18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 7

Alexander RadwanCDU/CSU - Europäisches System der Finanzaufsicht

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute einen Antrag über die Weiterentwicklung der europäischen Finanzaufsicht zu beraten, um sie nach Möglichkeit effizient zu machen.

Zu Beginn sollte man sich die Frage stellen, wie die Entstehung war und die Entwicklung und warum wir heute an diesem Punkt sind, den wir diskutieren. Kernpunkt war das sogenannte Lamfalussy-Verfahren, in dem drei Strukturen geschaffen wurden: für den Banken-, den Wertpapier- und den Versicherungsbereich. Zielrichtung der Kommission des europäischen Parlaments und der beteiligten Staaten war es, die europäischen Kapitalmärkte zu deregulieren. Inzwischen hatten wir die Finanzkrise. Darum wurden diese Strukturen entsprechend weiterentwickelt.

Man muss sich einmal anschauen, welche Aufgaben die drei neu geschaffenen Organisationen haben: Die ESAs, also die EBA, die EIOPA und die ESMA, haben auf der einen Seite die Aufgabe einer kohärenten Regulierung. Das heißt, auf europäischer Ebene werden die Vorgaben gemacht – im gesetzgeberischen Bereich auf Level 1 –, die, wenn sie Verordnungen sind, unmittelbar gelten, oder Richtlinien, die entsprechend umzusetzen sind und dann auf Level 2 und 3 – darauf komme ich noch zu sprechen – konkretisiert werden. Damit dies in Europa, etwa in Portugal, Polen oder Deutschland, kohärent angewendet wird, wurden diese Gremien geschaffen.

Gleichzeitig haben sie die Aufgabe, auf Level 2 und Level 3 entsprechende Vorgaben, sogenannte technische Standards, zu definieren. Auf Level 2 sind die Vorgaben durch die delegierten Rechtsakte auf europäischer Ebene definiert. Auf Level 3 können diese Organisationen von sich aus definieren, welche Themen sie auf europäischer Ebene angehen wollen. Sie haben grundsätzlich das Recht dazu; aber die Frage ist, welchen Rechtsstatus dies im Vollzug hat. – Das ist die Ausgangsposition.

Dazu kamen in den letzten Jahren die Bankenunion, der Abwicklungsmechanismus und die Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Das heißt: Wir haben seitdem eine ganze Reihe von europäischen Institutionen, die sich mit dem Thema „Regulierung und Aufsicht“ national wie europäisch beschäftigen. Darum begrüßen wir, dass die Europäische Kommission eine Evaluierung angestoßen hat, wie wir zukünftig aufgrund der Erfahrungen die Aufsicht weiterentwickeln müssen. Es hat sich ein ganzer Wust entwickelt, den man kritisch prüfen muss, um es besser zu machen und zu optimieren, ohne zu sagen, dass es generell falsch gelaufen ist.

Ich möchte bei Level 2 und Level 3 anfangen. Hier wird sehr viel faktische Normierung vorgenommen, die nicht vom Gesetzgeber vorgesehen wurde; die wurden von den Behörden entsprechend implementiert. Die Proportionalitätsprämisse wird nicht immer berücksichtigt – das wird fraktionsübergreifend regelmäßig betont –, obwohl das Proportionalitäts- und das Subsidiaritätsprinzip, die unterschiedlichen Strukturen der Banken von diesen Gremien beachtet werden müssen. Das passiert aus unserer Sicht aber zu wenig – gerade mit Blick auf die Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Außerdem haben wir eine erhebliche Regulierungsfülle. Ich glaube, eine Rücknahme bzw. Reduzierung der Regulierung wäre durchaus sinnvoll. Ferner wäre es gerade mit Blick auf die Sparkassen und Genossenschaftsbanken sinnvoll, die Zusammenarbeit in deutscher Sprache zu führen, um ihnen das Leben nicht noch schwerer zu machen.

