18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 8

Volker UllrichCDU/CSU - Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen eine rechtliche Debatte, die sich aber nur schwer von einer Wertediskussion trennen lässt. Daher vorweg: Es darf nach unserem Menschenbild für die Beurteilung, Anerkennung und Würde eines Menschen keine Rolle spielen, wen oder wie er liebt. Verbindungen zwischen zwei Menschen, die auf Dauer angelegt und durch Verantwortung füreinander geprägt sind, geben dieser Gesellschaft Stabilität und Halt.

(Johannes Kahrs [SPD]: Bis jetzt ist alles richtig!)

Sie haben die Unterstützung des Staates verdient.

(Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Jawohl!)

Vor 15 Jahren hat der Deutsche Bundestag das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft geschaffen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Immer noch gut!)

Das war ein wichtiger Schritt zur Anerkennung und Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare.

(Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Ja, wo ihr dann vors Bundesverfassungsgericht gezogen seid!)

Ich möchte nicht verhehlen, dass die volle rechtliche Gleichstellung mit der Ehe, beispielsweise im Steuerrecht, nicht durch den Gesetzgeber, sondern erst durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts erreicht werden konnte.

(Johannes Kahrs [SPD]: Ja, weil ihr geklagt habt!)

Auch muss uns der Umstand bewegen, dass selbst unter Geltung dieses Grundgesetzes viele Männer aufgrund des § 175 Strafgesetzbuch verurteilt worden sind. Das war unter keinem Gesichtspunkt richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Mechthild Rawert [SPD]: Rehabilitation!)

Das muss dieser Staat deutlich zum Ausdruck bringen.

Die heutige Debatte dreht sich um die Frage der Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die rechtliche Situation. Festzuhalten ist: Eine Diskriminierung liegt nicht bereits dann vor, wenn Einrichtungen, die gleich sind oder gleiche Rechte besitzen, lediglich sprachlich unterschiedlich bezeichnet werden. Anknüpfungspunkt für Diskriminierung ist zunächst eine unterschiedliche Behandlung in den Rechtsfolgen. Soweit die Rechtsfolgen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Hinblick auf gewichtige Elemente der gegenseitigen Verantwortung und des gemeinsamen Einstehens füreinander wie Unterhalt, Hinterbliebenenversorgung, Steuerrecht, Erbrecht und Zeugnisverweigerungsrecht sich nicht von der Ehe unterscheiden, liegt keine rechtliche Diskriminierung vor. Es ist vielmehr festzuhalten: Dieser Bundestag hat zuletzt durch die Änderung von 27 Gesetzen im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz Lebenspartnerschaften in der rechtlichen Wirkung der Ehe gleichgestellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Aber nicht in der gesellschaftlichen!)

Ich möchte dennoch den Umstand nicht verschweigen,

(Johannes Kahrs [SPD]: Immerhin!)

dass die unterschiedlichen Bezeichnungen – hier Ehe, dort Lebenspartnerschaft, hier verheiratet, dort verpartnert – Diskussionen und ehrlich empfundene Wünsche außerhalb der rechtlichen Sphäre nach einer einheitlichen Sprache auslösen. Bereits jetzt sind im allgemeinen Sprachgebrauch und damit in der Lebenswirklichkeit die Begriffe „verheiratet“ oder „Hochzeit“ längst Standard geworden, und zwar unabhängig von der Frage, ob die Partner verschieden- oder gleichgeschlechtlich sind.

Viele gleichgeschlechtliche Paare sind zu Recht stolz auf ihre Lebenspartnerschaft. Ich kann aber sehr gut nachempfinden, dass nicht wenige Lebenspartner sehr ungern auf Formularen oder im allgemeinen Sprachgebrauch „verpartnert“ angeben wollen. Die Angabe des Familienstands dient dazu, nach außen kundzutun, ob und in welcher Verantwortungsgemeinschaft jemand steht. Die Preisgabe der sexuellen Orientierung kann und darf damit aber nicht gemeint sein, sie spielt für diesen Informationszweck auch keine Rolle.

Ich verstehe den Umstand und den Wunsch, dass viele Lebenspartner ihrer gegenseitigen Verantwortung und ihren gemeinsamen Werten einen besonderen Rahmen geben wollen. Das führt uns zum eigentlichen Kern dieser Debatte, der folgende Frage zugrunde liegt: Kann der Gesetzgeber durch einfachgesetzliche Änderungen im bürgerlichen Recht die Ehe für Personen gleichen Geschlechts einführen, oder bedarf es dazu einer Grundgesetzänderung?

