Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Rüstungsexportkontrolle
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Brugger, wir brauchen kein Rüstungsexportgesetz.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
Immer wieder debattieren wir hier im Parlament solche Fragen. Es gibt zu diesem Thema wirklich keinen Mangel an öffentlicher Erörterung. Sie versuchen immer wieder, den Eindruck zu erwecken, es gehe hier alles wie auf einem levantinischen Basar zu. Das ist bei uns klar geregelt. Und wir glauben, dass es so, wie es geregelt ist, richtig geregelt ist.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das einmal dem Wirtschaftsminister! Das ist doch Ihr Minister! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Sie können sich gerne noch zu Wort melden, wenn Sie der Auffassung sind, dass Frau Brugger nicht ausreichend vorgetragen hat.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie so einen Blödsinn reden!)
Hier wird ständig versucht, den Eindruck zu erzeugen, die Rüstungsexportpolitik in Deutschland sei nicht klar geregelt. Ihr liegen jedoch die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Kriegsgütern in der aktuellen Fassung vom 19. Januar 2000 zugrunde. Das fiel in die Regierungszeit von Rot-Grün. Joschka Fischer war damals, wenn ich mich recht erinnere, Außenminister.
Jede Rüstungsexportgenehmigung ist eine Einzelfallentscheidung. Es gibt keinen Anspruch auf eine Genehmigung. Gemäß Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschaftsverordnung ist die Ausfuhr aller Rüstungsgüter genehmigungspflichtig. Es wird nicht genehmigt, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass damit interne Repression oder sonstige Menschenrechtsverletzungen ausgeübt werden.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Lächerlich!)
– Ich weiß ja, dass Sie schon alles wissen, aber ich kann nicht ausschließen, dass vielleicht der falsche Eindruck, den Sie, Frau Brugger, zu verbreiten versuchen, bei den Zuschauerinnen und Zuschauern hängen bleibt.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie etwas zu den Fakten!)
Deshalb will ich das noch einmal darstellen: Die Prüfung und Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern obliegt dem Bundessicherheitsrat. Der Bundessicherheitsrat tagt unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin. Zusätzlich gehören ihm an der Vizekanzler bzw. der Wirtschaftsminister, die Minister der Verteidigung, des Auswärtigen, des Innern, der Justiz, der Finanzen, der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der Chef des Bundeskanzleramtes, der Regierungssprecher und der Generalinspekteur der Bundeswehr nehmen ebenfalls teil. In ihm ist also alles versammelt, was in der Regierung hierzu Kompetenz aufzuweisen hat.
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahnsinn!)
Bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung handelt es sich eben nicht um einen formalen Akt. Es besteht kein Anspruch auf die Erteilung einer Genehmigung. Zahlreiche Gesetze und Vereinbarungen, die ich Ihnen – damit nicht bei irgendjemandem der Eindruck bestehen bleibt, in diesem Bereich würde irgendetwas ungeregelt geschehen – noch einmal in Erinnerung rufen möchte, sind beim Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern zu beachten.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollten Sie sich in Erinnerung rufen!)
Dabei handelt es sich um das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, das Außenwirtschaftsgesetz, den Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren sowie um die Prinzipien der OSZE zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen. Erst im März letzten Jahres hat die Bundesregierung als Ergänzung zu den Politischen Grundsätzen noch die Grundsätze für die Erteilung von Genehmigungen für die Ausfuhr von Kleinen und Leichten Waffen vorgelegt.
Kollege Willsch, das ist jetzt eine gute Gelegenheit, um zu fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul zulassen.
Ja, wenn ich irgendeine rechtliche Regelung vergessen haben sollte, die Sie nachtragen wollen, Frau Keul, bitte sehr.
Bitte schön.
Vielen Dank. – Es ehrt mich, dass Sie mir zutrauen, die rechtlichen Regelungen besser zu kennen. Wenn all das, was Sie vorgetragen haben, so toll ist, dann frage ich Sie: Wie kann dann Ihr Koalitionspartner bzw. der Wirtschaftsminister auf die Idee kommen, dass wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz brauchen? Können Sie uns das erklären?
Das müssen Sie im Zweifelsfalle meinen Minister selbst fragen. Ich weiß aber, dass in dieser Bundesregierung viel nachgedacht wird. Es ist auch klug, immer viel über alles Mögliche nachzudenken. Da ist der Vizekanzler keine Ausnahme.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Export an Nicht-EU- und Nicht-NATO-Staaten wird äußerst restriktiv gehandhabt. Frau Brugger, Sie kennen doch die Berichte. Sie wissen, dass wir über die Hälfte an NATO-Partner und Gleichgestellte, also Australien, Schweiz usw., exportieren. Da können Sie sich doch wirklich nicht hierhinstellen und sagen, wir würden freigiebig in alle Himmelsrichtungen deutsche Waffen verteilen.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja mal die Statistiken lesen!)
Der Export von Kriegswaffen wird
– so heißt es im Rüstungsexportbericht; das könnten Sie nachlesen –
nur ausnahmsweise genehmigt, wenn im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen Deutschlands für die Erteilung einer Genehmigung sprechen.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Widerlegen Sie einmal meine Fakten!)
