18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Zusatzpunkt 2

Volker UllrichCDU/CSU - Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten den Antrag „Demokratie stärken – Dem Hass keine Chance geben“. Im Kern geht es dabei um die Geltung von Grundrechten, um die Würde des Menschen, um die Unverletzlichkeit der Person und um die gewaltfreie Auseinandersetzung im politischen Betrieb. Über tausend Angriffe auf Asylbewerber und Flüchtlingsheime machen betroffen und rufen unser aller Entsetzen hervor. Man muss formulieren, was es ist: Eine Schande, dass so etwas in unserem Land geschehen konnte!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns diesem Hass und dieser Gewalt mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenstellen. Wir sind von tiefer Sorge geprägt, dass Radikalisierung, Hass und eine Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses zu Gewalt und damit auch zu Ausgrenzung von Andersdenkenden und anderen Menschen führt. Das ist auch ein Thema im Internet und in sozialen Medien. Es ist zu sagen, dass Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellt; das ist gar keine Frage. Sie ist konstituierend für eine demokratisch-politische Auseinandersetzung. Aber die Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen im Recht des anderen. Wer die Rechte des anderen verletzt, kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Deswegen muss klar und deutlich sein, auch in den sozialen Netzwerken: Hass und Aufrufen zu Gewalt müssen sich alle entgegenstellen. Wir brauchen eine Kultur der digitalen Zivilcourage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn allerdings Volksverhetzung, Holocaustleugnung und andere Straftaten zu beobachten sind, dann darf als Reaktion darauf kein „Like“ oder kein „Teilen“ erfolgen. Darauf gibt es nur eine Antwort, nämlich Besuch oder Post von Polizei und Justiz. Diese Antwort muss der Rechtsstaat geben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen brauchen wir eine ordentliche Ausstattung bei Polizei und Justiz. Ich bin froh, dass der Bund durch die Bereitstellung von 3 000 neuen Stellen bei der Bundespolizei beherzt vorangegangen ist. Ich wünsche mir, dass auch die Länder diesem Beispiel folgen und Polizei und Justiz so ausstatten, dass wir den Feinden unserer Freiheit gerecht und beherzt trotzen können. Das ist die Verpflichtung jeder staatlichen Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich möchte auch daran erinnern, dass im Strafrecht einiges passiert ist. Wir haben nach der schrecklichen Terrorserie des NSU im Bereich der Strafzumessung reagiert. Jeder Richter in Deutschland hat bei der Strafzumessung rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe konkret zu beachten. Das ist seit einem Jahr geltendes Recht, und das ist richtig so. Wir haben auch die Position des Generalbundesanwalts gestärkt, damit er Ermittlungen frühzeitig an sich ziehen kann, um damit bei Vorliegen von fremdenfeindlichen oder rassistischen Straftaten eine bessere Koordinierung der Ermittlungsarbeit durchzuführen. Das sind richtige Punkte; das sollten wir heute betonen.

Es muss aber, meine Damen und Herren, die Prävention im Vordergrund stehen. Hass und Gewalt dürfen sich gar nicht erst in den Köpfen breitmachen. Wir brauchen Prävention im Bereich der Zivilgesellschaft, aber auch in den Schulen und Universitäten. Wir brauchen Prävention gegen jede Art der Radikalisierung: Prävention gegen Rechtsextremismus ebenso wie Prävention gegen Linksextremismus oder salafistisches Gedankengut. Der Staat muss bei der Bildung ansetzen, damit Menschen sich insgesamt nicht radikalisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es richtig und darf in dieser Debatte auch erwähnt werden: So notwendig der Einsatz gegen rechte Gewalt, rechtsradikales Gedankengut, Rassismus, Hetze und Gewalt ist, so sehr darf der Rechtsstaat aber auch darauf aufmerksam machen, dass wir ein Problem von Linksradikalismus und von Salafismus haben. Wir müssen die Feinde unserer Freiheit insgesamt bekämpfen. Das ist die Verpflichtung unseres Gemeinwesens.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang möchte ich zu Ihrer Rede kommen, Frau Kollegin Kipping. Sie haben von der politischen Klasse gesprochen. Ich habe mir diesen Begriff genau notiert. Ich sage Ihnen deutlich: Der Begriff „politische Klasse“ ist in seiner Entstehungsgeschichte und in seinem Gebrauch ein demokratiefeindlicher Kunstbegriff.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Die Praxis der politischen Klasse ist demokratiefeindlich!)

Sie sollten Menschen, die Verantwortung für dieses Land tragen, nicht herabwürdigen, indem Sie von „Klasse“ sprechen.

Das ist falsch, wenn es darum geht, die rechtsradikalen Hetzer in diesem Land zu bekämpfen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Klasse“ ist doch keine Herabwürdigung! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Vielleicht ist ja in Ihrer Partei die Bezeichnung als Klasse eine Beschönigung von irgendetwas!)

Es ist auch nicht in Ordnung, dass Sie, Herr Kollege Hofreiter, wenn es darum geht, gegen Hass und Gewalt und gegen Radikalisierung auf unseren Straßen vorzugehen, automatisch den Bogen von Pegida über AfD bis hin zur CSU spannen. Das ist unlauter, und dem stellen wir uns mit aller Macht entgegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton ­Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sollten Sie Herrn Seehofer sagen, dass er mal einen Tag seine Klappe halten soll! Das wäre ja schon ein Fortschritt, wenn er wenigstens einen Tag seine Klappe halten würde!)

Ja, wir bekämpfen die AfD. Wir bekämpfen Pegida. Wir bekämpfen radikales Gedankengut. Aber das geht nur, wenn wir Verantwortung übernehmen und wenn die Politik Vertrauen in diesem Land schafft. Vertrauen werden wir nur dann erlangen, wenn wir die Probleme lösen und uns offen und ohne gegenseitige Schuldzuweisungen daranmachen, die drängenden Herausforderungen zu bewältigen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Aber dazu trägt halt die CSU nichts bei! Der Herr Seehofer auch nicht! Fragen Sie mal Frau Merkel, was sie von den Lösungsvorschlägen der CSU hält!)

Das sind Herausforderungen im Bereich der Flüchtlingspolitik und im Bereich der inneren Sicherheit. Wir werden diese Herausforderungen angehen. Da mögen Sie so viel schreien, wie Sie nur wollen. Verantwortung ist keine Frage der Lautstärke, sondern des Handelns.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber daran mangelt es Ihnen eben ganz genau!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen insgesamt ein Eintreten für die wertvolle freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das geht durch beherztes politisches Handeln, aber auch durch Engagement dieser Zivilgesellschaft. Wer nichts tut, wer sich zurücklehnt, wer sich nicht engagiert, wird vielleicht morgen in einer Welt aufwachen, in der er dieses Nichtstun bitter bereuen würde. Nichtstun und Nichteintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist ein süßes Gift; aber es ist ein Gift, das wir nicht akzeptieren sollten.

Lassen Sie uns gemeinsam gegen Extremismus, Hass und Hetze kämpfen, und lassen Sie uns gemeinsam die Verantwortung in diesem Staat wahrnehmen! Dafür sind wir gewählt, und daran sollten wir arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6565529
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt
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