18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Zusatzpunkt 4

Dagmar SchmidtSPD - Wohnungslosigkeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von den Grünen! Ich danke Ihnen für Ihre Initiative; denn sie gibt uns Gelegenheit, ein immens wichtiges sozialpolitisches Thema, nämlich die Wohnungspolitik, zu diskutieren.

Sie fordern in Ihrem Antrag die Einführung einer bundesweiten Statistik, um auf dieser Basis Wohnungslosigkeit wirkungsvoll anzugehen. Die Bundesregierung hat dies in ihrer Antwort auf Ihre Kleine Anfrage abgelehnt, weil die Zuständigkeit seit der Föderalismusreform I von 2006 bei den Ländern liegt.

Für beide Positionen gibt es gute Argumente. Ich persönlich habe immer große Sympathien für eine gute Datenbasis für gute Politik. Aber weder haben alle grün mitregierten Länder eine Wohnungslosenstatistik, die die Basis für eine im Länderzuständigkeitsbereich liegende Wohnungspolitik wäre, noch macht die Bundesregierung deswegen keine Politik gegen Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit, weil es keine Statistik gibt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich kann das Lob für Hessen, Herr Zimmer, leider nicht teilen. In meinem schwarz-grün regierten Heimatland Hessen sind es wiederum allein die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die sich des Themas Obdachlosigkeit angenommen haben. Leider hat Schwarz-Grün die Streichung der Mittel der Obdachlosenhilfe durch die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung nicht zurückgenommen. Ich hätte Ihnen da mehr Kraft gewünscht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Hört! Hört! – Weiterer Zuruf von der SPD: Unehrlich!)

Als vorbildlich kann ich das Land Nordrhein-Westfalen nennen. Auch die sozialdemokratische Sozialministerin Altpeter in Baden-Württemberg hat die Initiative ergriffen

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht hier um Sozialpolitik!)

und sich des Themas „Berichterstattung und Konzeptionierung im Bereich der Wohnungslosigkeit“ angenommen.

(Beifall bei der SPD)

Je weiter man sich von den Kommunen entfernt, desto schwieriger wird es mit der Zielgenauigkeit. Deswegen macht es Sinn, die konkrete Planung auf Länderebene durchzuführen.

Das heißt aber nicht, dass die Bundespolitik hierbei keine Verantwortung übernehmen würde. Ganz konkret hat unsere Ministerin Andrea Nahles bei der Steuerung der Mittel aus dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen einen Schwerpunkt auf Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen gelegt. Das ist gut und richtig so.

(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Vorgabe! Das ist der Sinn! Das war nicht die Bundesministerin!)

Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland steigt, und das fordert uns auf allen Ebenen zum Handeln auf. Es ist bereits erwähnt worden: Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe waren 2014  335 000 Menschen ohne Wohnung. Sie erwartet, dass die Zahl bis 2018 auf mehr als eine halbe Million steigt. Gleichzeitig macht sie für den Bund folgende Handlungsfelder aus, die alle von der Koalition bereits angegangen wurden und werden:

Da wäre erstens die Verbesserung der sozialen Lage durch angemessene Regelsätze und durch die Bekämpfung des Niedriglohnsektors. Mit der Einführung des Mindestlohns haben wir einen riesengroßen Schritt getan.

(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber gegen Obdachlosigkeit hilft er nicht!)

Mit der Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen werden wir weitere Schritte gehen, und die Frage der Regelsätze werden wir noch dieses Jahr aufrufen. Ja, auch ich hätte große Sympathien dafür gehabt, wenn man gesagt hätte, dass man bei den Kosten der Unterkunft nicht mehr sanktionieren darf. Aber wir haben mit einer längst überfälligen Wohngeldreform die finanzielle Situation von 870 000 Haushalten, vor allem von Rentnerinnen und Rentnern und Familien mit Kindern, verbessert, auch wenn es für die Opposition, wie üblich, etwas mehr hätte sein dürfen.

Zweitens. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum, vor allem Kleinwohnungen und Wohnungen in den Ballungsräumen. Das ist für uns nicht erst ein Thema, seitdem die Flüchtlinge ein Thema sind. Bereits im Koalitionsvertrag haben wir einen Dreiklang aus Stärkung der Investitionstätigkeit, Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus und einer mietrechtlichen und sozialpolitischen Flankierung festgeschrieben. Was heißt das konkret? Die Stichworte lauten: Mietpreisbremse und – das ist bereits erwähnt worden – jährlich 500 Millionen Euro mehr für den Wohnungsbau.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht darum, Armut zu bekämpfen!)

Vor allem aber haben wir das sehr erfolgreiche Programm „Soziale Stadt“ wieder zum Leben erweckt; denn nicht nur Wohnungen, sondern auch ein lebenswertes Wohnumfeld und soziale Unterstützung im Quartier sind wichtig. Deswegen geht es am Ende des Tages um die Handlungsfähigkeit und die Ausstattung der Kommunen. Da haben wir viel Geld in Bewegung gesetzt: Wir entlasten die Kommunen bis 2018 um insgesamt 25 Milliarden Euro. Das ist eine echte Hausnummer.

(Bernd Rützel [SPD]: Das meiste bisher!)

Der Respekt gegenüber den Ärmsten – um nichts anderes geht es, wenn man sich um Menschen kümmert, die es alleine nicht schaffen, wenn man ihnen wieder auf die Beine hilft, auch wenn es lange dauert – ist Ausdruck des sozialen Zusammenhalts unserer Gesellschaft. Dieses soziale Klima, diesen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt wünschen sich auch die allermeisten derjenigen, die nicht persönlich betroffen sind und es auch nie sein werden.

„Vier eigene Wände machen einen Menschen frei“, sagt ein persisches Sprichwort. Diese Freiheit ist in Deutschland ein Grundrecht. Deshalb gilt es, Wohnungen zu bauen und den Sozialstaat zu stärken und dabei zu klotzen und nicht zu kleckern.

Glück auf!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Michael Groß von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6567569
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Wohnungslosigkeit
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