Astrid FreudensteinCDU/CSU - Neuregelung des Kulturgutschutzrechts
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn behauptet wird, daß eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, daß sie auch keine Hauptwirkung hat.
Was der deutsche Pharmakologe Gustav Kuschinsky auf Medikamente münzte, gilt in ähnlicher Form auch für unsere Gesetze. Wenn ein Gesetz gar keine Nebenwirkungen zeigt, wirkt es vermutlich überhaupt nicht. Die Kunst der Arzneimittelherstellung ebenso wie die der Gesetzgebung besteht also darin, die erwünschte Wirkung zu potenzieren und die unerwünschten Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Wenn das gelingt, dann haben wir gut gearbeitet.
Die Wirkungen, die wir uns von dem Kulturgutschutzgesetz wünschen, haben meine Vorredner bereits ausführlich beschrieben: Wir wollen zum einen mit dem Gesetz Raubgrabungen und den illegalen Handel mit Kulturgut verhindern und damit vor allem das Kulturgut anderer Länder schützen, und wir wollen zum anderen unser eigenes, national wertvolles Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland schützen.
Der erste Punkt ist relativ unumstritten; doch um den zweiten Punkt hat sich eine recht lebhafte Debatte entwickelt. Papiere führten zu teils heftigen Reaktionen, auch zu Überreaktionen. Es ist sicher notwendig, Befürchtungen und Ängste ernst zu nehmen, und es ist auch notwendig, die Debatte zu versachlichen und ein kompliziertes Gesetzesvorhaben zu erklären.
Die Eintragung von national wertvollem Kulturgut gibt es bei uns bereits seit mehr als 60 Jahren, seit 1955. Die Diskussion der vergangenen Monate hat auch gezeigt, dass das nicht allen bekannt war. Man könnte auch sagen: In vielen Fällen hat das Gesetz bisher nicht so gewirkt, wie es hätte wirken sollen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein Gesetz, das nicht wirkt, braucht allerdings niemand. Man muss es folglich abschaffen, oder man muss so nachbessern, dass es wirkt. Wir bessern nach, weil wir nachbessern müssen. Wir wollen Kulturgut nicht nur auf dem Papier schützen, sondern eben auch in der Realität. Wir müssen auch nachbessern, um im internationalen Kontext nicht ins Hintertreffen zu geraten; Frau Staatsministerin Grütters hat das bereits ausgeführt.
Es ist völlig klar, dass es bei diesem neuen, wirkungsvolleren Kulturgutschutzgesetz auch Nebenwirkungen geben wird: Das Gesetz kann durchaus dazu führen, dass manches schwieriger und aufwendiger wird. Es kann auch dazu führen, dass Kunsthändler einen Antrag mehr schreiben müssen als bisher. Und es kann in letzter Konsequenz in Einzelfällen dazu führen, dass Händler ihr national wertvolles Kulturgut in Deutschland für weniger Geld an den Mann bringen, als sie es vielleicht in London getan hätten.
An dieser Stelle wird es natürlich spannend, weil es um nationale, aber eben auch um berechtigte finanzielle Interessen geht: Je höher die Grenzwerte, umso wirkungsloser – aber eben auch umso nebenwirkungsärmer – wird unser Gesetz. Es kommt jetzt darauf an, die Interessen abzuwägen und ins Lot zu bringen. Klar ist aber auch: Ein Gesetz, von dem am Schluss nichts und niemand betroffen ist, brauchen wir hier nicht zu verabschieden.
Eine positive Nebenwirkung des Gesetzes kann man aber schon erkennen: In Deutschland wurde vermutlich noch nie so viel darüber diskutiert, welches Kulturgut uns wirklich wertvoll ist, welche Kulturgüter für uns identitätsstiftend sind. Das steht uns, die wir uns gerne und völlig zu Recht als Kulturnation bezeichnen, auch gut zu Gesicht, wie ich meine.
Mit drei Beispielen dazu, was in Bayern bereits als national wertvolles Kulturgut eingetragen worden ist, möchte ich Ihnen eine Vorstellung davon geben, um was es gehen soll:
Erst vor kurzem wurde ein Exemplar des Archaeopteryx aus dem Steinbruch Schamhaupten eingetragen. Der Urvogel ist für die naturwissenschaftliche Forschung und für die Evolutionsgeschichte von herausragendem Interesse.
Wertvoll ist auch das ritterliche Schwert aus der Regierungszeit Heinrichs des Löwen. Es stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist ein erstklassig erhaltenes Exemplar, von ganz besonderer Bedeutung für die bayerische Landesgeschichte und vor allem für die Geschichte des „baierischen“ Herzogtums.
Ebenfalls völlig zu Recht auf der Liste: die einzigartige Sammlung „Der Blaue Reiter“ aus dem Lenbachhaus in München. Der Blaue Reiter ist eine der bedeutendsten Künstlergruppen der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und eng mit München und Bayern verbunden – zweifelsohne wertvoll und identitätsstiftend.
Mit der Gesetzesnovelle wollen wir nun Kulturgüter wie die drei genannten besser als bisher schützen. Dafür braucht es klare, angemessene und auch verständliche Regeln und – das ist wichtig –: Wir müssen bürokratische Nebenwirkungen kleinhalten. Regeln, die wirken, ohne jemanden über Gebühr zu belasten, daran werden wir in den nächsten Wochen arbeiten.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6566633 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Kulturgutschutzrechts |