19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 18

Thorsten FreiCDU/CSU - EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute den EU-Jahresbericht 2014 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt diskutieren, mag in einer schnelllebigen und digitalisierten Welt geradezu seltsam anmuten. Vieles davon ist ja Geschichte.

Andererseits, Herr Staatsminister, ist das aber eben tatsächlich auch ein starkes Dokument und ein starker Ausdruck dafür, dass Europa eben nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft ist, sondern ganz im Gegenteil auch eine wertegeleitete Gemeinschaft, in deren Mitgliedstaaten die Menschenrechte nicht nur Verfassungsrang haben, sondern in der auch der Anspruch besteht, ein Mindestmaß an Menschenrechten über den Kontinent hinaus in der gesamten Welt durchzusetzen. Das ist der wesentliche Punkt, um den es geht.

Wenn man sich den Bericht anschaut, findet man eindrücklich dargelegt, wie mit ausdifferenzierten In­strumentarien versucht wird, auf die unterschiedlichen Verhältnisse einzugehen: Dialogformen, Fördermöglichkeiten, institutionelle Möglichkeiten, Aktionen und Aktionspläne, die passgenau auf die einzelnen Erfordernisse zugeschnitten sind.

Das aus meiner Sicht Stärkste und Überzeugendste ist, dass wir in Europa starke, aufgeklärte und auch selbstbewusste Zivilgesellschaften haben, die die Basis dafür bilden, dass das letztlich passieren kann.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ich glaube, dass das der Exportschlager für Menschenrechte in der Welt schlechthin ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Anders als der Defätismus von den Grünen!)

Für die Politik ist natürlich auch entscheidend, dass sie Menschenrechte nicht bloß als schmückendes Beiwerk betrachtet, sondern als essenzielle Prämisse für die Durchsetzung der eigenen Politik. Wenn wir uns dazu drei Beispiele anschauen, wird, glaube ich, deutlich, dass das auch so praktiziert wird: etwa gegenüber Russland, wo man aufgrund der Lage den institutionalisierten Menschenrechtsdialog aussetzen musste; etwa gegenüber Eritrea, wo man seit 2008 die Entwicklungszusammenarbeit eingestellt hat, weil ansonsten die Gefahr bestanden hätte, dass der dortige Diktator, Isayas Afewerki, diese Mittel für Repressionen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hätte. Und es gibt auch das umgekehrte Beispiel, etwa gegenüber Weißrussland, wo man aufgrund der Verbesserung der Lage Sanktionen wieder aufheben konnte. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass ein dauerhafter, konzentrierter Dialog letztlich dazu führt, dass man nach und nach deutliche Verbesserungen erreicht.

Mir ist natürlich klar, dass man immer wieder auch an Grenzen stoßen wird. Beispielsweise in Syrien, wo wir Menschenrechtsverletzungen von ganz unterschiedlicher Seite haben, sowohl vom Assad-Regime wie auch vom sogenannten „Islamischen Staat“. Natürlich darf man die Menschen dort in dieser Situation nicht im Stich lassen, auch wenn die klassischen Dialogformen und Dialogforen der Menschenrechtspolitik dort nichts mehr ausrichten können.

Ich glaube, dass gerade an dieser Stelle deutlich wird, dass Menschenrechtspolitik immer auch Bestandteil eines ganzen Instrumentenkastens der Außenpolitik ist, dass es immer auch um Diplomatie geht, dass es um wirtschaftliche Zusammenarbeit geht – und dass es manchmal auch notwendig ist, an einzelnen Stellen mit militärischen Mitteln einzugreifen. Ich will das an drei Beispielen verdeutlichen: Menschenrechtspolitik in diesem Sinne ist es dann eben auch, wenn man den IS militärisch bekämpft. Menschenrechtspolitik ist es auch, wenn man Pufferzonen schafft, in denen die Zivilbevölkerung sicher leben kann. Und Menschenrechtspolitik ist es auch, wenn man gerade in dieser Region die Anrainerstaaten so unterstützt, dass Flüchtlinge möglichst in der Region bleiben können. Wenn man sich die Debatte darüber anschaut, dann wird deutlich – Frau Kollegin Steinbach hat das in ihrer Rede ja ventiliert –, dass wir die Schwerpunkte vielleicht nicht immer ganz richtig setzen. Wir könnten mit unserer Politik sehr viel mehr erreichen, wenn wir die Schwerpunkte so setzten, dass die Menschen in der Region blieben, anstatt dass sie sich nach Europa und nach Deutschland aufmachten.

