18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 155 / Zusatzpunkt 2

Lars CastellucciSPD - Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Richten wir einmal den Scheinwerfer auf die AfD. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch – das ist die Dame, die an der Grenze schießen will –, hat auf einem Parteitag gesagt: „Wir wollen die Demokratie verteidigen. Demokratie geht nur national.“ Ich sage: Ich will die Demokratie verteidigen, und zwar vor solchen Leuten wie Frau von Storch; denn Demokratie geht nur mit Anstand.

(Beifall im ganzen Hause)

Vieles, was wir in diesen Tagen hören und lesen, ist nur schwer erträglich. Markus Frohnmaier – er ist Bundesvorsitzender der Jungen Alternative und Landtagskandidat bei uns im Südwesten – sagt:

Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den kenne ich!)

Alexander Gauland – den kennen Sie auch noch – sagt im Spiegel:

Natürlich verdanken wir unseren Wiederaufstieg in erster Linie der Flüchtlingskrise.

Und:

Man kann diese Krise ein Geschenk für uns nennen. Sie war sehr hilfreich.

Ein Armin Paul Hampel – er ist AfD-Chef in Niedersachsen – relativiert die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und sagt:

… aber es ist doch klar,

– Achtung!

dass ein Gutteil dieser angeblichen Brandanschläge von den Flüchtlingen selbst kommt, meist aus Unkenntnis der Technik. Mal ehrlich, viele von ihnen dürften es gewohnt sein, in ihren Heimatländern daheim Feuer zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nationalistisch, völkisch, zynisch oder auch nur dumm: Solchen Leuten kann man dieses Land nicht anvertrauen.

(Beifall im ganzen Hause – Katja Kipping [DIE LINKE]: Da klatschen Sie nicht, Herr Wendt!)

Einmal nur nebenbei: Sagen darf man diese ganzen Dinge übrigens. Das ist ja auch eines dieser Leitmotive, das aus dieser Szene kommt, man dürfe bestimmte Dinge in Deutschland nicht sagen. Ich frage mich: Woher kommen denn eigentlich diese Erfahrungen? Ich glaube, dahinter steckt etwas ganz anderes. Die Leute wissen: Wenn sie so etwas sagen, dann bekommen sie Widerspruch. Das sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Sagen darf man es schon, aber mit Widerspruch muss man dann im Zweifel auch rechnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Man kann sich rassistisch äußern, dann muss man aber auch damit rechnen, ein Rassist genannt zu werden. Das ist Demokratie.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Am Sonntag wurde in Heidelberg der Ehrenbürgerin und Dichterin Hilde Domin gedacht. Sie ist vor zehn Jahren verstorben. Auch sie musste aus Deutschland fliehen. Es ist etwas exemplarisch, wie ihr Weg dann war. Vielleicht hilft das auch für eine Einschätzung unserer heutigen Zeit. Sie floh über Italien, dann Frankreich, dann Großbritannien, dann Kanada, bis sie in Santo Domingo landete und damit in einem Land, dem sie dann ihren Namen entliehen hat. Wir merken da also: Ja, die Menschen wollen eigentlich, wenn sie fliehen müssen, erst einmal in der Nähe bleiben, weil sie Hoffnung haben, wieder zurückzukönnen. Und wir lernen auch: Wenn es wieder möglich ist, zurückzugehen, dann gibt es viele, die auch wieder zurückwollen und mithelfen wollen, dass aus ihrem Land ein gutes Land wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hilde Domin hat aus dieser eigenen Fluchterfahrung geschrieben:

Jeder Verfolgte, der überlebt hat, weiß, dass er nur durch die Hilfe anderer noch hier ist.

Diese Hilfe, die wir in Deutschland in diesen Tagen erleben, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich auch Ausdruck eines hohen demokratischen Bewusstseins. Denn Willy Brandt, als er „mehr Demokratie wagen“ gesagt hat, hat damit gesagt, er will zur Mitverantwortung ermutigen.

Ich würde sagen, diese Saat von Bildungsreformen und mehr Demokratie ist aufgegangen. Das zeigt die Hilfe in diesem Land. Willy Brandt hätte einen klaren Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, aber er wäre auch stolz auf dieses Land. Demokratie, das ist Hilfe, mit anpacken, keine Hetze!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Aber das Wichtigste – auch noch einmal Hilde Domin, wie sie aus ihrer Lebenserfahrung zusammenfasst, wo­rauf es im Umgang von Mensch zu Mensch ankommt –:

... dass er den anderen als seinesgleichen behandelt. Dass er ihn in seiner Menschenwürde nicht kränkt, gleichgültig wie groß die Standes-, Begabungs-, Bildungs- und Glücksunterschiede auch sein mögen.

Ja, Demokratie geht nur mit Menschenwürde. Das ist der Ausgangspunkt. Meine Damen und Herren von der AfD, Menschenwürde – und nicht Deutschenwürde.

(Beifall im ganzen Hause)

Diese sogenannte Alternative für Deutschland bietet also keine Alternative für Deutschland, sondern in vielen Äußerungen kommt zum Ausdruck: Sie bietet eine Alternative zur Demokratie. Ich kann dazu nur sagen: Das haben wir schon gehabt. Das brauchen wir nicht wieder.

(Beifall im ganzen Hause)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Monika Lazar, Bündnis 90/Die Grünen.

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Electoral Period 18
Session 155
Agenda Item Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt
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