Manfred ZöllmerSPD - Europäisches System der Finanzaufsicht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Welt der Finanzmärkte hat sich seit der Finanzmarktkrise durchgreifend verändert. Da ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Es gibt zwar immer noch einige, die behaupten, es hätte sich überhaupt nichts verändert; aber das ist nicht richtig. Diejenigen, die das behaupten, sind entweder ahnungslos oder böswillig – oder beides. Die wichtigsten Veränderungen hat es auf und mit der europäischen Ebene gegeben. Wir haben den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus geschaffen. Damit wurden endlich die richtigen Schlussfolgerungen aus der Krise gezogen. Übernational agierende Unternehmen müssen auch übernational überwacht und reguliert werden. Finanzmarktkrisen machen nicht an nationalen Grenzen halt. Die Etablierung der Bankenunion in Europa war deshalb konsequent und richtig, lieber Axel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber nicht bei der EZB! Das habe ich gesagt, nichts anderes!)
Es war mir wichtig, dies am Anfang meiner Ausführungen deutlich zu machen, damit kein falscher Zungenschlag entsteht. Aus unserer Sicht ist Europa Teil der Lösung. Ich glaube, das ist ganz wichtig, und das sollten wir festhalten.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Kein Widerspruch!)
Es ist eine Vielzahl von Institutionen entstanden, die sich um Regulierung, Aufsicht und Abwicklung kümmern. Seit 2010 sind drei europäische Institutionen – im Folgenden nenne ich sie vereinfachend ESAs – als Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Finanzmärkte errichtet worden. Das sind nicht die einzigen; aber damit beschäftigt sich unser Antrag hauptsächlich. Daneben gibt es natürlich weiterhin nationale Aufsichtsbehörden. In Deutschland sind das für den Bereich der Banken die BaFin, die Bundesbank und natürlich die EZB, die für die Geldpolitik und für die systemrelevanten Banken in Europa zuständig ist.
Politisches Ziel war und ist es, die Regulierung und die Beaufsichtigung in Europa kohärenter und konvergenter zu machen. Dazu brauchen wir Regeln, die eine Aufsichtsarbitrage, also Vorteile durch unterschiedliche Auslegungen, nicht zulassen. Es ist normal, dass eine völlige Umgestaltung der Aufsichtsstruktur neben einer Verbesserung von Konvergenz und Kohärenz der Aufsicht auch Probleme in der Praxis mit sich bringt. Neugeschaffene Institutionen versuchen natürlich, sich ihre Reputation und Existenzberechtigung durch einen manchmal überbordenden Aktionismus zu sichern, und wenn es ein überbordender Aktionismus ist, dann muss man das auch entsprechend benennen.
Wir haben auf der anderen Seite natürlich auch verbleibende nationale Aufsichtsbehörden, die ebenfalls versuchen, ihre Existenzberechtigung deutlich zu machen; das ist ja völlig klar.
Es gibt eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen, die entsprechend konkretisiert und in der Praxis umgesetzt werden müssen. All das geschieht in Ländern mit sehr unterschiedlicher Struktur der Finanzmärkte. – Lieber Axel, allein die deutsche Struktur mit ihren drei Säulen ist ja einmalig in Europa. Es gibt nichts Vergleichbares. Wir wollen das doch um jeden Preis erhalten, weil es sich bewährt hat. Das ist doch ein ganz wichtiges Ziel.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir sind damit beim Kern des Problems. Unser Anliegen ist es, zu einer effizienten Weiterentwicklung des Gesamtsystems zu kommen und mit einer Bestandsaufnahme auch auf kritische Entwicklungen hinzuweisen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir irgendetwas zurücknehmen wollen, sondern es geht um Weiterentwicklung.
Der wichtigste Punkt ist und bleibt die Forderung nach strikter Beachtung des Proportionalitätsgrundsatzes. Was heißt das? Kleine Institute – Sparkassen, Genossenschaftsbanken und kleine Privatbanken – müssen anders beaufsichtigt und reguliert werden als systemrelevante Großbanken. Die systemrelevanten Banken bedürfen einer strengen und starken Regulierung, die – da gebe ich dir recht – noch nicht abgeschlossen ist; ich will hier nur das Stichwort „Trennbanken“ nennen.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das steht aber nicht drin!)
Risikoarme Institute dürfen jedoch nicht regulatorisch erdrosselt werden. Diese Gefahr besteht an manchen Punkten. Das würde unsere Struktur beschädigen, und das ist etwas, was wir nicht wollen.
(Beifall bei der SPD)
Die ESAs sollen in dem Rahmen tätig werden, der ihnen vom demokratisch legitimierten europäischen Gesetzgeber vorgegeben wurde. Es kann nicht sein, dass Beschlüsse des Europäischen Parlaments durch Umsetzungsvorgaben ins Gegenteil verkehrt werden; Herr Kollege Radwan hat das Beispiel eben genannt. Darüber hinaus ist es notwendig, die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der europäischen mit den nationalen Aufsichtsbehörden in den jeweiligen Gremien zu vertiefen und weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus brauchen wir eine Diskussion über Aufsichtsstrukturen bei der Bankenaufsicht auch in Zukunft. Die doppelte Zuständigkeit der EZB für Geldpolitik und Bankenaufsicht ist auf Dauer nicht akzeptabel. Wir Sozialdemokraten haben das von Anfang an so formuliert. Nur, wir waren in einer Situation, in der die EZB die einzige funktionierende Institution war, die diese Aufgabe zum damaligen Zeitpunkt übernehmen konnte. Deswegen war die Entscheidung damals richtig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen dies nicht aus den Augen verlieren, obwohl wir natürlich wissen, dass Europa in der gegenwärtigen Situation mit ganz anderen Problemen kämpft. Aber auch wenn das so ist, ist es Aufgabe des Deutschen Bundestages, die Arbeit der ESAs zu bewerten und nicht nur die bemerkenswerte Aufbauarbeit zu loben, was wir ausdrücklich tun, sondern auch auf Aspekte hinzuweisen, die der Verbesserung bedürfen. Das ist nicht antieuropäisch. Das tun wir mit diesem Antrag.
Ich würde mich freuen, wenn unser Anliegen auch die Unterstützung der Opposition findet. Wenn sich die Linken wie im Ausschuss enthalten, ist das für eure Situation ja schon fast wie Zustimmung.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Alexander Radwan [CDU/CSU]: Das ist ja schon Jubel! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Na, na, na!)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Gerhard Schick von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6566254 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Europäisches System der Finanzaufsicht |