Wichtig ist aber insbesondere, dass diese Gremien ihre Kompetenzen nicht überschreiten. Es muss klar sein: Das, was der Gesetzgeber vorgegeben hat, kann nicht zurückgedreht werden, auch wenn es den Gremien nicht gefällt. Das bekannteste Beispiel hängt mit der MiFID zusammen – es ist eines von vielen –: Der Gesetzgeber hat ganz klar entschieden, dass die Honorar- und Provisionsberatung gleichberechtigt nebeneinanderstehen sollen; aber jetzt regulieren die entsprechenden Gremien das in der Form, dass die Provisionsberatung faktisch tot ist und es nur noch die Honorarberatung gibt. – Diese Gremien haben nicht das Recht, am Gesetzgeber vorbei Gesetzgebung zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit bin ich bei einem der zentralen Punkte: Transparenz hinsichtlich dessen, was in den Gremien passiert, und parlamentarische Kontrolle aus Sicht des Europäischen Parlaments und aus Sicht des Deutschen Bundestages. Um es noch einmal klar zu sagen, weil das immer wieder bewusst falsch verstanden wird: Mir geht es nicht darum, dass im Plenum oder im Ausschuss über einzelne Regulierungsmaßnahmen diskutiert wird. Die Struktur muss aber so sein, dass auf europäischer Ebene eine Kontrolle erfolgen kann wie die auf nationaler Ebene durch die BaFin. Davon sind wir auf europäischer Ebene momentan weit entfernt. Ich glaube, alle in diesem Parlament haben ein Interesse daran, diese Kontrolle zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen dieses Ziel erreichen, weil sich die europäische Aufsichtspraxis infolge der jetzt anstehenden Gesetzgebungsmaßnahmen in den nächsten Jahren etablieren wird. Wenn der Vollzug in den nächsten Jahren etabliert wird und es normal wird, dass weder nationale Parlamente noch das Europäische Parlament involviert sind, dann wird ein Zurückdrehen des Rades noch schwieriger sein, als das jetzt schon ist. Die Aufsichtspraxis pendelt sich momentan zwischen den nationalen Aufsehern und der Europäischen Zentralbank ein.

Es ist wichtig, dass wir die verschiedenen Maßnahmen hinsichtlich Normierung und Definition auf der europäischen Ebene zukünftig von Anfang an parallel und einheitlich betrachten. Momentan ist es so: Wir haben beispielsweise Basel, IFRS und Solvency, und jeder Experte schaut nur auf sein Fachgebiet. Die Kohärenz zwischen den einzelnen Maßnahmen wird von den Aufsehern aber nicht beachtet. Diese Kohärenz schlägt sich letztendlich bei den Banken und den Finanzdienstleistern nieder, verbunden mit der entsprechenden Bürokratie und den damit verbundenen Kosten. Diesbezüglich müssen die Aufseher von Anfang an auch auf der oberen Ebene zusammenarbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch etwas zur Rolle der BaFin und der Europäischen Zentralbank sagen. Ich erwarte zukünftig von der BaFin, dass sie gegenüber dem Deutschen Bundestag transparent agiert, sodass wir wissen, wie sie in diesen Gremien verhandelt und was ihre Zielrichtung ist, und ich erwarte, dass sich die BaFin – wir reden hier über den Vollzug; und die europäischen Regelungen werden sehr stark auf nationaler Ebene vollzogen – sehr stark am politischen Willen des Gesetzgebers orientiert. Sollte es auf Level 3 entsprechende Maßnahmen geben, die nicht unserer Zielrichtung entsprechen – das haben wir im Finanzausschuss und im Plenum des Bundestages schon gesagt –, dann sollte man die BaFin dazu auffordern, dies nicht zu implementieren und auf europäischer Ebene zu sagen, dass das in Deutschland nicht möglich ist.

Wir haben seit einiger Zeit die Europäische Zentralbank als einen wichtigen Aufseher. Hierbei wird oft vergessen, dass die Europäische Zentralbank Teil der EBA ist. Die Europäische Zentralbank steht nicht über der EBA; sie ist ein Teil der EBA. Wir wissen, dass die Europäische Zentralbank hinsichtlich der Geldpolitik unabhängig ist; die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank bezieht sich aber nicht auf die Aufsicht. Wir erleben aktuell, dass in der Diskussion über AnaCredit klipp und klar gesagt wird, dass sehr viele Daten mit Blick auf die Geldpolitik gesammelt werden. Das mag so sein. Man kann darüber diskutieren, ob das mit Blick auf die Geldpolitik notwendig ist oder nicht. Bezogen auf die Kritik, dass Aufsicht und Geldpolitik in einem Haus stattfinden, hat man anfangs immer verkündet: Chinese Walls! Meine Damen und Herren, daran sollte man sich halten und nicht bereits heute klar sagen, dass diese Daten zukünftig für die Aufsicht verwendet werden. Dazu brauchen wir einen Dialog mit der Europäischen Zentralbank. Darum zeigt auch dieses Beispiel, wie notwendig es ist, dass wir das Thema der Kontrolle durch die Parlamente von parlamentarischer Seite gemeinsam angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir haben die Kosten im Antrag insbesondere deswegen explizit erwähnt, weil wir auf europäischer Ebene bereits jetzt merken, dass es darum geht, wie diese Organisationen zukünftig finanziert werden. Dass eine Finanzierung und möglicherweise eine Ausweitung der Finanzierung notwendig ist, wird überhaupt nicht bestritten. Lassen Sie uns aber bitte zuerst die Evaluierung vornehmen und definieren, wer an welcher Position welche Funktionen hat, und dann über die Kosten reden. Wir sollten es nicht umgekehrt machen: erst die Bürokratie aufbauen und später über die Aufgaben reden. Das wäre genau der falsche Weg. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollege Radwan. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Axel Troost für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6566233
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Europäisches System der Finanzaufsicht
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