18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 8

Karl-Heinz BrunnerSPD - Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung

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Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich ja die gestern durch die Kanzlerin vorgetragene Regierungserklärung heute zum Anlass nehmen, ganz positiv über die Ehe für alle zu sprechen; denn die Kanzlerin hatte gestern so schön klar und deutlich erklärt, Nichtdiskriminierung stehe bei den Verhandlungen um die Europäische Union nicht zur Disposition. Da sagte ich mir: Gut so, Frau Merkel, es gibt keine Diskriminierung – nicht wegen Herkunft oder Nationalität, des Geschlechts, der Hautfarbe oder der Religion, keine am Arbeitsplatz und – weshalb wir hier heute zusammengekommen sind – schon gar keine wegen sexueller Orientierung.

Lieber Kollege Kaufmann, ich muss, sosehr ich Sie persönlich schätze, nach diesen Ausführungen sagen: Diese positive Stimmung des gestrigen Tages ist doch etwas getrübt worden. Sie haben sich, wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, auf die Lehre der römisch-katholischen Kirche zurückgezogen. Wir haben, soweit ich weiß, seit Bismarck doch eigentlich die Zivil­ehe, für die der Gesetzgeber bzw. das Hohe Haus und die deutsche Bevölkerung zuständig sind.

(Beifall bei der SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen, aber genau diese Diskriminierung, die gestern als No-Go angesehen wurde, geschieht jeden Augenblick in unserem Land. Sie geschieht aus vielen Reihen – insbesondere aus denen der verehrten Freunde der Union – heraus. Die Union lehnt eigentlich ohne Begründung – Sie haben wieder keine richtige Begründung gebracht – die Ehe für alle grundsätzlich ab, und sie nimmt uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Parlament in die Mithaftung. Wir sollen für die Koalitionsräson herhalten, nur weil die Union nicht in der Lage und bereit ist, eine Entscheidung darüber zu treffen, wie man Ungleichbehandlungen in diesem Land endlich verhandlungs- und koalitionsvertragstreu – Kollege Petzold hat es vorgelesen – beseitigen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bisher noch nicht oft genug über das Thema „Ehe für alle“ diskutiert. Ich finde es zwar dramatisch, dass wir uns in den Ausschüssen wegen Vertagung seit nunmehr zehn Wochen mit den Anträgen beschäftigen müssen und hier im Hohen Hause nicht zur Entscheidung kommen. Aber ich bin der Auffassung: Das Thema kann nicht oft genug auf der Tagesordnung stehen, damit wir endlich das Ergebnis erreichen, das wir in diesem Land erreichen müssen, nämlich die Ehe für alle, ganz gleich, welchen Geschlechts.

Liebe Kollegin Künast, bevor wir jetzt in diesem Bereich zu Verklärungen kommen, möchte ich eines festhalten – ich habe Ihnen heute sogar applaudiert und fand gut, was Sie gesagt haben;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

bis auf einen Punkt, zu dem ich ganz deutlich sage, dass wir der Legendenbildung vorbeugen sollten –: Nicht der Kollege Beck ist der Vater der Lebenspartnerschaft; es war letztendlich das rot-grüne Kabinett unter Gerhard Schröder,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch erwähnt!)

das dafür gesorgt hat, dass es zum Gesetz werden konnte und es in diesem Land nunmehr seit 15 Jahren die eingetragene Lebenspartnerschaft gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich finde es bedauerlich – das sage ich ganz deutlich –, dass Herr Kauder heute nicht unter uns ist. Er war vorhin da, aber er ist rechtzeitig gegangen. Denn ich hätte Herrn Kauder gesagt: So kann es nicht gehen. – Ich verspüre nichts von dem Erfolg – davon hat er gestern gesprochen –, den die Koalition haben will. Wenn man nämlich gesellschaftspolitische Fragen gegen die Mehrheit der Deutschen fernab des Gewissens der einzelnen Abgeordneten behandeln will, dann entspricht das nicht dem Willen zum Sieg. Ich meine, die Menschen haben es verdient, dass der Politpoker, für den sie in Geiselhaft genommen werden, endlich beendet wird. Es ist notwendig, die Abstimmung hier im Deutschen Bundestag freizugeben. Ich bitte nicht nur unseren Koalitionspartner, sondern ich fordere ihn dazu auf. Ich akzeptiere es, wenn der eine oder andere sagt: Nein, ich will die Ehe für alle nicht, ich persönlich möchte eine andere Lebensweise in Deutschland haben. – Aber ich habe es ziemlich satt – das sage ich ganz deutlich –, dass wir Abgeordnete, weil einige es nicht wollen, darüber nicht unserem Gewissen unterworfen entscheiden können. Die Abstimmung muss freigegeben werden, damit die Aussage, Nichtdiskriminierung stehe nicht zur Disposition, keine Phrase bleibt, sondern endlich mit Leben erfüllt wird.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Volker Ullrich von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6566432
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung
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