Jörg HellmuthCDU/CSU - Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, rechtsextreme, rechtspopulistische und rassistische Hetze bzw. die Zahl der Kräfte, die diese verbreiten, nehmen zu. Diese Entwicklung erfüllt uns alle mit großer Sorge. Der Rechtsstaat mit all seinen Mitteln ist hier gefragt. Er hat natürlich die Aufgabe, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Der Bundestag – Kollege Ullrich hat das hier angeführt – hat in den letzten Wochen und Monaten das eine oder andere auf den Weg gebracht. Ob das schon ausreichend ist, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Die Tendenz zu rechtspopulistischer und rassistischer Hetze gibt es nicht erst seit gestern oder heute – es ist eine längere Entwicklung –; aber aufgrund der Übergriffe auf viele Asylunterkünfte hat man im Moment den Eindruck, dass wir hier eine völlig neue Dimension erreicht haben. Wie auch in anderen Städten fanden in meinem Wahlkreis in den letzten Jahren mitunter Demonstrationen der NPD statt. Der Ablauf war immer der gleiche: Der Ankündigung einer Demo der NPD folgte die Ankündigung einer Gegendemo durch Linksextreme.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Warum haben Sie eigentlich keine Gegendemo angemeldet? – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es war klar, dass Sie da nicht einfach zuhören können!)
Trotz diverser Kooperationsgespräche kam es zu Gewaltexzessen. Im Vorfeld wurde veranlasst, dass ein Großaufgebot der Polizei vor Ort ist,
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie sind noch stolz, dass Sie nichts anmelden!)
die in jedem Fall die öffentliche Sicherheit gewährleisten konnte. Aber ich frage mich: Zu welchem Preis?
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Soll lieber nicht demonstriert werden?)
Wir im Bund haben im letzten Haushaltsjahr reagiert, haben 3 000 zusätzliche Stellen in der Bundespolizei geschaffen. Auch bei den Ländern gibt es ein Umdenken. Insbesondere in den neuen Bundesländern ist die Formel, dass die demografische Entwicklung zu einer Abnahme der Zahl der Polizeikräfte führt, außer Kraft gesetzt. Das ist so; daran führt im Moment kein Weg vorbei. Wenn man sich überlegt, dass selbst Fußballspiele der dritten und vierten Liga mittlerweile als Hochsicherheitsspiele eingestuft werden, dann fragt man sich: Wo soll das noch hinführen? Angesichts dieser Umstände habe ich mich des Öfteren gefragt: Wird es in Zukunft überhaupt noch genügend Jugendliche geben, die bereit sind, ihren Dienst bei der Polizei zu tun? Wir müssen also nicht nur das Personal aufstocken, sondern es auch mit modernsten Materialien ausrüsten. Auch hier haben wir im Haushalt das ein oder andere mit auf den Weg gebracht.
Ich will einen anderen Aspekt benennen. Als wir mit der Arbeitsgruppe Innen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor einigen Monaten die Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal besuchten, bin ich mit einem Polizeiführer ins Gespräch gekommen, der gerade von einem Wochenendeinsatz aus Bayern zurückkam – das war im Herbst letzten Jahres –: viele Überstunden, Tag und Nacht Einsätze. Es war für ihn ein besonderes Ereignis, als ihm Flüchtlinge, mit denen er ins Gespräch gekommen war, sagten, dass sie auf ihrem langen Weg über die Balkanroute das erste Mal einen freundlichen Polizisten erlebt haben. Das sollten wir uns auch in Zukunft erhalten. Unsere Polizei kann auch zukünftig ein Stück dazu beitragen, dass in anderen Ländern, insbesondere der Europäischen Union, ein Umdenken bei der Polizeiarbeit erfolgt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wo liegen die Ursachen für die Entwicklung? Wie kann man gegensteuern? Ich denke, wir sind uns einig: Ein Patentrezept gibt es nicht. Aber ein, wenn nicht der Ansatz – einige meiner Vorredner sind schon darauf eingegangen –, ist sicherlich das Thema Bildung. Es muss gelingen, jedem Jugendlichen einen Schul- bzw. Berufsabschluss zu ermöglichen. Viele Schulen in meinem Wahlkreis haben das auf ihrer Agenda. Nachdem die Zahlen Ende der 90er‑Jahre besorgniserregend waren, was den Anteil Jugendlicher ohne Abschluss betraf, haben wir jetzt wieder eine positive Entwicklung. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass wir in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren viele Millionen Euro in unsere Schullandschaft investiert haben. Trotz leerer Kassen haben wir, die kommunalen Spitzenverbände und das Kultusministerium gemeinsam Programme entwickelt, mit denen es insbesondere gelang, Strukturmittel der EU umzuleiten. Wie gesagt, hier sind wir in den letzten Jahren einen wesentlichen Schritt vorangekommen.
In Ihrem Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, heißt es unter Punkt 5 „Zivilgesellschaftliches Engagement schützen“. Das ist wichtig, keine Frage. Ich will Ihnen aus meinem Wahlkreis ein Beispiel für ein solches zivilgesellschaftliches Demokratieprojekt nennen.
In meinem Wahlkreis befindet sich der Geburtsort Otto von Bismarcks, dessen 200. Geburtstag letztes Jahr gefeiert wurde.
(Lachen der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Seit einigen Jahren gibt es einen Kooperationsvertrag zwischen Gemeinde, Landkreis, Land und der bundeseigenen Otto-von-Bismarck-Stiftung,
(Lachen der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
übrigens die einzige Außenstelle einer der Politikergedenkstiftungen in den neuen Ländern. Insbesondere zum Geburtstag des ehemaligen Reichskanzlers fanden in den letzten Jahren Demonstrationen der sogenannten „Bismarck-Freunde“, nachweislich hauptsächlich NPD-Mitglieder, statt.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist Ihr Beitrag zum Thema „Was ist Rassismus“? Tourismuswerbung?)
Die Leiterin der Otto-von-Bismarck-Stiftung vor Ort und ihre Mitarbeiter haben das Projekt „Kunst für Demokratie“ initiiert. Immer zum Geburtstag werden die legendären Kanonen eingehüllt, und es finden Theateraufführungen statt. Man hat damit erreicht, dass die „Bismarck-Freunde“ keine Kulisse für ihren Aufmarsch bekommen.
Zum 200. Geburtstag im letzten Jahr wurde ein weiteres Projekt von der Grundschule des Ortes initiiert: „Kunst öffnet Türen“. Dort haben zahlreiche Vereine der Gemeinde und der umliegenden Orte Türen gestaltet und den Park damit zugestellt
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das Thema ist: gegen Rassismus!)
– aber auch: für Demokratie –, um auch hier der NPD keine Kulisse zu bieten.
Unter Punkt 10 sprechen Sie sich in Ihrem Antrag für eine Quote für Beschäftigte mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst aus.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist mal ein Beleg dafür, dass die Union viel zu viel Redezeit hat! – Gegenruf von der CDU/CSU: Wahlergebnis!)
Ich möchte davor warnen, dies umzusetzen.
Meine eigene Erfahrung über viele Jahre in einer öffentlichen Verwaltung, wo wir nachweislich auch Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eingestellt haben, die sich aber einem normalen Auswahlverfahren unterwerfen mussten, ist, dass man keinen bevorzugen sollte. Und wir sind in keinem Fall von denjenigen, die wir eingestellt haben, enttäuscht worden.
Insofern können wir den einen oder anderen Punkt sicherlich noch in den Ausschusssitzungen debattieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Matthias Schmidt für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6565689 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt |