18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 8

Stefan KaufmannCDU/CSU - Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wieder einmal führen wir hier im Haus eine Debatte zum Thema Öffnung der Ehe. Dabei ist die Rollenverteilung klar: Die Opposition will uns bei einem Thema vorführen, das unbestritten schon lange wichtig ist, bei dem sie aber genau weiß, dass die Regierung noch nicht so weit ist.

(Johannes Kahrs [SPD]: Die CDU! Herr Kaufmann, die CDU ist noch nicht so weit!)

Ohne die Regierung und ohne die sie tragenden Parteien, Herr Kollege Kahrs, geht es nun einmal nicht, selbst wenn die Zustimmung zur Öffnung der Ehe in der Bevölkerung nach allen Umfragen stetig zunimmt und mittlerweile wohl sogar bei mehr als zwei Dritteln liegt. Was bleibt der Opposition also? Sie muss überzeugen, und zwar durch Sachlichkeit, und das ist ihr Ding nicht oder jedenfalls nicht immer.

Ja, ich verstehe Ihre Ungeduld;

(Johannes Kahrs [SPD]: Wir warten seit 15 Jahren!)

aber Sie müssen auch uns verstehen, liebe Kollegen. Wir brauchen Zeit. Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich gleichermaßen die, die noch am tradierten, kirchlich geprägten Begriff der Ehe hängen, wie jene, die, mich eingeschlossen, aktiv für eine Öffnung dieser Position werben und streiten – in der Partei und außerhalb der Partei.

Sie glauben gar nicht, was es, wenn es konkret wird, noch für Widerstände gibt. Ich könnte Ihnen ein Lied davon singen, zum Beispiel davon, was mein Mann Rolf und ich im Zuge unserer kirchlichen Segnungsfeier im Mai letzten Jahres erlebt haben. Aber auch hier gilt: Wir müssen in unserer gesamten Gesellschaft noch Überzeugungsarbeit leisten. Die meisten von Ihnen wissen: Ich befinde mich seither in einem durchaus kritischen Dialog mit den Kirchen und insbesondere auch mit meiner eigenen Kirche, der römisch-katholischen Kirche. Ich führe diesen Dialog auch, weil mein Glaube mir wichtig und nicht nur Fassade ist und weil ich nicht ohne Weiteres hinnehmen will, dass die römisch-katholische Kirche noch keinen wirklichen Weg des Umgangs mit gleichgeschlechtlich Liebenden gefunden hat.

Doch selbst in der katholischen Kirche, jedenfalls in Deutschland, spüre ich eine wachsende Offenheit, vielleicht noch nicht beim Rütteln am Sakrament der Ehe, aber im Umgang mit gleichgeschlechtlich Liebenden. Da sind übrigens die vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken im Mai letzten Jahres in Würzburg beschlossenen Erklärungen ein ermutigendes Signal. Man sucht nach Wegen, die Verbindung zweier Menschen gleichen Geschlechts in einer Feier vor Gott segnen zu können.

Warum also tun wir uns als Gesetzgeber so schwer?

(Johannes Kahrs [SPD]: Die Union, nicht der Gesetzgeber!)

Warum verengen wir die Ehe weiterhin auf die Verbindung von Mann und Frau? Oder aber: Wem schadet es, wenn wir die Ehe öffnen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union, nicht der Gesetzgeber!)

– Jetzt hören Sie doch erst einmal zu. – Ich darf dazu kurz aus der Predigt von Pfarrer Pfützner bei unserer alt-katholischen Segnungsfeier im Mai letzten Jahres zitieren:

Unsere Gesellschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten ... eine erstaunliche, aber auch notwendige Entwicklung gemacht, und diese Entwicklung ist an den Kirchen nicht spurlos vorübergegangen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber an der CDU!)

Heraushalten werden sie sich daraus schon deshalb nicht können, weil in ihnen homosexuelle Menschen leben und weil diese Menschen, die sich in unserer Gesellschaft Gott sei Dank nicht mehr verstecken möchten,

– auch in den Kirchen nicht –

gerade dort, wo die Liebe Thema eins ist und wo der Glaube an einen Gott lebt, den wir als grenzenlos erfahren, als grenzenlos auch in der Liebe.

Jesus hat uns gerade diese Seite gezeigt, und er ist so nicht nur auf Zustimmung, sondern auch auf Ablehnung gestoßen. Aber gerade das lässt aufhorchen: Wer bestimmt denn, bis wo die Liebe gehen und was als Liebe bezeichnet oder nicht bezeichnet werden darf? Und was macht die so sicher, die genau zu wissen scheinen, wo die Grenze ist?

Das ist es, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es geht um Liebe, es geht um gelebte Verantwortung, und es geht um Werte.

Es geht also nicht nur um ein Rechtsinstitut. Deshalb sollten wir die Debatte auch nicht kleiner machen, als sie ist. Nein, es geht um ein Symbol. Es geht um die Ehe als Symbol für ein stabiles Band, das nach außen dokumentiert, dass zwei Menschen, die sich lieben, zusammengehören und füreinander Verantwortung übernehmen – ein Leben lang –, die füreinander da sind, in guten wie in schlechten Tagen. Das nennt man gemeinhin Ehe.

Und, ach ja: Auch im allgemeinen Sprachgebrauch sind zwei Menschen gleichen Geschlechts verheiratet – und nicht verpartnert. Übrigens wurde meinem Mann Rolf und mir letztes Jahr von nahezu allen Gratulanten zur Hochzeit gratuliert – und nicht zur Verpartnerung.

(Johannes Kahrs [SPD]: Auch von der CDU?)

– Auch von der CDU. – Die Word-Spracherkennung kennt das Wort „verpartnert“ im Übrigen nicht, bis heute nicht, trotz 15 Jahre Lebenspartnerschaftsgesetz.

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Wie ist nun die Rechtslage? Die zivilrechtliche Definition dessen, was Ehe ist, obliegt dem Gesetzgeber. Hierbei steht es ihm meines Erachtens frei, das zivilrechtliche Institut der Ehe abweichend vom naturrechtlich oder kirchlich geprägten Begriff der Ehe zu regeln. Das gerne ins Feld geführte Urteil des Verfassungsgerichts zum Ehebegriff stammt aus einer anderen Zeit und könnte – ohne auf das Argument des gewandelten Zeitgeistes abstellen zu müssen – eine Revision erfahren.

Klar ist aber auch, meine Damen und Herren: Die Neufassung des Ehebegriffs fällt einer Partei, die, wie das bei uns der Fall ist, das C im Namen trägt, schwerer als einer Partei, die sich betont atheistisch gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und nun ist es ja auch nicht so, dass unser Staat schon völlig säkularisiert wäre. Noch immer spielt der christliche Glaube für viele Menschen jedenfalls im Alltag eine wichtige Rolle,

(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und damit spielen auch die Handlungsanleitungen der christlichen Kirchen eine wichtige Rolle, lieber Herr Kollege Beck. Das können die Vertreterinnen und Vertreter einer Volkspartei nicht per se ignorieren. Deshalb sage ich nochmals: Geben Sie uns Zeit, die noch Zögernden mitzunehmen und zu überzeugen, und setzen Sie uns nicht monatlich mit Schaufensteranträgen unter Druck, wie Sie das tun, Herr Kollege Petzold.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Übrigens: Besinnen wir uns nicht gerade dieser Tage – angesichts der Ereignisse in Köln und vielerlei Sorgen um eine Erosion unseres Wertekanons – wieder stärker unserer christlich-jüdischen Wurzeln? Ist es nicht bis in Teile der Opposition hinein opportun, ein Bekenntnis der hierher Flüchtenden zu unserer Rechts- und Werteordnung einzufordern und zu betonen, dass wir zur Verteidigung unserer Werte unseren eigenen Glauben wieder stärker und selbstbewusster leben sollten?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist, wenn man nicht glaubt?)

Seien wir doch an dieser Stelle auch einfach mal froh darüber und dankbar dafür, liebe Kollegin Künast, was wir erreicht haben: Die Gleichstellung nämlich und die Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensweisen

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch noch keine Gleichstellung!)

wird gerade im Zusammenhang damit, was als Wertekanon in Deutschland zu akzeptieren ist, nicht mehr infrage gestellt. Im Gegenteil: Es wird selbst von Kolleginnen und Kollegen, die sich betont konservativ geben, ausdrücklich eingefordert.

(Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt lass dich von deiner Partei nicht so missbrauchen, diesen Unsinn auch noch zu erzählen!)

