19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Zusatzpunkt 5

Eva HöglSPD - Einführung beschleunigter Asylverfahren

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 27. Januar dieses Jahres hat die Schriftstellerin Ruth Klüger in diesem Haus eine bemerkenswerte Rede gehalten.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt!)

Sicherlich erinnern sich viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch an den Schluss ihrer Rede. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich gerne zitieren:

... dieses Land, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich war, hat heute den Beifall der Welt gewonnen, dank seiner geöffneten Grenzen und der Großzügigkeit, mit der Sie syrische und andere Flüchtlinge aufgenommen haben und noch aufnehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle hier im Land können gemeinsam sehr stolz auf die Willkommenskultur, auf die Hilfsbereitschaft und auf den gemeinsamen Willen sein, dass wir Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, weil sie durch Krieg bedroht sind, weil sie vor Folter und Verfolgung fliehen, hier in unserem Land Schutz bieten.

Das Asylrecht und auch die Genfer Flüchtlingskonvention sind für uns kein Blatt Papier, sondern sie sind eine gemeinsame Verpflichtung, die wir aus Überzeugung eingegangen sind. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es richtig, dass wir unsere gemeinsamen Anstrengungen darauf konzentrieren, die Fluchtursachen zu bekämpfen und zu verringern und eine gemeinsame Asylpolitik in Europa zu gestalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir reden heute über das Asylpaket II. Aber ich möchte ein paar Bemerkungen zu Europa machen. Es erschüttert uns alle gemeinsam, glaube ich, dass die 28 Mitgliedstaaten in der EU zurzeit weder den Willen noch die Kraft haben, eine gemeinsame Asylpolitik zu gestalten und das Thema Flüchtlinge gemeinsam anzugehen. Ich finde, es kann doch wohl nicht sein, dass eine so reiche, so wohlhabende und so starke Region wie Europa mit über 500 Millionen Menschen sich so schwertut, Menschen Schutz zu bieten, und zwar überall in Europa: in London, in Riga, in Prag und in Lissabon. Das finde ich wirklich erschütternd.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen, weil er auch für unsere Politik in Deutschland wichtig ist. Die allgemeine Lage gefährdet gegenwärtig das, was Europa ausmacht und was es so wertvoll macht, nämlich unsere offenen Grenzen. Das ist das Beste und das Wertvollste, was Europa hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir diese offenen Grenzen nicht aufs Spiel setzen. Das erfordert unsere gemeinsame Energie und unsere ganze Anstrengung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe diese Vorbemerkungen extra deshalb gemacht, weil das der Rahmen ist, in dem wir heute über das Asylpaket II diskutieren. Wir müssen hier in Deutschland dafür sorgen, dass die Menschen, die zu uns kommen, registriert werden, dass sie ordentlich untergebracht werden und dass sie versorgt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Verfahren zügig geführt werden;

(Beifall der Abg. Elfi Scho-Antwerpes [SPD])

denn wir wissen – das gehört zur Wahrheit dazu –: Nicht alle können bleiben, nicht alle können Schutz bekommen. Deswegen – das ist das A und O – müssen wir schnell darüber entscheiden, ob Menschen hierbleiben können, ob sie hier Schutz erhalten können oder ob sie unser Land wieder verlassen müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die beschleunigten Verfahren sind der Kernpunkt des Asylpakets II; denn wir wissen auch: Viele Menschen kommen zu uns, die leider keine Bleibeperspektive haben. Sie warten zurzeit monatelang darauf, ihr Anliegen beim BAMF überhaupt vortragen zu können. Sie warten dann wieder monatelang auf eine Entscheidung. Dieser lange Zeitraum liegt an der hohen Arbeitsbelastung des BAMF, auch an dem enormen Rückstand bei den unbearbeiteten Verfahren. Er liegt auch daran, dass das BAMF auf diese Vielzahl von Menschen, die in kurzer Zeit zu uns gekommen sind, nicht vorbereitet war. Deswegen stelle ich fest: Diese Situation – ich denke, das sehen wir alle so – ist nicht tragbar. Deshalb brauchen wir Änderungen in den Verfahren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Schnelle Entscheidungen sind nicht unmenschlich. Schnelle Entscheidungen sind richtig und wichtig. Schnelle Entscheidungen sind nicht das Ende unserer Willkommenskultur, sondern sie sind die Voraussetzung für eine Willkommenskultur und die Voraussetzung für ein Gelingen der Integration.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Natürlich ist es für uns alle hier im Haus, wie ich denke, keine einfache Entscheidung, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen. Darüber haben wir auch intensiv diskutiert; denn wir alle miteinander wissen – das hat insbesondere die SPD hervorgehoben –, dass Familie die Voraussetzung für ein Gelingen der Integration in Deutschland ist.

(Beifall bei der SPD – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um Gottes willen! Warum macht ihr es denn dann?)

Diese Entscheidung ist uns schwergefallen. Wir setzen den Nachzug nur für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre aus.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur zwei Jahre!)

Wir erlauben eine Härtefallregelung.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Jedes Kind ist ein Härtefall!)

Ich denke, dass das eine maßvolle Regelung ist, die man hier auch verabschieden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt es nicht mal auf die Reihe gekriegt, den Gesetzentwurf richtig zu lesen, Frau Högl! Das ist doch peinlich!)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir die Rückführung erleichtern müssen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist peinlich!)

Auch das gehört dazu. Diejenigen, die nicht hierbleiben können, müssen unser Land schneller verlassen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Deswegen schaffen wir mit dem Asylpaket II die Voraussetzungen, dass diese Rückführung wirksamer und schneller erfolgen kann. Dazu gehört auch, kriminelle Ausländer schneller auszuweisen. Auch das ist Bestandteil der Vorschläge, die heute beraten werden.

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich noch etwas sagen, das mir sehr wichtig ist und worüber wir, denke ich, gemeinsam nachdenken sollten. Wir haben in dieser Legislaturperiode viel auf den Weg gebracht. Wir haben im Asylrecht viel geändert und im Aufenthaltsrecht die Verfahren verbessert

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Verwässert!)

und hoffentlich optimiert. Ich finde, wir sollten jetzt alle gemeinsam dazu übergehen, diese Veränderungen wirken zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen jetzt erst einmal in Kraft treten und ihre Wirkung entfalten. Die Verwaltung muss sich darauf einstellen, und ich gehe davon aus, dass sie auch die richtige Wirkung entfalten werden. Dann sollten wir uns alle gemeinsam in den nächsten Beratungen voll und ganz, mit unserer ganzen Energie nicht nur auf die Fluchtursachen und die Asylpolitik in Europa, sondern vor allen Dingen auch auf die Integration konzentrieren.

(Beifall bei der SPD)

Zu den nächsten Schritten, die wir gemeinsam verabreden, muss ein gutes Integrationskonzept gehören.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Konstantin von Notz das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6569738
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Einführung beschleunigter Asylverfahren
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