19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 18

Angelika GlöcknerSPD - EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Menschenrechtsverletzungen von heute sind die Flüchtlingsströme von morgen; das waren vor wenigen Wochen meine Worte in diesem Hohen Hause. Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsbewegungen, glaube ich, hat dieser Satz an Aktualität nichts verloren.

(Beifall bei der SPD)

Nach wie vor sind 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Freiheitsrechte haben in den letzten Jahren weltweit stetig abgenommen. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt noch immer unterdrückt und in undemokratischen Regimen. Terror, Kriege und Gewalt nehmen weltweit zu. Dies alles zeigt uns: Eine umfassende Menschenrechtspolitik sowie der Einsatz für mehr Demokratie in der Welt sind wichtiger denn je.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Die grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechte bilden das Fundament einer Gesellschaft. Die EU muss daher ihre Außenbeziehungen und ihre gesamte Politik nach diesen Werten ausrichten. Deutschland hat sich zudem in Artikel 21 des Vertrages über die Europäische Union dazu verpflichtet. Ich befürworte es außerordentlich, dass wir heute über den uns vorgelegten EU-Jahresbericht aus dem Jahr 2014 debattieren – den Blick nach vorne gerichtet, Herr Koenigs – und dass wir auch erkennen, wo Handlungsbedarfe sind. Ich glaube, niemand hat heute gesagt, dass alles, was bisher getan wurde, in Ordnung ist. Ich habe eher das Gefühl, dass viele versucht sind, einzuschätzen, wo wir etwas zum Besseren verändern können.

Der Rechenschaftsbericht zeigt zunächst die vielen Aktivitäten der Europäischen Union im Bereich der Menschenrechtspolitik auf. Er schafft Transparenz. Er vergleicht den Istzustand mit den gesteckten Zielen. Vor allem aber bietet er eine sehr gute Diskussionsgrundlage für die zukünftige Ausrichtung unserer Menschenrechtspolitik.

Die EU hat für Menschenrechte und Demokratieentwicklung vieles getan. Zu nennen ist beispielsweise das große Engagement der Hohen Vertreterin Frau Federica Mogherini in der Außenpolitik. Sie hat eigens einen Sonderbeauftragten für die Europäische Union installiert, der die Aufgabe hat, die Menschenrechtspolitik nach außen hin spürbarer und sichtbarer zu machen. Auch der Ausbau der Menschenrechtsdialoge und der vielfältigen Konsultationen sind Beispiele, die belegen, dass vieles unternommen wird.

Was der Bericht aber auch zeigt, ist, dass wir uns noch stärker auf die Umsetzung konkreter Ziele konzentrieren müssen. Ziele zu beschreiben, ist ein erster wichtiger Schritt. Die Ziele auch zu erreichen, wird ein weiterer wesentlicher Schritt sein, den wir machen müssen. Zielgerichtetes Agieren ist wichtig. Denn noch immer sind viel zu viele Menschen von Hunger und größter Armut betroffen. Noch immer werden Kinder gezwungen, mit Waffen zu kämpfen oder als Kindersklaven zu arbeiten. Noch immer werden Frauen unterdrückt; sie sind wehrlos Willkür und Gewalt ausgesetzt. Hier muss die EU mit ihrer Menschenrechtspolitik vorankommen. Daher muss sie die Menschenrechte in ihre gesamten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen stärker einbeziehen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])

Es ist zum Beispiel sehr wichtig, im Vorfeld von Handels- und Investitionsabkommen Folgeabschätzungen für die Menschenrechte vorzunehmen; das gilt auch mit Blick auf TTIP. Natürlich erwarten wir für unsere Union auch immer positive Wachstumseffekte durch unsere Handels- und Wirtschaftsaktivitäten mit Ländern außerhalb der EU. Dies muss aber eng einhergehen mit der Verbesserung der menschenrechtlichen Situation in anderen Ländern. Handelsabkommen sind und bleiben ein wichtiges Instrument, das Armut und Unterdrückung in einer globalisierten Welt zurückdrängen kann, wenn diese für die Ärmsten in der Welt positive Effekte hervorrufen.

Wichtig für ein effektives Handeln ist auch, dass sich die Mitgliedstaaten und die EU in ihrem Handeln miteinander abstimmen. Deshalb ist es gut, dass die EU ihren Mitgliedstaaten verbindlich vorgibt, nationale Aktionspläne zu erstellen. Diese sind ein ganz wesentliches Instrument zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union garantiert werden.

Neben diesen nationalen Aktionsplänen gibt es weitere Instrumente, zum Beispiel die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Entwicklungszusammenarbeit. Nach dem Prinzip „Mehr für mehr“ werden hier Anreize geschaffen. Wenn sich Partnerländer menschenrechtskonform verhalten, werden sie bevorzugt behandelt. Ich finde, es ist ein guter Ansatz, Anreizsysteme zu schaffen, anstatt in der Hoffnung, dass irgendwo ein zartes Pflänzchen wächst, mit der Gießkanne zu verteilen. Daneben muss das wirtschaftliche Betätigungsfeld in der globalisierten Welt mehr auf faire und rechtsbasierte Grundlagen gestellt werden.

Doch nicht nur die Nationalparlamente und die EU tragen Verantwortung für die Entwicklung der Menschenrechte in der Welt, sondern gerade auch die weltweit agierenden Unternehmen können und müssen bei ihrem globalen Handeln entscheidende Akzente setzen.

Das Europäische Parlament hat nunmehr die CSR-Richtlinie zur sozialen Verantwortung von Unternehmen verabschiedet. Mit der Umsetzung in nationales Recht in allen EU-Mitgliedstaaten wird hier ein erster wichtiger Schritt hin zu mehr Unternehmensverantwortung vollzogen.

Es kann nicht angehen, dass Unternehmen in fernen Ländern Kinder für einen Hungerlohn arbeiten und Menschen in baufälligen Gebäuden produzieren lassen sowie auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen produzieren. Die Unternehmen werden sich mit ihren Lieferketten auseinandersetzen müssen und können sich nicht mehr hinter ihrer Unwissenheit verstecken. Sie müssen in die Pflicht genommen werden, Verantwortung für die Menschenrechte zu übernehmen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Instrumente für die Stärkung von Menschenrechten stehen bereit. Es gilt jedoch, sie auszubauen, aufeinander abzustimmen und vor allem mit hinreichenden Ressourcen auszustatten und intelligent zu nutzen. Wenn uns das gelingt, dann haben wir für die Zukunft eine Chance, Hunger und mangelnder Gesundheitsversorgung, krankmachenden und lebensbedrohenden Umwelteinflüssen und einem Leben ohne Bildung und in Perspektivlosigkeit entgegenzuwirken. Genau diese Umstände fördern fragile Gesellschaften und Strukturen und sind letztlich auch geeignet, weitere Menschenrechtsverletzungen hervorzurufen und im schlimmsten Fall sogar neue Flüchtlingsbewegungen in Gang zu setzen, und das darf die EU und dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen müssen, wenn wir nach außen etwas vorgeben. Wer die Befolgung von Freiheitsrechten im Ausland fordert, der muss sie auch selbst einhalten. Hier haben wir in einigen Mitgliedstaaten der EU in den letzten Jahren einen deutlichen Nachholbedarf gesehen.

Wenn man die Diskussionen in den letzten Tagen und Wochen verfolgt hat – auch die aktuelle Diskussion über den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU –, dann hat man teilweise schon den Eindruck gewonnen, dass die EU nichts anderes als eine Wirtschaftsgemeinschaft ist. Die Europäische Union ist aber eben nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch ein gemeinsames Wertegebilde. Zusammenhalt, Offenheit und Toleranz gegenüber Neuem haben die Europäische Union stark gemacht. Genau das sind die Werte, die uns nun auch helfen können, die schwierigen Zeiten zu überwinden.

Eine erfolgreiche europäische Außenpolitik für mehr Menschenrechte und Demokratie in der Welt hilft den Menschen in der Welt und auch der EU und ihren Mitgliedstaaten, den Zusammenhalt zu stärken. Abschottung und Intoleranz, wie von der AfD immer wieder propagiert, haben weder unser Land noch die EU erfolgreicher gemacht.

Eine Welt mit mehr Menschenrechten und Demokratie gibt es nur mit einer starken EU.

(Beifall des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU])

Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung zur Beschlussempfehlung der Koalition.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihre Anregung werden wir gerne aufnehmen!)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Thorsten Frei.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6570134
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta