18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 7

Klaus-Peter FlosbachCDU/CSU - Europäisches System der Finanzaufsicht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit den Jahren 2007 und 2008 haben wir uns auch im Deutschen Bundestag mit gewaltigen Herausforderungen beschäftigen müssen. Wir hatten erst die Finanzkrise, dann die Wirtschaftskrise und anschließend die Staatsschuldenkrise, die von vielen als Euro-Krise bezeichnet wurde.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bankenkrise!)

Wenn wir heute die Wirtschaft in Deutschland sehen – die niedrigste Arbeitslosenquote, den höchsten Beschäftigungsgrad, steigende Löhne und eine Finanzwirtschaft, die wieder funktioniert –, dann können wir sagen: Mit all den Maßnahmen, die wir in den letzten sechs, sieben Jahren umgesetzt haben, haben wir in Deutschland auch ein Stück Stabilität geschaffen. Insofern ist das auch ein Stück Erfolg der deutschen Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben, wie Sie alle wissen, 40 Gesetzespakete teilweise von der europäischen Ebene und teilweise als Vorreiter im deutschen Parlament umgesetzt, und wir haben von den Grünen und von den Linken viel Kritik bekommen, dass das alles nicht ausreicht, obwohl wir bei all diesen Maßnahmen in Europa meistens die Ersten waren. Die wirtschaftliche Betrachtung Deutschlands heute zeigt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.

Es ging nicht nur um mehr Eigenkapital, außerbörsliche Derivate, die Regulierung von Ratingagenturen und ähnliche Fragen, sondern es ging um Themen, die die gesamte Wirtschaft betreffen. Wenn wir Themen diskutieren, die die Regulierung des Finanzmarkts betreffen, dann ist es nicht nur wichtig, dass wir gute Gesetze machen, die auch umgesetzt werden, sondern diese Gesetze müssen auch kontrolliert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu brauchen wir eine exzellente, herausragende Aufsicht in Deutschland und vor allen Dingen auch in Europa.

Meine Damen und Herren, in den Krisenjahren haben wir erlebt, dass die Produkte, die Märkte und die Teilnehmer zum großen Teil international aufgestellt waren, die Kontrolle bzw. die Aufsicht aber national. Darin lag eine sehr große Problematik. Denn der nationale Einfluss auf die Firmen war nicht so groß, wie er hätte sein müssen. Deshalb wurden viele Dinge auch nach der Phase der Deregulierung einfach nicht gesehen. Ich erinnere mich wie viele Kollegen in diesem Raum noch an das Jahr 2007, als das Thema IKB im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages behandelt wurde und die Crème de la ­Crème der deutschen Finanzpolitik bis hin zur Aufsicht uns nicht erläutern konnte, in welcher problematischen Situation wir uns befinden.

Eine der ersten Maßnahmen war, auf europäischer Ebene Aufsichtsgremien zu schaffen. Damals wurden drei Aufsichtsbehörden geschaffen, und zwar die EBA, die Europäische Bankaufsichtsbehörde, dazu die EIOPA für die Versicherungen und die ESMA für die Wertpapiere. Sie sollen vor allen Dingen die Aufsicht besser verzahnen und wirksame Regulierungen nach gemeinsamen Regeln finden. Das war bis dato nicht der Fall.

Der Ausschuss für Systemrisiken ist noch hinzugekommen. Man muss den Finanzmarkt nicht nur national in das Unternehmen hinein betrachten, sondern auch von außen, „makroprudenziell“, wie es heißt. Mit diesen verschiedenen Säulen – dazu kommt die nationale Aufsicht, die unmittelbar in die Firmen hineinragt, in Deutschland die BaFin und die Bundesbank –, haben wir ein neues Modell auf europäischer Ebene kreiert.

Diese europäischen Aufsichtsbehörden müssen aber jetzt Maßnahmen für inzwischen 28 europäische Länder treffen. In der Tat haben wir – das haben auch einige Kollegen angesprochen – völlig unterschiedliche Strukturen im Bankenbereich. Wir in Deutschland haben das sogenannte Drei-Säulen-System. Dazu gehören die Volksbanken und Raiffeisenbanken, die öffentlich-rechtlichen Banken – das sind die Landesbanken und vor allen Dingen die über 400 Sparkassen – und der gesamte private Bereich. Das sind völlig unterschiedliche Säulen, die auch völlig unterschiedliche Anforderungen an die Regulierung in ihrem Bereich haben.

