19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Zusatzpunkt 5

Andrea LindholzCDU/CSU - Einführung beschleunigter Asylverfahren

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Integration der vielen Schutzbedürftigen in Deutschland kann nur funktionieren, wenn wir die viel zu hohen Zuwanderungszahlen spürbar und dauerhaft senken; denn nur eine kontrollierte Migration ermöglicht auch eine vernünftige Integration.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen aber auch unsere demokratischen Grundwerte wie die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit, aber auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau kompromisslos vertreten und einfordern.

Die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten waren ein gezielter Angriff auf die Würde der betroffenen Frauen. Sehr geehrter Herr Minister ­­Jäger, ich hätte mir heute von Ihnen gewünscht und es auch erwartet, dass Sie hier zwei, drei Sätze zu den Übergriffen in Köln sagen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

vielleicht auch etwas zu den Frauen und zu dem, was ihnen dort passiert ist. Stattdessen ergießen Sie sich in einem Zahlenspiel, was die Frage der Rückführungen oder des Rückgangs der Zahlen aus dem Westbalkan angeht.

Ich will Ihnen eines sagen: Sie haben sicherlich recht, wenn viele Maßnahmen dazu beigetragen haben, aber eine Maßnahme ist die Einordnung als sichere Herkunftsstaaten,

(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

weil sie zu einer Beweislastumkehr führt und weil sie – das sage ich Ihnen als Juristin, aber das haben uns auch Sachverständige bestätigt – natürlich zu schnelleren Verfahren, zu kürzeren Zeiten bei den Bescheiden und damit auch zu einer gewissen – –

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Realitätscheck, Herr Jäger! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Märchenstunde!)

– Das ist überhaupt keine Märchenstunde, Herr Kollege Notz. Sie sind, glaube ich, auch Jurist, und Sie wissen, dass es genauso ist, dass es zu einer Beweislastumkehr führt.

(Zuruf der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das alles zusammen genommen führt zu einem Rückgang. Es ist richtig und wichtig, dass wir bei einer Anerkennungsquote von noch nicht einmal 1 Prozent, von unter 1 Prozent, diese Schritte gegangen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin Lindholz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Brantner?

Ich lege diesen einen Gedanken noch zu Ende dar.

Ein weiterer Hinweis: In keiner Weise sind Sie darauf eingegangen, wie die Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen vorgenommen werden. Dort kommt auf zwölf Ausreisepflichtige eine Abschiebung. In Bayern liegt das Verhältnis bei eins zu vier.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört! Realitätscheck, Herr Jäger!)

Auch dazu haben Sie heute nichts gesagt. Ich würde hier von Ihnen auch erwarten, dass Sie Vorschläge an die Bundesregierung machen, die hier seit Monaten verschiedenste Gesetzespakete, die auch gewirkt haben und wirken werden, auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unfassbar kleingeistig, was Sie hier machen, Frau Lindholz!)

Jetzt kann die Kollegin Brantner die Zwischenfrage stellen.

Über die Zahlen und über die Statistikbildung der Bayern haben wir schon gesprochen. Aber ich möchte, weil Sie die Frauenrechte und den Schutz von Frauen angesprochen haben, von Ihnen gern noch einmal hören, warum es die CDU wirklich verhindert hat, dass es zum Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften kommt, dass dort das Bundeskinderschutzgesetz gilt, wenn Sie doch die Frauenrechte so hochhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frau Kollegin, bei uns in Deutschland gilt das Kindeswohl nach dem Gesetz überall und in allen Einrichtungen in Bayern und in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)

Ich erwarte von Ihnen einen Blick ins Gesetz; da können Sie es nämlich nachlesen. Ich muss Ihnen das hier also nicht noch erklären.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mal die Vorschriften nennen?)

– Schauen Sie doch in das SGB; da steht es drin.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist der Kinderschutzbund anderer Meinung? – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ein Blick in das Gesetzbuch …!)

– Ich habe Ihnen die Frage beantwortet.

In der Debatte, so auch heute, wird oft über die Täter geredet, und es gab schnell auch Forderungen nach mehr Integrationshilfen. Was wir aber brauchen, sind Signale an die Frauen, sind Signale an die Opfer und klare Signale des Gesetzgebers. Wer die deutsche Gastfreundschaft derartig missbraucht, der hat keine Hilfe verdient, sondern der muss gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann Ihnen als Fachanwältin für Familienrecht, die zwölf Jahre lang auch viele Frauen vertreten hat, nur sagen: Solche Übergriffe auf Frauen haben für diese Betroffenen ganz gravierende Folgen. Sexuelle Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Bundesjustizminister mit uns gemeinsam an einer Verschärfung des Sexualstrafrechts arbeitet. Ich hoffe und wünsche mir auch, dass wir das zeitnah umsetzen können und in diesem Zusammenhang auch unsere Asylgesetze entsprechend anpassen und auch noch verschärfen, weil nur dann Übergriffe wie die von Köln im Wiederholungsfall zur Ausweisung führen können. Ich bitte, das nicht zu vergessen.

Fast alle der bisher ermittelten Tatverdächtigen aus der Silvesternacht haben Migrationshintergrund. Straftaten wie diese sind Gift für die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft in Deutschland. Sie schaffen ein Gefühl der Unsicherheit im öffentlichen Raum, und sie gefährden den sozialen Frieden und die Akzeptanz. Die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten und der Flüchtlinge in Deutschland – ich will das ausdrücklich sagen – lebt hier friedlich und ist um Integration bemüht. Sie ist genauso wie die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland daran interessiert, dass wir klare Ausweisungen von Straftätern aus Deutschland fordern und auch durchführen.

