18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 6

Simone RaatzSPD - 25 Jahre Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der VCI, also der Verband der Chemischen Industrie, hat vor Kurzem eine Studie mit dem Titel „Innovationen den Weg ebnen“ herausgegeben. Die Ergebnisse dieser Studie machen Folgendes deutlich: Wie innovativ ein Unternehmen ist, liegt nicht allein am Unternehmen selbst, sondern auch am gesellschaftlichen Umfeld. Fast 30 Prozent der chemischen Unternehmen beklagen eine ablehnende Haltung zur technischen Entwicklung in unserer Gesellschaft. Das regt zum Nachdenken an. Das sollten wir hinterfragen; denn es schränkt natürlich auch unsere Innovationsfähigkeit ein.

Warum ist das so? Wir alle nutzen doch täglich neue Entwicklungen und Technologien und genießen ihr Vorhandensein. Das Smartphone oder unser Auto mit Navigationssystem – man kann vieles mehr nennen – sind doch alltägliche Produkte. All das macht uns das Leben leichter, und wir wollen es nicht missen.

Eine mögliche Antwort auf das Verhalten, das die chemischen Unternehmen feststellen, gibt uns das Wissenschaftsbarometer von 2015. Hiernach meinen 31 Prozent der Befragten, dass die Entwicklung einer neuen Technologie gestoppt werden sollte, wenn sie unbekannte Risiken birgt. Genau hier leistet das TAB-Büro seit 25 Jahren einen ganz wichtigen Beitrag.

Das TAB gibt uns Bundestagsabgeordneten – das wurde von meinen Vorrednern hier schon erwähnt –, aber auch anderen Interessierten die Möglichkeit, sich mit naturwissenschaftlich-technischen Entwicklungen bereits im Vorfeld ihrer Realisierung auseinanderzusetzen. Zudem gibt uns die Technikfolgenabschätzung politische Handlungsempfehlungen an die Hand, sodass wir einschätzen können, mit welchen Risiken, aber auch mit welchen Potenzialen wir es zu tun haben. Ich denke, dass das für unsere politische Arbeit – das war hier schon Thema – von unschätzbarem Wert ist. Dafür möchte auch ich an dieser Stelle noch einmal danken.

(Beifall im ganzen Hause)

Seit seiner Gründung hat das TAB zahlreiche Studien zu den unterschiedlichsten Fragestellungen verfasst und veröffentlicht. Einige Themen haben hier schon eine Rolle gespielt. So sind beispielsweise die Beiträge des TAB zur Bewertung der Grünen Gentechnik sehr wichtig, auch heute noch; ich glaube, der Bericht wurde 2005 veröffentlicht. Gerade in diesem Feld standen und stehen sich Kritiker und Befürworter nach wie vor kompromisslos gegenüber. Das Kuriose ist: Beide Seiten beziehen sich auf wissenschaftliche Studien und untermauern damit im Endeffekt gegenläufige politische Forderungen. Ich denke, das macht für uns die Entscheidung nicht in jedem Fall einfacher.

Da ist auf der einen Seite die Industrie, die die Grüne Gentechnik ausschließlich positiv bewertet und mit ihr zum Beispiel die Ernährung einer stark wachsenden Bevölkerung als gesichert ansieht. Auf der anderen Seite befindet sich ein großer Teil der Bevölkerung, der insbesondere negative Auswirkungen auf unser Ökosystem und natürlich auch auf unsere Gesundheit vermutet. Umso wichtiger war und ist es, dass das TAB im Arbeitsbericht 104 dem Deutschen Bundestag und der interessierten Öffentlichkeit eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Sicht auf die kritischen Aspekte, aber auch auf die Potenziale der Grünen Gentechnik aufgezeigt hat. Mein Kollege hat zwar schon einige Sätze dazu gesagt, was „Unabhängigkeit“ bedeutet. Aber ich gehe erst einmal davon aus, dass unser TAB verschiedene Seiten beleuchtet und wir als Auftraggeber dafür sorgen, dass die Unabhängigkeit gewahrt ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grüne Gentechnik ist nur eines von vielen Beispielen, die verdeutlichen, dass unsere Bürger zu Recht Transparenz und einen ehrlichen Dialog über den Nutzen, aber auch über die Risiken fordern. Das spielt in der heutigen Diskussion in der Gesellschaft nach wie vor eine zu geringe Rolle. Nur wenn wir den Nutzen und die Risiken gleichermaßen betrachten, stellt sich die Akzeptanz von Innovationen ein. Wenn wir das nicht machen, sind die Leute kritisch und sagen: Ich weiß gar nicht, was auf mich zukommt. – Damit verhindern wir Innovationen.

Um diese Akzeptanz herzustellen, ist es besser, die Leute möglichst früh einzubeziehen. Die Forschungseinrichtungen, die Industrie und wir als Politiker müssen darauf hinwirken, dass wir unsere Bürger in aktuelle Entwicklungen einbeziehen, noch bevor vielleicht ein Endprodukt da ist. Wir müssen einen kontinuierlichen Dialog produzieren und die Partizipation der Menschen von Anfang an ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Im Moment ist es bei vielen Dingen eigentlich eher noch eine Einbahnstraße. Man sagt: Hier habt ihr ein Produkt; das müsst ihr jetzt schön finden. – Dann sagen die Leute: Nein, das finden wir nicht unbedingt schön.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Beispiele!)

Da brauchen wir in der Gesellschaft noch mehr Diskussion und Anregungen, auch aus unserem TAB heraus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wichtiger Partner in diesem gesellschaftspolitischen Prozess ist, wie gesagt, das TAB. Darum bin ich außerordentlich dankbar, dass Edelgard Bulmahn diese Idee auf den Weg gebracht hat – das ist schon erwähnt worden – und Ulla Burchardt das im Endeffekt maßgeblich mit unterstützt hat. An dieser Stelle möchte ich auch dir, Patricia Lips, danken – du stehst heute halt im Mittelpunkt –, danken für dein Engagement, für deine Überzeugungskraft und deine Geduld. An dieser Stelle also noch einmal ein ganz herzlicher Dank an dich!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich bin guter Dinge, dass wir 2040 an gleicher Stelle „50 Jahre TAB“ feiern können. Damit das TAB auch dann auf der Höhe der Zeit ist, müssen wir es nach meiner Meinung konzeptionell weiterentwickeln und auch finanziell auf sicherere Füße stellen. Deswegen danke ich der Opposition insbesondere, dass sie den Vorschlägen zur finanziellen Aufstockung beipflichtet. Das ist ganz großartig.

(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD] und Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Außerdem muss das TAB in die Lage versetzt werden, mehr tagesaktuelle Themen zu bearbeiten und seine wertvolle Arbeit noch breiter in die Öffentlichkeit zu tragen. Ich denke, die Bundestagsabgeordneten können nicht der alleinige Adressat sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung ist ein ganz wertvoller Bestandteil sowohl des Bundestags als auch unseres Ausschusses für Bildung und Forschung. Seine Rolle ist nach meiner Meinung heute noch bedeutender als vor 25 Jahren. Und: Die Bedeutung wächst stetig. Ich würde mich daher freuen, wenn wir weiterhin gemeinsam und vor allen Dingen parteiübergreifend weiter an diesem Diamanten schleifen, um seine Leuchtkraft noch zu verstärken.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Poesie in reiner Form!)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Stefan Kaufmann, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6565859
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt 25 Jahre Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag
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