19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 21

Richard PitterleDIE LINKE - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (cum-ex)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Cum‑ex, das klingt nicht nur suspekt, sondern ist, drastisch gesagt, schlicht eine Schweinerei. Heute setzen wir auf gemeinsamen Antrag von Linken und Bündnis 90/Die Grünen einen Untersuchungsausschuss zu den Cum-ex-Geschäften ein.

Cum-ex-Geschäfte waren Aktiengeschäfte schwerreicher Investoren, die im Zeitraum von 1999 bis 2012 praktiziert wurden. Aktien wurden um den Dividendenstichtag kurz hintereinander einmal mit – „cum“ – und einmal ohne – „ex“ – Dividende gehandelt. Das führte dazu, dass am Ende der Transaktionen zwei Personen jeweils eine Bescheinigung über die auf die Dividende gezahlte Kapitalertragsteuer erhielten, obwohl diese nur einmal gezahlt worden war. Beide konnten sich diese Zahlung dann jeweils erstatten oder anrechnen lassen. Im Klartext: Einmal in die Staatskasse einzahlen, zweimal aus der Staatskasse kassieren. Der dadurch entstandene Schaden für den Fiskus und damit für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dürfte sich nach bisherigen Schätzungen auf 12 Milliarden Euro belaufen. Erst 2012 wurden diese Geschäfte durch eine Gesetzesänderung unterbunden.

Die wichtigsten Fragen, die der Untersuchungsausschuss zu klären haben wird, sind folgende: Wie kann es sein, dass die Bundesregierung, allem voran das Bundesfinanzministerium, jahrelang keine wirksamen Maßnahmen gegen diese Machenschaften getroffen hat, obwohl das Ministerium schon 2002 in einem Schreiben des Bankenverbandes auf die Cum-ex-Geschäfte hingewiesen wurde?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was haben die zuständigen Finanzminister Steinbrück und Eichel davon gewusst?

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das fragen wir auch!)

Für mich geht es nicht nur darum, subjektives Versagen der einzelnen Akteure herauszuarbeiten, sondern auch darum – das ist viel wichtiger –, die Mechanismen aufzuspüren, die einen Fehler so lange fortwirken ließen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht allein um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch um die Lehren für heute und für die Zukunft. Denn aus der Branche wird mir zugeflüstert, dass die Cum-cum-Geschäfte, die zurzeit laufen, auch nicht besser seien als Cum-ex.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Bei Cum-ex sollen mehr als 100 Finanzdienstleister im In- und Ausland in diese Machenschaften verwickelt gewesen sein. Nach und nach kommt die Lawine ins Rollen. Die DZ Bank, das Zentralinstitut der Genossenschaftsbanken, will sich von Mitarbeitern trennen, die in Cum-ex-Geschäfte verstrickt waren. Sie musste bereits 100 Millionen Euro an das Finanzamt nachzahlen.

Die HypoVereinsbank musste ebenfalls bereits 1 Million Euro Bußgeld zahlen. Der Maple Bank sind die Cum-ex-Geschäfte nun vollends zum Verhängnis geworden. Sie musste wegen hoher Steuerrückforderungen von der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, geschlossen werden.

Wir Linke können übrigens stolz darauf sein, dass wir einen großen Anteil daran haben, dass diese Geschichte überhaupt aufgearbeitet wird. Bereits in der letzten Legislaturperiode haben wir durch unsere Fragen zu dem Thema die Bundesregierung ins Schwitzen gebracht, und es zeigt sich immer mehr, dass wir den Nagel auf den Kopf getroffen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, den von uns geforderten Sonderermittler zur Aufarbeitung der Cum-ex-Geschäfte haben Sie leider verhindert und stattdessen selbst einen Untersuchungsausschuss vorgeschlagen. In der ersten Lesung des Antrags haben Sie dann mehrfach betont, dass Sie an der Aufklärung konstruktiv mitarbeiten wollen.

(Philipp Graf Lerchenfeld [CDU/CSU]: Das tun wir auch!)

Es hat mich gefreut, dass die SPD entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung einer Enthaltung gestern im GO-Ausschuss für den Antrag in der heute vorliegenden Fassung gestimmt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch die CDU sollte sich hier einen Ruck geben;

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn es geht um eine Aufklärung im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Christian Hirte für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6570510
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (cum-ex)
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