Anfang des Monats war in der Tageszeitung Die Welt zu lesen, dass wir in Deutschland für dieses und für das kommende Jahr für die Flüchtlingsunterbringung gesamtstaatlich etwa 50 Milliarden Euro aufwenden müssen. Schauen wir uns einmal an, was man mit diesen Mitteln in den Herkunftsländern erreichen könnte. Ich will da einfach nur die Zahl erwähnen, die der Bundesminister Müller immer wieder nennt; er sagte: Wenn die Europäische Union die Kraft hätte, 10 Milliarden Euro aufzuwenden, dann bestünde die Chance, 8 Millionen Menschen ein ganzes Jahr lang nicht nur zu ernähren, sondern auch für Gesundheitsversorgung und Bildungsperspektiven zu sorgen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Was würde es denn bedeuten, die Menschen in der Region zu unterstützen? Da gelänge es, mit 350 Euro ein ganzes Jahr lang die Ernährung für einen Flüchtling sicherzustellen, mit 150 Euro ein Zelt mit entsprechender Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und mit weiteren 500 Euro jedem Flüchtling Perspektiven in Bildung und Arbeit aufzuzeigen. Daran wird deutlich, dass man schon mit 1 000 Euro ein ganzes Jahr lang alle grundlegenden menschenrechtlichen Bedürfnissen eines Flüchtlings zufriedenstellen könnte. Deshalb müssen wir, glaube ich, in diesem Bereich noch deutlich mehr tun, als wir es heute machen.

Wenn ich demgegenüber die genannten 50 Milliarden Euro zugrunde lege, dann bedeutet das in Wahrheit nichts anderes, als dass man alle 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, tatsächlich in den Herkunftsländern und -regionen angemessen versorgen und unterbringen könnte. Vor dieser Wahrheit darf man doch den Blick nicht verschließen. Deswegen muss auch klar sein, dass wir für die Menschen mit Geld viel mehr in den Herkunftsregionen erreichen können, als wenn sie als Flüchtlinge zu uns kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch zwei Bemerkungen machen.

Ich glaube, dass es ein schönes Ergebnis der Londoner Geberkonferenz am 4. Februar war, knapp 10 Milliarden Euro zusammenzutragen. Es war ein starkes Zeichen der Bundesregierung, dazu 2,3 Milliarden Euro beizusteuern. Es ist eher beschämend, andere Beiträge zu sehen, etwa den der USA in Höhe von 850 Millionen Euro, etwa den Beitrag Russlands – nämlich gar nichts. Auch der Beitrag der Europäischen Union insgesamt könnte deutlich höher sein.

Im europäischen Kontext müssen wir uns verstärkt darüber Gedanken machen, ob wir mit unserer Politik eigentlich die richtigen Schwerpunkte setzen. Wir machen doch letztlich weiter so wie gehabt, als ob nichts gewesen wäre. Es kann doch nicht sein, dass sich beispielsweise in den Strukturfonds der Europäischen Union weiter 80 Milliarden Euro befinden, die letztlich für die Optimierung von Rad- und Wanderwegen ausgegeben werden, anstatt dass das Geld dort konzentriert wird, wo wir tatsächlich etwas erreichen könnten, wo wir tatsächlich etwas zur Bewältigung der Flüchtlingskrise unternehmen könnten, die eben keine deutsche ist, sondern eine europäische. Deshalb erwarte ich auch, dass Deutschland in diesem Fall die Probleme und die Lasten, die sich daraus ergeben, nicht alleine schultern und tragen muss, sondern dass wir dafür die notwendige europäische Solidarität finden. Das täte hier not. Auch das gehört zum Kontext, wenn wir über den Menschenrechtsbericht 2014 sprechen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kollege Frank Heinrich hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6570154
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie
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