19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 10

Astrid FreudensteinCDU/CSU - Gleichstellung im Kulturbetrieb

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Thema kommt komisch daher. Ausgerechnet im Kulturbereich sollen es Frauen besonders schwer haben. Ausgerechnet im Kulturbereich gibt es weniger weibliche als männliche Führungskräfte. Ausgerechnet im Kulturbereich verdienen Frauen schlechter als Männer. Ausgerechnet im Kulturbereich – so überschreiben Sie Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen – müssen die Grundlagen für die Gleichstellung von Männern und Frauen überhaupt erst geschaffen werden, und das im Jahre 2016. Ich finde das seltsam, und viele, mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe, finden das ebenfalls seltsam, vermutlich deshalb, weil wir der Kultur eigentlich das Anderssein zuschreiben, weil wir dort keine Hierarchien, keine gläsernen Decken und keine Männerbünde vermuten,

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Nein! Gar nicht!)

weil wir männliche Strukturen immer sehr stark in der Wirtschaft und auch in der Politik ansiedeln, aber eigentlich nicht so sehr im Bereich des Kulturellen. Und dann so etwas: Sie zeichnen das Bild einer Kulturszene, die sich quer durch alle Sparten als rückständige Machozone entpuppt. Dafür werden Zahlen bemüht und Statistiken herangezogen.

Das kommt für mich komisch daher und ist auch unglaubwürdig. Auf jeden Fall ist es das Thema wert, sich genauer damit zu befassen. Denn fest steht, dass Frauen Karriereprobleme haben. Sie haben Probleme, an Aufträge zu kommen, und sie haben Probleme, richtig gutes Geld zu verdienen.

(Zuruf von der LINKEN: Aber? – Dr. Eva Högl [SPD]: Da müssen wir noch was tun!)

Welche Gründe kann es dafür geben? Mir fallen mehrere ein. Ein Grund kann sein, dass diejenigen, die entscheiden, die Drehbücher, die Kunstwerke oder die Bewerberin schlichtweg nicht gut finden. Sie meinen, dass das, was angeboten wird, den Publikumsgeschmack nicht trifft, dass es nicht spannend genug ist, dass es sich nicht gut verkauft, dass die Bewerberin nicht die notwendige Qualifikation mitbringt.

Das ist zunächst ein ganz normaler Vorgang und keine Ungerechtigkeit. Das passiert jeden Tag in Personalabteilungen in dieser Republik, das läuft dann auch in der Kultur unter dem Begriff der „Freiheit der Kunst“. Denn über Geschmack kann man streiten – auch über den Geschmack von Redaktionen und Findungskommissionen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um strukturelle Probleme!)

Es gibt auch eine zweite Möglichkeit, warum Frauen im Kulturbereich nicht zum Zuge kommen: Die Drehbücher, die Kunstwerke, die Bewerberinnen sind gut, aber die, die entscheiden, haben schlichtweg keine Ahnung,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt!)

oder es sind durchgängig Frauenhasser, Frauenhasserinnen; sie geben den Zuschlag der Bewerberin deswegen nicht, weil sie eine Frau ist.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie das gesagt?)

Dafür fehlt mir zugegebenermaßen so ein bisschen die Fantasie. Das wäre auch verboten, und das wäre strafbewehrt – Gott sei Dank.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das denn behauptet? Das hat niemand behauptet, Frau Kollegin! Sie verzerren doch das Bild!)

Oder es sind einfach nur zu viele Männer in den Entscheidungsgremien.

An dem Punkt wollen Sie ja ansetzen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

Sie unterstellen nämlich, dass mehr Frauen in die Jurys und Gremien müssten, weil die sich dann wiederum öfter für Frauen entscheiden würden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen wir gar nicht!)

Ich muss Ihnen sagen, dass es dafür bisher keinen Anhaltspunkt gibt. Zum Beispiel sind die Redaktionen der großen Fernsehanstalten, von denen Sie sprachen – ARD und ZDF –, überwiegend schon weiblich besetzt. Ob sich das auswirkt, das zeigt uns vielleicht die neue Studie, auf die wir alle warten.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Überwiegend“ kann man nicht sagen! Die müssen ja erst neu besetzt werden!)

Möglichkeit drei, warum Frauen nicht so sehr zum Zuge kommen, ist, dass es vielleicht tatsächlich so ist, dass das, was Frauen anbieten, nicht passt. Die Frage, ob die Unterrepräsentanz von Frauen im Kulturbereich damit zu tun hat, dass Frauen öfter als Männer am Publikumsgeschmack vorbeiproduzieren, darf man zumindest stellen, meine ich.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Studie der Uni Rostock hat zum Beispiel ergeben, dass Frauen besonders häufig Dramen inszenieren, Männer sich hingegen lieber mit Komödien beschäftigen. Das sagt natürlich nichts über die Qualität der Arbeit von Frauen aus, aber fest steht, dass Komödien beim Publikum besser ankommen. Daran werden wir allerdings mit Quoten auch nichts ändern können.

Dann gibt es noch eine vierte Möglichkeit: Die Frauen können gar nicht so sehr zum Zuge kommen wie Männer, weil sie sich nämlich nicht so oft bewerben wie Männer.

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Ganz richtig!)

Das ist ein Punkt, der mir tatsächlich wichtig ist. Ich sitze seit acht Jahren im Personalausschuss meiner Heimatstadt, in Regensburg. Und eine Konstante gibt es dort, und zwar quer durch alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung und durch den gesamten Kulturbereich: Wo auch immer eine Führungsposition ausgeschrieben ist, bewerben sich deutlich weniger Frauen als Männer.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woran liegt das denn? – Zuruf von der LINKEN: Warum?)

Selbstzweifel sind offenbar zunächst einmal eine weibliche Eigenschaft. Ich meine aber schon, dass wir erst dann eine paritätische Besetzung einfordern können, wenn sich auf die Positionen, für die großen Projekte auch wirklich so viele Frauen wie Männer bewerben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bis dahin müssen wir Frauen immer und immer wieder ermutigen, ihren Hut auch wirklich in den Ring zu werfen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schieben es wirklich den einzelnen Frauen zu! Unglaublich! Sie verstehen die Strukturen nicht!)

Ich meine tatsächlich, dass die Frauen an dem Punkt an sich arbeiten müssen, sie müssen sich bewerben. Das glaube ich tatsächlich.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen die Struktur verbessern!)

Im Kulturbereich kommt erschwerend hinzu, dass die Arbeitszeiten alles andere als familienfreundlich sind. Film, Tanz, Theater – all das findet abends statt. Das Museum hat am Montag zu, ist aber am Wochenende offen. Und zur Vernissage kann man auch nicht am Dienstagmittag einladen, wenn der Sohn im Kindergarten ist. Mütter von kleinen Kindern haben es in der Kultur ausgesprochen schwer. Und an diesen zeitlich ungünstigen Rahmenbedingungen können auch alle Quoten nichts ändern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, dass wir bei dem Thema in erster Linie dort ansetzen müssen, wo wir der Branche und dann auch den Frauen wirklich helfen können: Wir brauchen höhere Produktionsetats bei den Fernsehanstalten und bessere Honorarvereinbarungen, wir brauchen im Sozialversicherungsrecht Regelungen, die dem freien Dasein der Künstler gerecht werden, und wir brauchen vor allem eine dauerhaft gute finanzielle Ausstattung der Kommunen, die nämlich einen Großteil der Kulturförderung in unserem Land tragen. Und das schaut in den Bundesländern sehr unterschiedlich gut aus.

Geschlechterquoten können hilfreich sein, um Prozesse anzustoßen. Bei der Vergabe von Aufträgen sind sie jedoch mit Sicherheit nicht hilfreich. Wir vergeben nämlich auch öffentliche Bauaufträge nicht paritätisch an Frauen und Männer, sondern an die Firma, die die geforderte Qualität zum besten Preis anbietet.

Wir lassen bei öffentlichen Architektenwettbewerben auch nicht gleich viele Frauen und Männer gewinnen. Ich finde das im Übrigen richtig, und ich würde mir wünschen, dass auch in der Kultur die Qualität das entscheidende Kriterium bleibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Burkhard Blienert für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6570451
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Gleichstellung im Kulturbetrieb
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