.
Ich glaube, es ist nicht falsch, wenn ich sage: In der Analyse und in dem, was wir uns wünschen, haben wir hier großen Konsens. Wir wollen, dass der Krieg da unten endlich aufhört. Wir haben auch relativ schnell Konsens, wenn es darum geht, humanitäre Hilfe und finanzielle Hilfen vorzubereiten und dort wirksam werden zu lassen.
Aber bei der Diplomatie sieht das schon anders aus. Da hatten wir Gespräche in Wien und in Genf. Wir hatten das Gespräch in München. Dann haben wir es natürlich mit Zielen zu tun, die die Türkei national mit Blick auf die Kurden verfolgt und die die Entwicklung in der Türkei betreffen. Es gibt die Gruppierungen im Iran, die in diesem Bereich ihre Interessen sehr stark vertreten. Russland ist zu nennen und jetzt auch Saudi-Arabien.
Ich möchte etwas anregen. Wir sollten einmal darüber nachdenken, wie wir einen wichtigen Player aus der sunnitischen Welt, der in diesem Hause regelmäßig kritisiert wird – es geht um das bevölkerungsreichste Land in dieser Region, nämlich Ägypten –, mehr in die Verantwortung nehmen können, wenn es darum geht, die Wogen zu glätten. Das Ziel muss ja sein, einen diplomatischen Weg zu finden, einen Interessenausgleich zu erreichen. Manche haben momentan das Gefühl, sie müssten die Chance nutzen, Fakten zu schaffen. Das verurteilen wir alle natürlich zutiefst.
Es gab jetzt den Vorschlag einer Flugverbotszone; da unterstützen wir in der CDU/CSU-Fraktion die Kanzlerin nachdrücklich. Es gab die Forderung nach einem Waffenstillstand. Es geht nicht darum, darüber zu diskutieren, was wünschenswert ist oder wie wir die Türkei und wie wir möglicherweise den Iran oder auch Saudi-Arabien gern sehen würden. Wenn wir dieses Ziel haben – es gibt keinen hier im Saal, der gegen einen Waffenstillstand ist –, dann ist aber die Frage: Wollen wir es bei Appellen belassen? Werden wir irgendwann einmal die Debatte führen müssen: „Was ist unser Beitrag, um dieses Ziel zu erreichen?“? Sehen Sie es mir nach, wenn ich sage: Ich glaube nicht, dass allein der Appell aus diesem Hause heute reichen wird, um einen Waffenstillstand zu bewirken. Um diese Diskussion drücken sich manche in diesem Haus herum.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Aufgrund unserer Verantwortung werden wir in Deutschland und Europa gemeinsam – ich hoffe, auch schnell – eine Debatte führen müssen, die zumindest erste Schritte bewirkt.
Zum Thema Diplomatie möchte ich nur noch sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass sowohl der Außenminister als auch die Kanzlerin in den Gesprächen mit der Türkei, mit Saudi-Arabien und mit dem Iran deutlich zu verstehen gegeben haben, was sie von der Situation halten. Aber, meine Damen und Herren, Diplomatie findet nicht auf der Frontpage der Bild -Zeitung statt.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie mir nicht sagen!)
– Ich hatte den Eindruck, dass man Ihrer Fraktion das teilweise sagen muss; sonst würde ich es ja nicht sagen. – Ich habe auf jeden Fall das nötige Vertrauen.
Ich finde es – abschließend – bemerkenswert, dass es ausgerechnet die CDU und inzwischen auch die CSU sind, die dafür gerügt werden, dass sie, obwohl sie gegen den Beitritt der Türkei zur EU sind, mit der Türkei sprechen und natürlich auch mit Russland. Wir sprechen mit Russland,
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprechen tun wir alle!)
wir sprechen mit dem Iran, und wir sprechen mit Saudi-Arabien. Sie wissen genauso gut wie ich: Das ist die Grundvoraussetzung für diplomatische Lösungen.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber man muss dabei auch das Richtige sagen! Sonst kann man auch Selbstgespräche führen!)
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6562737 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien |