Charles M. HuberCDU/CSU - Beziehungen zu Kuba
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
(Ulli Nissen [SPD]: Und was ist mit den Kolleginnen?)
Herr Kollege Gehrcke, es ist, wie Sie es gesagt haben: Wir kämpfen heute im Plenum ein bisschen um den Heiligenschein. „ Wer mich sucht, findet mich in Kuba“, lautet ein Spruch einer bekannten Persönlichkeit. Ich sage es mal so: Wer da war, kann das ein bisschen nachvollziehen. Wer durch die Altstadt von Havanna gelaufen ist, weiß, was es mit diesem Spruch auf sich hat.
Einige, die nach Kuba reisen, sagen: Ich will da noch mal hin, bevor alles anders wird. – Ich denke, genau dieses Anderswerden ist das, was uns deutsche Politiker beschäftigt – das kam in den vorangegangenen Reden zum Ausdruck –, zugegebenermaßen beschäftigt dies aber auch die Kubaner, nämlich, wie dieses Anderssein dann aussehen mag, in welcher Form es sich vollzieht und inwiefern der mögliche Wegfall der Sanktionen im Kontext zur heiß diskutierten Systemfrage steht.
In puncto Menschenrechte möchte ich sagen: Aus geschichtlicher Perspektive war Kuba vor der Revolution de facto ein Apartheidstaat, ein Staat, in dem Benachteiligung und sogar Sklaverei ein wesentlicher Teil des Systems waren. Und wenn wir über Menschenrechte in Kuba reden, sollte dies auch hier einmal Erwähnung gefunden haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ute Vogt [SPD] und Richard Pitterle [DIE LINKE])
Kuba muss seine Wirtschaft diversifizieren, um eine nachhaltige Entwicklung erreichen und somit sozialen Frieden garantieren zu können, und dafür muss es auch eine Diversifizierung seiner Wirtschaftspartnerschaften herbeiführen, und dies – sage ich einfach mal so – möglichst außerhalb sozialistisch geprägter Systeme. Kollege Gehrcke, wir sind uns in vielen Punkten einig; aber ich denke, dieser Punkt ist bei uns beiden die Krux. Werfen wir einen Blick auf sozialistisch geprägte Systeme, sehen wir, dass es diesen auch in den Zeiten hoher Rohstoffpreise nicht gelungen ist, stabile Volkswirtschaften aufzubauen, bzw. sie den Versuch erst gar nicht unternommen haben.
Wenn wir von Wirtschaftspartnerschaften reden, dann ist festzuhalten, dass Deutschland für Kuba zweifellos ein starker und verlässlicher Partner wäre. 1 200 mittelständische deutsche Firmen sind Weltmarktführer in ihrer Technologie. Diese könnten den Kubanern helfen, Kapazitäten in vielen Sektoren aufzubauen, damit Kuba nicht ausschließlich auf den Tourismus angewiesen ist. Ich denke hierbei ganz besonders an das System der dualen Ausbildung.
Was man Kuba zugutehalten muss, ist, dass es der Bevölkerung den Zugang zum Bildungssystem und zu kompetenter medizinischer Versorgung ermöglicht hat.
(Beifall der Abg. Elfi Scho-Antwerpes [SPD] und Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Das ist gerade im lateinamerikanischen Vergleich vorbildlich.
Zum Thema Sicherheit sei gesagt: Gehen Sie durch die Straßen Havannas, egal zu welcher Tageszeit – Sie können sich sicher fühlen. Auch das ist im globalen, zumindest aber im regionalen Kontext – das weiß jeder, der die mittelamerikanische Region kennt – schon fast ein Alleinstellungsmerkmal. Dass man diese positiven Errungenschaften in eine mögliche neue Ära hinüberrettet, ist für das Land und seine Regierung mit Sicherheit eine große Herausforderung; aber es wäre sicherlich sinnvoll.
Eine ähnliche, aber wesentlich kompliziertere Aufgabe stellt meines Erachtens die Besitzfrage dar. Hier muss im Hinblick auf den sozialen Frieden auch darauf geachtet werden, dass der Großteil von Gebäuden und Besitztümern nicht nur auf ein paar wenige zurückfällt, und zwar auf jene, die vorher im Land das Sagen hatten und mittlerweile im Ausland leben. Denn bereits jetzt hat in Bezug auf Transferleistungen der Teil der Bevölkerung deutliche ökonomische Vorteile, der Verwandte außerhalb des Landes hat. Die kubanische Regierung hat aber bereits angekündigt, einer Ghettoisierung dahin gehend entgegenzuwirken; denn das ist ein großes Problem sehr erfolgreicher südamerikanischer Volkswirtschaften – Beispiel Brasilien. Menschen, die in der Innenstadt von Havanna wohnen, soll ermöglicht werden, auch nach der Renovierung der Häuser dort zu bleiben. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben einen hervorragenden Botschafter in Kuba – das sage ich vor dem Hintergrund der Reise, die wir, Klaus, gemeinsam getätigt haben –, der für die Reise, die zu Beginn des Jahres stattgefunden hat, ein tolles Programm zusammengestellt hat.
Professor Jüttner hat das Kulturabkommen angesprochen, das hoffentlich vor einer baldigen Unterzeichnung steht. Es liegt nicht an Deutschland, dass das noch dauert; Kuba lässt uns ein bisschen warten. Wir haben diesen Punkt bei Vizepräsident Bermudez dezidiert angesprochen. Was Kultur im Bereich des Marketing eines Landes bewirken kann, verdeutlicht der Film Buena Vista Social Club meines ehemaligen Kollegen Wim Wenders auf besonders beeindruckende Art und Weise.
Präsident Obama wird als erster amtierender Präsident nach 88 Jahren Kuba besuchen. Das ist ein gutes Zeichen. Ich bin mir nicht sicher, was das Datum angeht.
(Klaus Barthel [SPD]: Heute in einem Monat!)
– In einem Monat, vielen Dank.
Kuba muss sicher nicht in der Systemfrage das „alte“ Kuba bleiben. Es braucht vielmehr eine Erneuerung, aber eben eine sanfte.
Herr Kollege, das ist ein schöner Abschlusssatz. Sie müssen nämlich sofort zum Schluss kommen.
Ich bin sofort fertig. Ich muss eines noch loswerden. – Das Modell der sozialen Marktwirtschaft wäre hier sicher keine schlechte Variante. Das Land muss seine gesamte Bevölkerung in dieser Phase mitnehmen, damit aus den Gewinnern der Revolution nicht die Verlierer der Transformation werden.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Da stimmt sogar der Kollege Gehrcke zu!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6567748 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 155 |
Tagesordnungspunkt | Beziehungen zu Kuba |