Christian HirteCDU/CSU - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (cum-ex)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 30 Millionen Euro – so viel soll Uli Hoeneß an Steuern hinterzogen haben; ein hübsches Sümmchen.
(Zuruf von der LINKEN)
Der Fall des einstigen Präsidenten des FC Bayern löste in Deutschland eine polarisierende Debatte über Steuerbetrug und Steuerflucht aus. Doch angesichts möglicher Enthüllungen rund um die sogenannten Cum-ex-Geschäfte sind Uli Hoeneß und andere Steuersünder wahrlich ganz kleine Fische.
Heute entscheiden wir über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu Cum-ex-Aktiengeschäften. Der GO-Ausschuss hat die notwendigen Vorarbeiten geleistet, sodass wir nun über einen kompetenz- und verfassungskonformen Einsetzungsantrag entscheiden können. Dank an die Kollegen aus dem GO-Ausschuss, namentlich vor allem an den Kollegen Dr. Stefan Heck, der für uns dort Berichterstatter war und darauf verzichtet hat, hier zu sprechen, sodass ich das heute tun darf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was sich gelegentlich wie ein Trinkspruch anhört – cum und ex –, könnte sich durchaus zu einem der spannendsten Wirtschaftskrimis der Bundesrepublik entwickeln. Es sollen Banken aus dem In- und Ausland den deutschen Fiskus jahrelang mit dubiosen Aktiengeschäften um Milliarden von Euro gebracht haben, indem sie sich durch Finanztransaktionen um den Dividendenstichtag herum eine einmal entrichtete Kapitalertragsteuer vom Finanzamt gleich mehrfach erstatten ließen. Weil Aktien so schnell gehandelt werden, dass offenbar nicht alle hinterherkommen, ist bei solchen Geschäften gelegentlich unklar, wem die Aktien am Dividendenstichtag eigentlich gehören, sodass wirtschaftliches und rechtliches Eigentum auseinanderfallen können. So können gleich zwei Handelspartner von ihren Banken in den Genuss einer Steuerbescheinigung kommen, die bares Geld wert ist.
Als erste deutsche Bank hat im Dezember letzten Jahres – wir haben es gerade schon gehört – die HypoVereinsbank aus München einen Bußgeldbescheid wegen Cum-ex-Geschäften akzeptiert. Die von der HVB eigentlich erhoffte Erstattung blieb aus, weil das Bundeszentralamt für Steuern zu ermitteln begann und Steuerfahnder hinter den gewaltigen Summen der Aktientransfers illegale Cum-ex-Geschäfte witterten. Nun musste die Bank nicht nur die Steuern zurückzahlen, sondern auch eine Geldbuße in Höhe von knapp 10 Millionen Euro zahlen.
Wegen zweifelhafter Steuergeschäfte mit Dividendentiteln stehen für Banken und andere Investoren Millionenbeträge auf dem Spiel. Nicht nur die HypoVereinsbank, auch die Commerzbank bzw. Dresdner Bank, die HSH Nordbank und die Schweizer Bank Sarasin haben sogenannte Cum-ex-Geschäfte mittlerweile eingeräumt. In der letzten Woche setzte die BaFin – auch das haben wir gehört – wegen Steuerrückforderungen in dreistelliger Millionenhöhe und der damit einhergehenden bilanziellen Überschuldung sogar den Handel der Maple Bank aus. Eine Reihe früherer Bankenvorstände muss sich auf Regressforderungen einstellen. Nicht zuletzt die WestLB und viele andere Institute und Beteiligte sind im Fokus der Ermittler.
Die Kreditinstitute und Beteiligten stellen sich auf hohe Steuernachzahlungen ein. Das wird wohl auch nötig sein, wie die Causa HVB zeigt. Liegen nämlich Umgehungstatbestände mit Verschleierungscharakter und kollusiven Absprachen vor, sind diese Cum-ex-Deals nicht nur illegal, sondern auch steuer- und strafbar. Hier sind bislang die Steuer- und Strafermittlungsbehörden aber genau ihren Aufgaben nachgekommen. Darüber hinaus sollen jetzt neben den genauen tatsächlichen und rechtlichen Umständen mit dem neu zu bildendenden Untersuchungsausschuss auch die Verantwortlichkeiten von Politik und anderen Beteiligten aufgeklärt werden.
Das Wort „Skandal“ wird ja meist inflationär benutzt, und auch die Kollegen Schick und Pitterle nutzen dieses Wort sehr gern – vielleicht etwas zu gern.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Skandal, oder was?)
Und wer weiß: Möglicherweise werden wir im Laufe unserer Untersuchungen noch so manches finden, was uns mit dem Kopf schütteln lässt.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist nur ein Krimi! Es ist kein Skandal!)
Wir sollten daher die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht mit allzu großen Tönen, Superlativen und Pathos belasten. Wir sind hier nämlich nicht auf Skalpjagd, sondern wir sollten versuchen, unvoreingenommen Sachverhalte, Rechtslage und Verantwortlichkeiten aufzuklären.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann mal los!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor einer schwierigen Aufgabe, die sich anders als bei Uli Hoeneß vielleicht nicht im allergrellsten Scheinwerferlicht der Presse und der Medien abspielen wird. Deshalb möchte ich dringend davor warnen, dass Linke und Grüne Vorverurteilungen in skandalisierender Weise vornehmen. Das soll der Ausschuss ja eigentlich erst aufklären.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was meinen Sie damit eigentlich genau?)
Wer dies tut, weil es ihm in den politischen Kram passt, kann der Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht gerecht werden.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir Fragen stellen?)
Der Themenkomplex ist schwierig, die Aktenlage unübersichtlich, und die Rechtslage lässt Raum für mancherlei Interpretationen, vielleicht auch für Überraschungen. Gerade deshalb sollten wir sehr sorgfältig prüfen. In diesem Sinn werden wir als Union konstruktiv an der Aufarbeitung mitarbeiten.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dann gucken wir mal!)
Ich persönlich freue mich darauf.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat der Kollege Dr. Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6570527 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 156 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (cum-ex) |