19.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 21

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (cum-ex)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ab kommender Woche werden wir den wohl größten Steuerskandal untersuchen,

(Christian Hirte [CDU/CSU]: Skandal!)

den die Bundesrepublik Deutschland bislang erlebt hat und hoffentlich je erleben wird. Unser Ziel ist, dass wir endlich aufhören, unsere Steuergelder an Trickser und Betrüger am Finanzmarkt zu verschleudern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es ist zahlreichen Millionären und über 120 Finanzinstituten gelungen, uns Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen zwischen 2002 und 2012 geschätzte 12 Milliarden Euro aus der Tasche zu ziehen. 12 Milliarden Euro: Damit hätten wir in diesen zehn Jahren 24 000 Lehrerinnen und Lehrer kontinuierlich beschäftigen und bezahlen können. Das ging nicht, weil einige Leute eine große Umverteilungsmaschine von Bürgern zu Banken und Millionären in Gang gesetzt haben, die sozusagen kontinuierlich Geld von unten nach oben pumpt. Wir Grünen wollen, dass diese Umverteilungsmaschine gestoppt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Denn das Problem ist ja – das hat der Kollege Pitterle angesprochen –, dass diese damalige Umverteilungsmaschine leider in wohl nur leicht veränderter Form heute weiter arbeitet und weiter viel Steuergeld von uns allen verloren geht an Leute, die am Finanzmarkt tricksen. Ich will, dass der Staat seine redlichen Bürgerinnen und Bürger vor solchen Betrügereien schützt; denn diese skrupellosen Banker, Steuerberater und Investoren gefährden den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Andreas Schwarz [SPD])

Doch wir als Abgeordnete dürfen uns nicht damit begnügen, die Missetäter zu verurteilen, sondern wir müssen uns fragen, was alles schiefgelaufen ist, damit diese über zehn Jahre ungeschoren ihr Unwesen treiben konnten. Genau dies soll im Untersuchungsausschuss geschehen. Wir wollen untersuchen, und zwar ohne Vorverurteilungen, vielmehr Fragen stellen, warum das Bundesministerium der Finanzen über zehn Jahre brauchte, dem Treiben ein Ende zu gebieten, obwohl es an Hinweisen nicht mangelte. Warum hat auch die Bankenaufsicht nur zugesehen, obwohl Banken solch hohe Risiken eingegangen sind, dass eine erste jetzt schon deswegen geschlossen wurde? Wieso wurde eigentlich die Steuerverwaltung so spät aktiv, obschon Steuererstattungen beansprucht wurden, die an Höhe überhaupt keinen Sinn mehr ergaben? Und warum haben wir eigentlich Landesbanken im öffentlichen Eigentum, wenn auch diese die Öffentlichkeit ausplündern? Das sind keine Vorverurteilungen, sondern das sind ganz konkrete Fragen.

Herr Hirte, den Begriff „Schweinereien“ für all dies hat Ihr eigener Kollege Olav Gutting – und nicht ich – in einer der früheren Debatten, die wir zu diesem Thema beantragt hatten, genannt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zustimmung des Abg. Andreas Schwarz [SPD])

Aber ich finde, recht hat er. Eine Schweinerei ist es. Deshalb soll man es auch so benennen.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nichts gegen Schweine! – Heiterkeit)

Leider wird die Koalition unserem Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses heute nicht zustimmen. Sie haben, Herr Hirte, keinerlei Begründung dafür genannt, warum Sie meinen, dass man diese Fragen nicht aufklären sollte. Ich würde mich freuen, wenn die Vertreterinnen und Vertreter der Koalition uns mal erklären würden, warum sie nicht mit uns zustimmen. Ich hoffe, dass Sie – nachdem Sie unseren Antrag auf Einsetzung eines Sonderermittlers abgelehnt haben und auch andere Wege der gemeinsamen Aufarbeitung mit uns nicht gehen wollten – jetzt trotzdem konstruktiv die gemeinsame Aufarbeitung im Ausschuss mittragen werden. So habe ich Sie verstanden. Ich hoffe, dass das in der Praxis dann auch so sein wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Denn diese Aufarbeitung ist zentral.

Noch immer wissen viele Bürgerinnen und Bürger nichts von dem, was da passiert ist. Und immer, wenn ich davon spreche, fragen mich Menschen erschüttert, warum sie eigentlich noch nichts davon erfahren haben. Ich meine, Politik und Medien dürfen sich nicht immer nur mit den einfachen Dingen beschäftigen. Wir müssen die großen Probleme angehen, auch wenn es kompliziert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wie gesagt, diese Geschäfte gehen in einer etwas anderen Form weiter. Und es gibt immer noch Leute an den Finanzmärkten, die skrupellos genug sind, die Allgemeinheit zu schädigen und jede Schwäche, die es da gibt, zu nutzen. Dieses ewige Hase-und-Igel-Spiel zwischen einigen Experten am Finanzmarkt und uns als Gesellschaft muss endlich beendet werden. Für uns Grüne geht es bei dieser ungewollten Umverteilung von unten nach oben um Fairness und Gerechtigkeit, aber letztlich auch um die Verlässlichkeit unseres Staates. Für diese Werte treten wir ein.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Andreas Schwarz für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6570528
Wahlperiode 18
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (cum-ex)
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