18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Zusatzpunkt 3

Kirsten LühmannSPD - Aktuelle Stunde zum Abgasskandal

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Verehrte Zuhörende! Wie auch bei der letzten Aktuellen Stunde zu diesem Thema habe ich akribisch versucht, herauszufinden, welche aktuellen Dinge wir neu haben, die wir besprechen müssen. Ich bin dann auf die hier schon angesprochene Pressemitteilung gestoßen, nach der Herr Winterkorn schon im Mai 2014 von Manipulationen in Amerika wusste.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War das eine Pressemitteilung?)

Das ist allerdings nicht neu. Wir alle wissen, dass im Mai 2014 die US-Umweltbehörde EPA an VW herangetreten ist, um über das Thema zu reden. Dass man darüber die Konzernspitze informiert, halte ich für normal.

Die Frage, die dieser Pressebericht nicht beantwortet hat, ist: Hat Herr Winterkorn vor dem Aufspielen der Software davon gewusst? Hat er es gebilligt? Hat er es sogar angewiesen? Mein Vorredner hat dankenswerterweise darauf hingewiesen: Das ist eine Frage, die von den Ermittlungsbehörden geklärt wird und nicht von uns. – Also kann das nicht das Thema sein.

Das Einzige, was mir aktuell noch eingefallen ist, ist, dass uns die Grünen Informationen über die Ergebnisse ihrer gestrigen Veranstaltung zur Zwischenbilanz im Abgasskandal geben wollten. An der Veranstaltung konnten wir nicht teilnehmen, weil zeitgleich eine Sitzung des Verkehrsausschusses stattfand. Aber aus den Reden der Grünen ist mir dazu auch nichts bekannt geworden.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie mir nicht zugehört!)

Also glaube ich, dass wir uns nicht weiter damit beschäftigen sollten, warum wir hier heute eine Aktuelle Stunde haben, sondern die Zeit einfach zu einer kurzen Standortbestimmung nutzen sollten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gibt es deutliche Unterschiede in der Philosophie der Kontrolle.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das kann man so sagen!)

In den USA bescheinigt man mit seinem guten Namen, dass man Regularien einhält. Wird man dann beim Betrug erwischt, bekommt man eine saftige Strafe, eine deutlich höhere als bei uns. Wir hingegen haben eine Kultur der regelmäßigen Kontrollen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hat überhaupt keine Kontrollen gegeben! Von niemandem!)

Hier gilt es Veränderungen herbeizuführen und Kon­trollen an die neuen Bedingungen anzupassen, und zwar zeitnah, liebe Kollegen und Kolleginnen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Donth [CDU/CSU])

Das heißt, wir müssen das Kraftfahrt-Bundesamt rechtlich wie auch technisch dazu in die Lage versetzen. Mein Kollege Arno Klare hat bereits in der Aktuellen Stunde Anfang November die Offenlegung der Quellcodes und Weiteres gefordert. Inzwischen ist das vom BMVI unterstützt worden. Wir sind uns mit Minister Dobrindt darüber einig, dass die Motorsoftware gegenüber dem KBA offengelegt werden muss. Wir müssen auch dafür sorgen, dass das KBA eigene Prüfstände bekommt, um selbstständig Kontrollen durchführen zu können. Das werden wir angehen.

Doch bessere Prüfmöglichkeiten für die deutschen Behörden wird es am Ende nur mit einer europäischen Lösung geben, und zwar mit einer Lösung, die den realen Fahrbetrieb berücksichtigt. Die EU hat mit ihren Vorschriften im Paket zu den NO x -Grenzwerten einen ersten Schritt getan. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass unsere Fraktion sich da auch etwas ambitioniertere Werte hätte vorstellen können; aber zumindest ist dieses Paket jetzt auf den Weg gebracht. Viel wichtiger ist das nächste Paket, das wir brauchen. Wir brauchen Regelungen zu den hier schon mehrfach angesprochenen Real Driving Emissions. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die klar definiert sind, was die Geschwindigkeit, die enthaltenen Steigungen, die Temperatur und die Beschleunigung angeht. Diese müssen, wie gesagt, klar und eindeutig sein. Ich gehe davon aus, dass hier in diesem Hause Einigkeit darüber herrscht, dass wir diese klaren Vorschriften zeitnah brauchen und dass wir sie gemeinsam in Brüssel umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür hattet ihr doch fünf Monate Zeit! – Oliver ­Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum kommt denn da nie was?)

Erfreulich ist auch – was ja auch angesprochen wurde –, dass der Rückruf in Deutschland begonnen hat. Heute gab es einen Bericht in der auto motor und sport. Die haben die ersten umgerüsteten Fahrzeuge des VW Amarok getestet. Dabei sind ein paar interessante Sachen herausgekommen.

Das Erste ist, dass es einige Fahrzeuge gab, die nach der Umrüstung einige PS mehr hatten als vorher.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Nun gut, das ist jetzt nicht

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ziel der Übung!)

besonders positiv oder negativ. Allerdings wurde auch festgestellt, dass das Beschleunigungsverhalten im fünften und sechsten Gang besser geworden ist und, was für uns ja ganz wichtig ist, dass der Stickoxidausstoß gleich geblieben ist,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer noch zu hoch!)

das heißt, die Werte werden eingehalten, es hat sich nichts verändert.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum hat dann VW betrogen?)

Das Zweite, was hier auch angesprochen wurde und über das wir reden sollten, ist die Tatsache, dass der Kraftstoffverbrauch auf 100 Kilometer um einen guten halben Liter höher geworden ist. Nun ist der Amarok ja nicht gerade als besonders sparsames Auto bekannt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eher ein Panzer!)

Wenn jetzt also im März die VW Passat zur Umrüstung kommen, werden wir uns das noch einmal anschauen; aber ich glaube nicht, dass das in dieser Höhe dort zu sehen sein wird.

Die SPD-Fraktion hat im Januar dieses Jahres ein Positionspapier verabschiedet, in dem wir uns eindeutig für die Energiewende im Verkehr ausgesprochen haben. Es ist ein umfangreiches Papier. In ihm haben wir festgelegt, dass wir neben der Elektromobilität auch Brückentechnologien wie Erdgas weiterhin fördern; denn beide Technologien bieten sowohl für den Individualverkehr als auch für den ÖPNV immer noch große Potenziale – die Elektromobilität auch bei leichten Nutzfahrzeugen, Erdgas und Wasserstoff auch im Schwerlastverkehr, der immer noch den höchsten Schadstoffausstoß aufweist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Abschließend sei mir erlaubt, anzumerken, dass ich gerne diese und weitere Punkte mit Ihnen in einer ernsthaften Debatte erörtert hätte. Wir sind daher etwas erstaunt, dass die von den Grünen beantragte 77-minütige Kernzeitdebatte,

(Sören Bartol [SPD]: Ja!)

in der wir diverse Anträge hätten beraten und auch beschließen können,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsere Anträge!)

abgesetzt wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten unsere Anträge abgelehnt!)

Ich gehe davon aus,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Sinn war doch ein anderer!)

dass wir diese Debatte hier zeitnah nachholen und richtige Beschlüsse auf den Weg bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bringen Sie doch mal einen Antrag ein!)

Vielen Dank, Kollegin Lühmann. – Der nächste Redner in der Debatte: Hans-Werner Kammer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6566143
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Abgasskandal
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