Wir dürfen solch kriminelles Verhalten gegen das Eigentum, das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Angriffe auf Vollzugsbeamte nicht einfach dulden. Es ist daher richtig, dass wir in Zukunft auch solche Verurteilungen immer als schweres Ausweisungsinteresse gewichten oder dass die Verurteilung zu einem Jahr, auch wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, künftig ein besonders schweres Ausweisungsinteresse darstellt. Das ist ein wichtiges Signal. Ich habe für keinen Verständnis, der jetzt schon wieder in den Raum wirft, unsere Gesetze seien verfassungswidrig. Wir müssen den Opfern erklären, wie wir als Rechtsstaat damit umgehen wollen, und das muss im Vordergrund stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Betonung liegt auf „Rechtsstaat“!)

Sehr geehrter Herr Kollege Beck, ich will Ihnen eines sagen: Ich erwarte von den Menschen, die hierherkommen und die vor Flucht und Verfolgung fliehen oder aus anderen Gründen zu uns kommen, dass sie sich integrieren und an unsere Gesetze halten. Das ist kein Widerspruch, sondern das ist ein Zweiklang.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Selbstverständlichkeit! – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und auch Realität!)

Daher muss ich auch keine Asylgesetze ändern, wenn ich Integration einfordere.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Gesetze, alles, was wir hier beschließen, werden nur wirken, wenn sich auch die Abschiebepraxis in den Ländern verbessern wird und wenn die zuständigen Behörden rechtzeitig – auch in dem Fall der Verschärfung – über Ermittlungsverfahren informiert werden. Wir regeln jetzt aktuell, dass erst die Einleitung eines Strafverfahrens dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemeldet wird. Wir haben aber jetzt schon in § 72 des Aufenthaltsgesetzes geregelt, dass die Ausländerbehörde über ein Ermittlungsverfahren zu informieren ist. Es ist daher ein Widerspruch, wenn die Ermittlungsverfahren den Ausländerbehörden praktisch sofort gemeldet werden müssen, aber das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Kenntnis erst mit Einleitung eines Strafverfahrens erhält.

Frau Kollegin, gestatten Sie noch zum Schluss Ihrer Redezeit eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Ich wäre dafür, dass wir an dieser Stelle nochmals eine Änderung erwägen.

Zum Abschluss: Ich begrüße ganz ausdrücklich die verschärften Regelungen im Asylpaket II. Es ist wichtig, dass wir klarmachen, dass wir Schnellverfahren einleiten und Abschiebehindernisse beseitigen. Auch das haben wir in den letzten Monaten genügend ermittelt. Wir müssen jetzt endlich die Ergebnisse umsetzen. Das tun wir hiermit.

Ich gestatte nun die Zwischenfrage des Herrn Kollegen Beck.

(Heiterkeit)

Das war jetzt besonders klug, weil es somit die Möglichkeit der Erwiderung gibt. – Herr Kollege Beck, Sie haben das Wort.

Obwohl Frau Lindholz so eindeutig für die Einhaltung von Regeln ist, scheint sie selber sie besonders leger auszulegen.

Frau Lindholz, Sie haben gerade gesagt, Sie wollten von den Flüchtlingen jetzt auch ein bisschen mehr Integrationsbereitschaft verlangen. Wären Sie bereit, jedem Geflüchteten und nicht nur den Geflüchteten aus vier Ländern einen Rechtsanspruch auf einen Integrationskurs einzuräumen?

(Beifall der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Entscheidende ist doch, dass sich die Leute integrieren wollen, wir aber die Integrationskapazitäten nicht zur Verfügung stellen. Deshalb ist es doch politischer Klamauk für den Stammtisch und für das AfD-Publikum, wenn Sie hier neue Pflichten gerieren, statt den Leuten die Chance zu geben, sich zu integrieren, Deutsch zu lernen und unsere Werte kennenzulernen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Zwischenfrage; ich kann Ihnen damit ausführlicher antworten. Sehen Sie, das ist genau der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Sie würden am liebsten jedem, der hierherkommt, von Anfang an das volle Integrationsprogramm zubilligen.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutsch zu lernen, hat noch niemandem geschadet! Die deutsche Sprache wird weltweit unterbewertet! Da bin ich Patriot!)

Wir sagen: Wir müssen klar unterscheiden zwischen denjenigen, die einen Schutzanspruch haben, Herr Kollege Beck, und denjenigen, die keinen Schutzanspruch haben. Dazwischen werden wir auch weiterhin unterscheiden müssen, weil nach wie vor ungefähr jeder dritte Asylantrag unberechtigt ist. Ich möchte den Menschen nicht das Signal geben, sie könnten dauerhaft hierbleiben,

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es schlecht, wenn sie Deutsch können, wenn sie nach Hause zurückkehren? Sie können deutsche Gebrauchsanweisungen lesen!)

sondern ich will ihnen das Signal geben, dass sie zurückmüssen. Deutschland kann nicht alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen, erst recht nicht die ohne einen Anspruch nach dem Asylgesetz und nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle 5 Milliarden nehmen wir auf!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6569996
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Einführung beschleunigter Asylverfahren
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