Matthias SchmidtSPD - Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hellmuth, in Sachen Bismarck haben Sie ja furchtbar viel Anlauf genommen, bis Sie am Ende zum Projekt gekommen sind. Ich glaube aber, das Projekt „Kunst für Demokratie“ war wirklich gut.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber so ganz genau habe ich es nicht verstanden.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist ein bisschen untergegangen in der Tourismuswerbung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gut, das wir es kennengelernt haben!)
Worüber ich aber sehr ernsthaft mit Ihnen reden möchte, ist: Sie kommen doch aus Sachsen-Anhalt, und Sie haben Wahlen vor der Tür.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ui!)
Ich möchte Ihnen empfehlen, die Augen aufzumachen. Es ist 1998 in Sachsen-Anhalt der CDU ja schon einmal so gegangen, dass sie am Tag nach der Wahl wachgeworden ist, und die DVU hatte ein Wahlergebnis von unsäglichen 12,9 Prozent. Machen Sie bitte die Augen auf! Die Feinde der Demokratie stehen rechts. Von dort wird unser Rechtsstaat bekämpft, und dort müssen wir gemeinsam hin.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das müssen Sie nicht der CDU allein sagen!)
Wenn Sie von einer NPD-Kundgebung aus Ihrem Wahlkreis berichten und dann nur zu erwähnen wissen, dass es eine Gegendemo von Linksextremen gab, die Gewaltexzesse produziert hätten, läuft da etwas grundlegend falsch.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: War eine sachliche Darstellung!)
Ich glaube, in all unseren Wahlkreisen gibt es diese Situation, dass „besorgte Bürger“ unter dem Deckmantel der NPD oder andersherum die NPD unter deren Deckmantel Demonstrationen anmelden. Da müssen wir als Demokraten gemeinsam zusammenstehen und unsere Werte verteidigen. Das erwarte ich von Bundestagsabgeordneten.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Thema.
(Zuruf von der CDU/CSU: Endlich!)
Im Titel des Antrags heißt es: „Demokratie stärken“. Genau darauf möchte ich meinen Schwerpunkt legen.
Ich beginne mit einem Zitat von Pastor Martin Niemöller, deutscher Theologe, christlicher Widerstandskämpfer und U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg. Er hat einmal in einem Interview sinngemäß gesagt: Die einzig wahre Demokratie gab es auf meinem U-Boot. – Das ist ein Satz, der sehr nachdenklich macht. Warum gibt es Demokratie im Zusammenhang mit Militär? Ich habe mir seinerzeit sein Buch Vom U-Boot zur Kanzel aus einem Antiquariat besorgt. Es ist sehr interessant, das nachzulesen. Möglicherweise macht es gerade die Schicksalsgemeinschaft auf einem U-Boot erforderlich, demokratisch zusammenzustehen, sich gegenseitig zu motivieren und sein eigenes Überleben zu sichern.
Das Beispiel von Niemöller zeigt uns: Demokratie gibt es nicht nur hier im Parlament, im Bundestag, in den Landtagen, in den Kommunalparlamenten oder im Europaparlament, sondern Demokratie gibt es im Alltag im Großen und im Kleinen an ganz vielen Stellen. Es gibt Demokratie in der Familie – so hoffe ich zumindest –, in der Schule bei der Abstimmung über den Wandertag oder über die Klassenfahrt und gerne auch beim Elternabend. Es gibt Demokratie in Sportvereinen, die ich gern als die Schule der Demokratie bezeichne, im Bürgerverein, im Chor und auch im Kirchenkreis und mitunter am Arbeitsplatz. Das zeigt uns das Beispiel von Niemöller; das kann für uns alle als Arbeitgeber Mahnung sein.
Wir haben das Potenzial der Demokratie in der Gesellschaft noch nicht ausgeschöpft, und wir sollten alle weiter daran arbeiten, das zu tun. Unser Staat schafft an vielen Stellen zahllose Möglichkeiten der gleichberechtigten Teilhabe. Einige Beispiele habe ich genannt. Gleichwohl müssen wir erleben, dass immer weniger Menschen ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, und das an einer Stelle, wo es uns allen wehtut, nämlich bei den Wahlen. Das macht uns allen Sorgen, und wir müssen sehen, wie wir damit umgehen.
Ein Teil der Menschen geht leider nicht mehr zur Wahl, weil sie die Demokratie radikal ablehnen, weil sie ein anderes System wollen. Wir kennen das aus unserer Geschichte.
Der Staat muss darauf reagieren, einerseits mit Repression. Das NPD-Verbotsverfahren ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Ich weiß, wovon ich rede: Die Bundeszentrale der NPD liegt leider in meinem Wahlkreis. Ich saß viele Jahre mit dem seinerzeitigen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt im Kommunalparlament und war dazu verdammt, mir seine rechtsextremen und rechtspopulistischen Thesen anzuhören; aber dafür waren wir gewählt. Ich hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht im März den nächsten Schritt in die richtige Richtung geht und zu einem NPD-Verbot kommt,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
wohl wissend, dass das NPD-Verbot nicht alle Probleme löst – ganz im Gegenteil.
Wir müssen weiter zivilgesellschaftlich arbeiten, und dafür braucht es Prävention. Dafür braucht es Demokratiestärkung, die wir – viele Vorredner haben darauf hingewiesen – an vielen Stellen leisten. Eine Stelle ist noch nicht genannt worden: Das sind die Lehrerinnen und Lehrer in unseren Schulen. Sie sind allesamt, egal welches Fach sie unterrichten, ob Sport, Mathe, Geschichte oder Deutsch, Vorbilder der Demokratie und leisten eine prima Arbeit. Dafür ist ihnen zu danken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Herr Präsident, ich ahne schon, dass Sie unglücklich wären, wenn ich noch lange weiterredete. Deswegen komme ich direkt zum Schluss.
Der Antrag der Grünen greift tatsächlich viele Aspekte auf, die wir für eine Stärkung der Demokratie benötigen. Darüber werden wir in den Ausschüssen weiter diskutieren. Letztendlich geht es darum, das demokratische Bewusstsein und auch Freude an der Demokratie zu wecken. Liebe Gäste auf den Zuschauertribünen, das richtet sich genauso an Sie wie an uns Abgeordnete: Lassen Sie uns gemeinsam etwas bewegen für die Demokratie.
Vielen herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6565690 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen gegen Rassismus, Hetze und Gewalt |