Ich will Ihnen, um das greifbar zu machen, deutlich machen, was das für Sicherheitsinteressen sein können. Zum Beispiel könnte es in unserem Sicherheitsinteresse liegen, die Abwehr terroristischer Bedrohungen zu unterstützen oder den internationalen Drogenhandel zu bekämpfen. Bei der Ausfuhr von Marineausrüstung geht es regelmäßig darum, dass wir Staaten ertüchtigen wollen, ihren Küstenschutz durchzuführen und damit einen Beitrag zur Gewährleistung der Freiheit der Handelswege auf See zu leisten. All das sind natürlich Aspekte, die wir berücksichtigen, und das ist auch berechtigt.
Die Bundesregierung hat beispielsweise den bereits genehmigten Export eines Gefechtsübungszentrums nach Russland untersagt, weil die Krim von den Russen besetzt worden ist und wegen der Rolle, die Russland in dem eingefrorenen Konflikt in der Ostukraine spielt.
Im Falle der Waffenlieferung an die Regierung der autonomen Region Kurdistan im Irak handelt es sich um eine politische Ausnahmeentscheidung – das wissen Sie –, und sie ist in diesem Haus breit getragen worden.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee!)
Die akute Bedrohung der Bevölkerung im Irak durch die Halsabschneider vom IS, vom „Islamischen Staat“, war anders nicht abzuwenden. Ich will hier nicht mit billiger Kriegsrhetorik irgendetwas schönreden. Die Lage war so, dass dort wirklich die Gefahr bestand, dass Völkermord begangen wird, dass die Menschen vertrieben werden, dass die Menschen dem IS unterworfen werden, und es gab keine anderen Bodentruppen als die, die wir dann beliefert haben.
Ich will Ihnen eine friedensethische Stellungnahme des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland zu diesem Thema nicht vorenthalten. Im Nachgang einer Reise des Landesbischofs Dr. Bedford-Strohm in den Irak vom September 2014 hieß es zu den Waffenlieferungen an die Peschmerga – ich zitiere –:
Die kurdischen Milizen sind die einzigen lokalen Gegner, welche dem IS militärisch entgegentreten können. Militärische Mittel erscheinen in der gegenwärtigen Lage als die letzte verbliebene Möglichkeit, um wirksame und schnelle Hilfe zu bringen.
Nach evangelischem Verständnis kann militärische Gewalt zur Abwendung schwerster anhaltender Menschenrechtsverletzungen, angesichts von Völkermord und Vertreibung, als letzter Ausweg legitim sein, wenn alle anderen gewaltärmeren Mittel versagen.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie in Saudi-Arabien einmarschieren!)
Ich bitte Sie, mal ein bisschen aus der Kuschelecke herauszukommen. Wenn man Ihre Position zu Ende denkt, dann stellen Sie die eigene Armee letztlich auch infrage. Es gibt natürlich Interessen in der Welt; es gibt die Notwendigkeit, zu unterstützen und zu helfen, wenn wir können. Wir machen uns der Unterlassenen Hilfeleistung schuldig, wenn wir das dann nicht tun.
Übrigens wurde das Gleiche auch von katholischer Seite als eine „Art von Völkermord“ kategorisiert. Der Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Silvano Tomasi, sprach sich als Ultima Ratio für den Einsatz von Gewalt aus, „um die Aggressoren zu stoppen“. Weiter sagte Tomasi wörtlich:
Andernfalls werden wir in Zukunft beklagen, dass wir solch eine schreckliche Tragödie zugelassen haben.
Mit Blick auf die linke Seite unseres Hauses und auch auf Sie, Frau Brugger, muss ich sagen, dass wir mit Friedensmärschen, Handauflegen und Stuhlkreisen die IS-Mörderbande nicht stoppen werden.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal zur Sache! Wir reden jetzt nicht über die Waffenlieferungen an die Peschmerga!)
Selbst der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hat erkannt, dass man den IS – ich zitiere – „nicht mit der Yogamatte unterm Arm“ bekämpfen kann. Ein bisschen mehr Realismus in den Debatten auch hier in diesem Haus würde Ihnen guttun.
Ich will Ihnen ein anderes historisches Beispiel nennen: Die Amerikaner hat es im Zweiten Weltkrieg – da waren sie noch gar nicht in diesen Krieg eingetreten – einiges an Überwindung gekostet, die Rote Armee mit dem Lend-Lease Act zu unterstützen. Sie haben es damals getan, um einen ökonomischen und militärischen Zusammenbruch der Sowjetunion zu verhindern, und haben damit einen Beitrag dazu geleistet, dass Hitlers Angriffsarmee in Russland gestoppt werden konnte. Auch das zeigt, dass die Vorgänge nicht ganz eindimensional sind, sondern dass wir die verschiedenen Aspekte immer sehr sorgfältig bewerten und gewichten müssen. Wir haben nicht den Eindruck, dass das in der Bundesregierung falsch gemacht wird, sondern wir glauben, dass es richtig gemacht wird.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann können wir es doch ins Gesetz schreiben!)
Insofern ist es nicht notwendig, dass wir ein Gesetz auf den Weg bringen; denn es ist bereits alles geregelt. Ich halte es mit Montesquieu, von dem bekanntlich folgender Satz stammt:
Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist jetzt der Kollege Jan van Aken, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6566677 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Rüstungsexportkontrolle |