19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 10

Ursula Groden-KranichCDU/CSU - Gleichstellung im Kulturbetrieb

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Thema Gleichstellung – ob im Kulturbetrieb oder ganz allgemein – beschäftigt dieses Parlament und andere Parlamente schon seit vielen Jahren.

In der letzten Wahlperiode gab es schon einmal einen fast wortgleichen Antrag der Grünen, und am 27. Juni 2012 gab es auch schon einmal eine öffentliche Anhörung mit ganz ähnlichen Leitfragen und Experten, wie wir sie im letzten Jahr, am 11. November, erlebten.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht ihn nicht schlechter!)

Um es gleich vorwegzunehmen: Auch in dieser letzten Anhörung gab es keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse, und auch die wirklich namhaften Sachverständigen konnten uns keine konkreten Rezepte für neue Gesetzesmaßnahmen nennen.

Genau das aber war mit Blick auf unsere Rechtssituation auch zu erwarten. Denn wir haben schließlich schon das Allgemeine Gleichstellungsgesetz, wir haben ein Grundgesetz, das Diskriminierung verbietet, und wir haben ein Bundesgremienbesetzungsgesetz. Woran liegt es also, dass Gleichstellung immer noch ein Problem ist?

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine gute Frage!)

– Ich komme gleich auf Rheinland-Pfalz zu sprechen, Frau Rößner. Das kommt gleich. – Wurden die bestehenden Gesetze nicht konsequent angewendet? Oder reichen selbst die besten Gesetze bei bestmöglicher Anwendung allein noch nicht aus? Ich denke, beides ist der Fall. Wir müssen die bereits vorhandenen Gesetze besser anwenden, und wir müssen darüber hinausgehen und dürfen uns nicht oder zumindest nicht ausschließlich auf eine Bundesgesetzgebung verlassen.

Um wirkliche Gleichstellung zu erreichen, müssen wir außerdem eine gesamtgesellschaftliche Debatte führen, nicht nur eine politische. Dabei will ich in aller Deutlichkeit sagen, dass dies natürlich keine Entschuldigung für politische Versäumnisse sein darf.

Aber nochmals: Gleichstellung ist nicht nur Aufgabe des Gesetzgebers, sondern der gesamten Gesellschaft, genauso wie im Übrigen Gleichstellung nicht nur Frauensache ist, sondern die Männer mindestens ebenso stark fordert und im Idealfall ebenso gewinnen lässt. Gerade deshalb bin ich – vermutlich nicht nur ich – immer wieder erstaunt, dass insbesondere im Kulturbetrieb das Thema Gleichstellung noch derart optimierungsbedürftig ist. Gerade bei den Kulturschaffenden, die sich doch selbst gern als die Vorreiter einer modernen Gesellschaft und eines emanzipierten Frauenbildes verstehen, sollte man doch den höchsten Grad an real existierender Gleichberechtigung vermuten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht nur die scheinbar aufmüpfigen Schauspielerinnen in Hollywood weisen in den letzten Jahren vermehrt darauf hin, dass Rückständigkeit, Chauvinismus und patriarchalische Strukturen keineswegs auf konservative Berufsbranchen beschränkt sind, wo man dies erwarte.

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: So ist das!)

Was können und sollten wir als Politikerinnen also konkret tun, um die Gleichstellung nicht nur im Kulturbetrieb voranzubringen?

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dem Antrag zustimmen!)

Lassen Sie mich dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas genauer auf den vorliegenden Antrag der Grünen eingehen. Die erste und vielleicht wichtigste Forderung nach validem Datenmaterial zur Situation weiblicher Kulturschaffender wird, so denke ich, von allen Fraktionen unterstützt. Zu diesem Zweck hatte der Deutsche Kulturrat bereits für die Jahre 1994 bis 2014 in der Untersuchung „Frauen im Kultur- und Medienbetrieb“ den Anteil von Frauen in Führungspositionen betrachtet.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2014? Nein, das ist schon länger her!)

Die Forderung nach aktuellem Datenmaterial ist ebenfalls so gut wie erfüllt; denn die Studie wird vom Deutschen Kulturrat fortgesetzt. Wir erwarten die Ergebnisse noch in diesem Quartal.

Bemerkenswert ist allerdings Folgendes: Als der Kulturrat 2005 wegen der Fortsetzung der Studie „Frauen in Kunst und Kultur“ auf die Kultusministerkonferenz zugegangen ist, hatte diese zunächst kein Interesse. Nur dank der Initiative der Kulturstaatsministerin Professor Grütters

(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Aha!)

wurde die Studie nun doch umfänglich fortgesetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Länder, gerade auch die rot-grün regierten, leider auch im Kulturbetrieb oftmals ihrer eigenen Verantwortung nicht nachkommen, gleichzeitig aber den Bund zum Handeln auffordern.

Wie dem auch sei: Die Ergebnisse der Studie „Frauen im Kultur- und Medienbetrieb“ werden in den nächsten Wochen erwartet. Insofern war der vorliegende Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin nicht zielführend. Dennoch sind wir uns, denke ich, alle einig, dass die Gleichstellung im Kulturbetrieb zügig und drastisch verbessert werden muss. Denn schon die heute verfügbaren Statistiken, zum Beispiel die der Künstlersozialkasse, zeigen deutlich, dass sich die Situation von Frauen im Kunstbetrieb zumindest in einigen Sparten zwar durchaus verbessert hat, dass es aber noch längst keinen Anlass zur Entwarnung gibt.

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Ja, leider!)