In diesem Zusammenhang gibt es die größte Kritik an den europäischen Aufsichtsbehörden, nämlich dass sie gegen zwei Prinzipien verstoßen, die vom Gesetzgeber vorgegeben worden sind. Das eine ist das Subsidiaritätsprinzip, das heißt, man muss auf europäischer Ebene nicht das regeln, was man auf nationaler Ebene regeln kann. Das andere ist: Man muss beim Handeln die Proportionalität beachten, das heißt, kleine Banken müssen klein reguliert werden und große müssen groß reguliert werden. In dieser Frage unterstütze ich die Kritik an den europäischen Aufsichtsbehörden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Konflikt führt dazu, dass wir auch zurzeit deutliche Defizite in der europäischen Aufsicht haben. Die Kommission hat in einem Bericht dargelegt, dass es einen bemerkenswerten Erfolg in der Aufbauarbeit gibt. Aber sie hat auch Defizite und Fehlentwicklungen aufgezeigt und deutlich gemacht, dass wir die jetzigen Aufgaben der europäischen Aufsichtsbehörden überdenken müssen. Wir selbst werden selbstverständlich dieses Thema noch erweitern müssen, allein schon aus dem Grund, dass wir am Ende 2014 die Umsetzung der Europäischen Bankenunion beschlossen haben.

Europäische Bankenunion bedeutet, dass die 120 großen Finanzunternehmen bzw. die drei größten Finanzunternehmen im jeweiligen Land von der Europäischen Zentralbank kontrolliert werden. Die anderen, die kleinen und regionalen Banken werden im Wesentlichen von den nationalen Behörden kontrolliert. Allein aus diesem Grund muss überdacht werden, welche Rolle eine europäische Aufsichtsbehörde mit ihren Vorgaben für Banken, Versicherungen und Wertpapiere spielen soll. Für uns ist dabei immer wichtig gewesen, dass die Regeln so getroffen werden, dass wir einen stabilen Finanzmarkt haben und dass nicht der Steuerzahler für Fehler der Banken herangezogen wird. Das ist unser zentraler Punkt. Das wollen wir in diesem Bereich auch so umsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wo es viele Beteiligte in der Aufsicht gibt – Europäische Zentralbank, die drei verschiedenen europäischen Aufsichtsbehörden, die deutschen Behörden und die sogenannten Systemausschüsse –, gibt es auch mehrfache Zuständigkeiten. Die Kritik lautet daher, dass die europäischen Aufsichtsbehörden inzwischen den Rahmen, den ihnen der Gesetzgeber vorgegeben hat, deutlich überschritten haben, dass die Standards und Leitlinien weit über die sogenannten regulatorischen politischen Vorgaben hinausgehen. Da müssen wir selbstverständlich aufpassen, gerade wenn es um Subsidiarität und Proportionalität geht. Bei der Subsidiarität geht es vor allem um die enorme Regulierungsdichte, die unmittelbar in die nationale Aufsicht hineinragt. Bei der Proportionalität geht es darum, dass die kleinen Unternehmen nicht in geringerem Maße kontrolliert werden, sondern vielfach die gleichen Anforderungen wie die Großunternehmen erfüllen müssen. Das kann nicht der Sinn einer europäischen Vorgabe und Regulierung sein.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Es gibt zu viele Daten. Vieles wird nicht in deutscher Sprache vorgegeben. Zudem gibt es zu viele Normsetzungen.

Wenn ich mir die aktuelle Diskussion mit der Europäischen Zentralbank über die Forderung nach AnaCredit vor Augen führe, wonach jeder Kredit über 25 000 Euro mit 100 Informationen belegt werden muss, dann frage ich mich natürlich, was eigentlich die Aufgabe der Europäischen Zentralbank ist. Ist es ihre Aufgabe, die Großen zu kontrollieren, damit es nicht zu einer erneuten Finanzkrise kommt, oder ist es ihre Aufgabe, die Kleinen mit Daten zu belasten, was hohe Kosten verursacht und nichts zur Finanzstabilität beiträgt?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen gute Aufseher nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Sie sind für uns als Parlamentarier mit die wichtigsten Ansprechpartner. Kollegen haben bereits darauf hingewiesen, dass die Zukunft der Europäischen Zen­tralbank nicht in der Aufsicht, sondern in der Geldpolitik liegen sollte und dass wir zu einer Trennung von Aufsicht und Geldpolitik kommen müssen. Für uns als Abgeordnete ist wichtig, mit den Aufsehern intensiv zusammenzuarbeiten; denn unsere Aufgabe ist, weitere Krisen zu verhindern und immer dafür zu sorgen, dass der Steuerzahler für Krisen anderer nicht herangezogen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Christian Petry von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6566265
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Europäisches System der Finanzaufsicht
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