Auch die Kanzlerin Angela Merkel hat auf unserem Parteitag am 14. Dezember betont, dass Deutschland ein Land sein solle „mit der Absage an jede Form von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung homosexueller Menschen“.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selber mal anfangen! – Johannes Kahrs [SPD]: Man sollte den Kakao nicht saufen, durch den man gezogen wird! Ernsthaft!)

– Du bist doch gleich dran, Johannes.

Und dennoch – auch das soll heute gesagt sein – mache ich mir Sorgen, Sorgen auch um eine zunehmend rechtspopulistische und rechtsextreme Tendenz in unserer Gesellschaft. Die Zahl derer, die meinen, sich endlich – wieder – trauen zu dürfen, ihre Meinung zu sagen und nicht vor dem sogenannten Mainstream zurückweichen zu müssen, steigt. Unverhohlen werden wieder öffentlich diskriminierende und verhetzende Parolen skandiert und gepostet. Mit der Einleitung „Man wird ja wohl noch sagen dürfen ...“ werden herabwürdigende oder gar hetzerische Äußerungen keinen Deut besser oder erträglicher. Da gilt es, weiterhin dagegenzuhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist sehr vielen unter uns ein gemeinsames Anliegen – und zwar über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Das finde ich zunächst einmal ermutigend. Lassen Sie uns an diesen Gemeinsamkeiten weiter arbeiten. Ich möchte mit Ihnen zusammen diejenigen, die sich mitunter aus für sie schwerwiegenden Gründen in der Frage noch schwertun, überzeugen und mitnehmen. Am Ende sollte dann ein breiter Konsens stehen: hier im Deutschen Bundestag, aber auch in unserer Gesellschaft. Szenen, wie wir sie in europäischen Partnerstaaten gesehen haben, mit Demonstrationen gegen die „Ehe für alle“ oder gar unseren Status quo hier – ich denke nur an Italien –, wird hierzulande keiner von uns wollen.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist eine Errungenschaft. Ich weiß sie sehr zu schätzen. Nun gilt es aber, die Gleichstellung zu vollenden und bestehende Stigmatisierungen zu beseitigen. Diese Stigmatisierung haben wir ja schon im Kleinen, wenn man in Formularen als Personenstand „verpartnert“ statt „verheiratet“ angeben muss. Es ist eine persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, ob er oder sie das angeben möchte, wie sie oder er liebt. Auch deshalb ist es fair, gleicher Liebe den gleichen Rechtsrahmen zu geben.

Nun haben viele Kritiker einer Eheöffnung Sorge, dass die Ehe als Institution entwertet wird. Aber ist nicht genau das Gegenteil der Fall? Wird das Institut der Ehe nicht vielmehr gestärkt? Freuen wir uns doch darüber, dass diese klassische Institution Ehe und die mit ihr verbundenen Werte im Kontext der aktuellen Debatte geradezu eine Renaissance erleben. Entscheidend ist doch: Es wird niemandem etwas genommen, es wird kein Kind weniger geboren, es wird keine Ehe weniger geschlossen, und es gibt auch keinen Widerspruch zu Artikel 6 Grundgesetz; denn am besonderen Schutz der Ehe wird nicht gerüttelt und will niemand rütteln. Und zur Frage des Geschlechts der Ehepartner sagt das Grundgesetz nichts.

(Johannes Kahrs [SPD]: Stimmt!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der festen Überzeugung, dass wir am Ende dieser notwendigen Debatte

(Johannes Kahrs [SPD]: Wann soll denn das so sein? 2030?)

auch einen Großteil jener Bürgerinnen und Bürger mitgenommen haben, die jetzt noch Probleme haben mit der Vorstellung, dass gleiche Liebe auch den gleichen Namen verdient, und dass wir dann in einem großen Konsens das nachvollziehen, was viele, auch katholisch geprägte Staaten wie Spanien, Portugal, Irland oder Brasilien

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber die sind doch schon alle da! – Mechthild Rawert [SPD]: Wir sind doch die Letzten!)

in der Vergangenheit in Gesetze gegossen haben.

(Johannes Kahrs [SPD]: Das kann doch nicht länger dauern als bei den Katholen!)

Ich bin jedenfalls voller Zuversicht, Herr Kollege Kahrs,

(Johannes Kahrs [SPD]: Ja!)

und in der Gewissheit dessen, was kommt, auch sehr aufgeräumt und gelassen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Seit 15 Jahren!)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Renate Künast von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6566375
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung
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