(Johannes Kahrs [SPD]: Braucht es nicht!)

Dieser Frage müssen wir uns sehr sorgfältig widmen;

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber nicht zehn Jahre lang! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Debatte ist auch schon 9 000 Tage alt!)

denn selbst gut- und wohlgemeinte Anliegen sollten uns nicht dazu verleiten, bei verfassungsrechtlichen Fragen die gebotene Sorgfalt und die richtige Einschätzung außer Acht zu lassen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Sie hatten 15 Jahre Zeit, Herr Kollege! – Mechthild Rawert [SPD]: Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden!)

Artikel 6 Grundgesetz stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates.

(Johannes Kahrs [SPD]: Den nimmt ja auch keiner weg!)

Der Ehebegriff ist nicht definiert und deswegen zwingend durch die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu erschließen. Ehe ist danach die auf Dauer angelegte, auf freiem Entschluss und Gleichberechtigung beruhende, geschlossene Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Das Verfassungsgericht sieht bis heute – letztes Urteil 2013 – die Ehe in ständiger Rechtsprechung als Institut der Verbindung zwischen Mann und Frau an. Auch der Gesetzgeber des Jahres 2001 hat daran nichts geändert. Ob man diese verfassungsrechtliche Situation für politisch richtig oder falsch hält, als gut oder schlecht empfindet, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann geben Sie endlich die Abstimmung frei?)

Es ändert nichts daran, dass der Bundestag beim weiteren Vorgehen diese Lage zwingend zu berücksichtigen hat.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Deswegen soll ja die Abstimmung freigegeben werden, Herr Kollege, genau deswegen!)

Auch die jüngeren Urteile können an dieser Situation nichts ändern. Die verfassungsrechtliche Begründung für die im Ergebnis richtige Gleichstellung war nicht die Berufung auf Ehe und Familie,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch gar nicht die Frage beim Verfassungsgericht!)

sondern der Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, der zu Recht gerügt worden ist.

(Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt eiern Sie doch nicht so rum, Herr Kollege!)

Kein Mensch in einer Ehe hat weniger Rechte, weil Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft die gleichen Rechte besitzen.

Ich fasse zusammen: Eine Öffnung des Instituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare unterliegt der Wertentscheidung des verfassungsgebenden Gesetzgebers.

(Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt!)

Daher reicht eine einfachgesetzliche Änderung im BGB nicht aus.

(Johannes Kahrs [SPD]: Doch! – Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Eben doch!)

Das müssen wir im Rahmen der Beratungen im Rechtsausschuss beachten.

(Mechthild Rawert [SPD]: Nein!)

Wer das Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen möchte, muss das Grundgesetz ändern.

(Johannes Kahrs [SPD]: Ach Quatsch!)

Deswegen, meine Damen und Herren und auch Herr Kollege Brunner, sollten wir hier nicht von „Geiselhaft“ oder „Politikpoker“ sprechen, sondern von Debattenbeiträgen, die sich an unserer Verfassung orientieren. Das wäre die richtige Tonlage gewesen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frage ich direkt in der Obleuterunde! Anhörung! – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist grober Unfug! – Weiterer Zuruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir werden über diese Fragen sprechen müssen. Das benötigt Zeit und kluge Beratungen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Noch mehr Zeit?)

Ich will nicht verschweigen, dass es dazu in der Union unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir sollten aber nicht den Fehler begehen,

(Johannes Kahrs [SPD]: Nein!)

dass jedem, der aus guten Gründen eine abweichende Meinung vertritt, gleich ein Diskriminierungswille unterstellt wird.

(Johannes Kahrs [SPD]: Doch, genauso ist es! Leider wahr! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das stimmt!)

Das wäre nicht fair und würde die Fronten verhärten.

Meine Damen und Herren, Ehe und Familie, auch und gerade Familien mit Kindern, sind der Kernbereich der sozialen Sphäre der Menschen. Debatten darüber dürfen nicht verletzen oder ausgrenzen oder Gruppen gegenei­nander ausspielen, sondern sie müssen die Menschen zusammenführen und einen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Menschen sind doch schon geeint! Sie von der Union sind nicht geeint!)

Das ist unser Ansatz bei der Debatte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Johannes Kahrs von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6566450
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung
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