Hier wie auch in anderen Bereichen sollten vor allem zwei Ziele angestrebt werden:

Erstens sollte der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und die Umsetzung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes sehr viel strenger als bisher kontrollieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Zweitens ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – mit längeren Öffnungszeiten von Behörden, flexi­bleren Arbeitszeiten und hochwertiger Kinderbetreuung – gerade für Frauen in Kunst und Medien von essenzieller Bedeutung. Denn ähnlich wie in der Politik sind auch in diesen Branchen per definitionem höchst familienunfreundliche Arbeitszeiten Fakt; das war übrigens auch in der öffentlichen Anhörung ein Thema.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht auch im Antrag!)

Auch die Forderung der Grünen, mehr Frauen in Jurys zu entsenden, ist absolut nachvollziehbar. Dies würde endlich der Tatsache Rechnung tragen, dass Frauen einen Großteil der Produzenten und Konsumenten ausmachen. Nicht nachvollziehbar ist dagegen der Ruf nach einer paritätischen Vergabe von Preisen und Förderprojekten. Der Garant künstlerischer Freiheit sollte hier immer Vorrang haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Männer sind automatisch besser, ja?)

Für mich steht fest: Frauen dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie Frauen sind. Sich aber nur durch das Frausein für ein Stipendium oder einen Preis zu qualifizieren

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Ja, genau! Nur wegen des Frauseins! Na, das ist ja klasse!)

– das gilt übrigens genauso umgekehrt –, das haben die hervorragenden Künstlerinnen in unserem Land ganz bestimmt nicht nötig.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, das hatten wir doch alles schon zigmal!)

Dazu passt ein Erlebnis, das ich genau heute vor einer Woche in Aachen hatte. Dort wurde der Deutsch-Französische Parlamentspreis verlieren. Es hat mich besonders gefreut, dass alle drei Preise an Frauen gingen. Wie unser Bundestagspräsident Professor Lammert so schön sagte: Dieser Fall ist im Statut nicht vorgesehen. – Er ist aber auch nicht ausgeschlossen und von daher umso erfreulicher.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätte er das bei Männern wohl auch so gesagt?)

Genau diese Offenheit im Ergebnis wünsche ich mir an ganz vielen Stellen.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das sieht man aber nicht an Ihrer Rede!)

Dass es leider auch die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung versäumen, mehr an Frauen zu denken, zeigt die Verleihung der Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz.

(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Aha!)

In den letzten drei Jahren wurden ausschließlich Männer damit geehrt.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist eine Jury, die das entscheidet!)

– Ja, sorry; aber es ist ein Landespreis, Frau Rößner. Da sind Sie durchaus beteiligt. Es liegt also nicht immer nur am Bund.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spricht ja dann doch für eine Quote!)

Sinnvoll finde ich beispielsweise die Forderung der Initiative „Pro Quote Regie“ nach einer Erhöhung des Frauenanteils bei Regisseuren

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regisseurinnen!)

bis 2020 auf 42 Prozent. Ein solches Quorum ist im Gegensatz zur starren Quote eine durchaus vernünftige und realitätsnahe Forderung, die ich, ebenso, wie es auch Staatsministerin Grütters tut, nur unterstützen kann.

(Zuruf des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Die Beauftragte für Kultur und Medien geht übrigens auch im eigenen Haus mit gutem Beispiel voran. Von den Führungspositionen in ihren 27 Fachreferaten sind inzwischen 12 mit Frauen und 15 mit Männern besetzt,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch so viele!)

was immerhin einem Frauenanteil von 44 Prozent entspricht.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Mit diesem guten Beispiel sollten eigentlich alle Ministerien und alle Häuser in öffentlicher Hand auf allen Ebenen vorangehen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU/CSU-Fraktion auch!)

– Ich schließe doch niemanden aus. Das ist doch völlig entspannt.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Sie ja nur ergänzt!)

– Das ist auch schön.

Mir bleibt also Folgendes festzuhalten: Gesetzliche Maßnahmen und vor allen Dingen ihre konsequente Umsetzung auf Bundesebene sind sicherlich sinnvoll. Gerade im Kulturbetrieb unterliegen viele wichtige Entscheidungen aber der Länderhoheit. Hier kann der Bund gar nicht alles regeln, selbst dann nicht, wenn es gewollt oder wünschenswert wäre. Von daher appelliere ich ausdrücklich auch an die Oppositionsparteien, Forderungen, wie die aus dem heutigen Antrag, vehement auch in den eigenen Reihen und in den von Ihnen mitregierten Ländern zu vertreten;

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir immer!)

denn egal ob im Bund oder in den Ländern: Die Gleichstellung von Männern und Frauen muss eine Selbstverständlichkeit werden. Dazu können wir alle beitragen:

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

als Politikerinnen, als Mütter, als Töchter, als Arbeitgeberinnen, als Erzieherinnen und in jeder anderen Rolle, die wir unserem Privat- und Berufsleben ausfüllen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was war jetzt mit den Männern?)

Als Mentorinnen müssen wir Frauen auch dazu animieren, eine mögliche Niederlage in Kauf zu nehmen, sich aber auf jeden Fall dem Wettbewerb zu stellen.

Den vorliegenden Antrag der Grünen lehnen wir ab. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir mit einer konsequenten Umsetzung der vorhandenen Rechtsmittel, mit einer breit geführten Gleichstellungsdebatte und mit einem kritischen Blick bei der Gremienbesetzung noch einiges für die Gleichstellung im Kulturbetrieb erreichen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Sigrid Hupach für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6570356
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Gleichstellung im Kulturbetrieb
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