Günter Krings - Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen haben uns die erschreckenden Vorfälle in den sächsischen Orten Clausnitz und Bautzen bestürzt. So erschütternd diese jüngsten Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte auch sind, so stehen sie doch leider in einer Reihe mit inzwischen weit über 1 100 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte seit dem 1. Januar des letzten Jahres.
Solche Taten finden sich in allen Teilen Deutschlands, auch wenn sie in manchen Regionen, gerade in den neuen Ländern, in einer besonderen Häufung auftreten. Diese Geschehnisse – darin sind wir uns, denke ich, alle einig – sind in jeder Hinsicht inakzeptabel. Die aus diesen abscheulichen Taten sprechende Menschenverachtung kann von allen, die auch nur ein Mindestmaß an Empathie empfinden, nur auf das Schärfste verurteilt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir werden nicht zulassen, dass Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, gefährdet und bedrängt werden, und zwar egal, ob ihnen dieser Schutz nun dauerhaft zusteht oder nicht.
Es ist richtig: Die Demonstrations- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in der Demokratie, und als Demokrat muss ich bereit sein, eine Menge an Dummheit und geistigem Unrat in der öffentlichen Debatte auszuhalten. Es ist für mich aber schwer, ja eigentlich gar nicht nachvollziehbar, was Menschen dazu treibt, ihren Protest nicht an die Adresse der Politik zu richten, sondern sich als Mob zusammenzurotten und ihre Aggressionen gerade an den Menschen auszulassen, die bei uns Schutz suchen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Offensichtlich erleben wir hier in manchen östlichen Regionen unseres Landes auch die Spätfolgen einer jahrzehntelangen, auch repressiven Abschottung in der Zeit bis 1989.
(Zuruf von der LINKEN: Das ist Käse!)
Aber ich misstraue, offen gestanden, allen, die für diese Vorgänge im Osten wie im Westen mit allzu einfachen und einseitigen Erklärungen aufwarten. Für mich ist vor allem wichtig, dass wir feststellen, dass nichts so falsch ist wie der verlogene Schlachtruf dieser Leute „Wir sind das Volk“.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Menschen, die vor einem Vierteljahrhundert mit diesem Ruf ein demokratisches und vereintes Deutschland gegen die damals herrschende Diktatur einer Einheitspartei erstritten haben, waren von den Ideen der Freiheit und der Menschenrechte getragen. Weiter weg von den Idealen dieser friedlichen Revolution des Herbstes 1989 kann man sich gar nicht begeben, wenn man sich in die Gesellschaft derer begibt, die in Clausnitz, Bautzen und anderswo dumpf und zynisch genau diese Ideale mit Füßen treten, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir wissen, dass sich hier eben nicht das Volk äußert. Die Gewalttäter und Randalierer vor den Flüchtlingsheimen, aber auch der harte Kern von Pegida und Co. bilden in Wirklichkeit das, was sie anderswo gerne anprangern, nämlich eine Parallelgesellschaft mitten in unserem Land.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Sie bilden eine Parallelgesellschaft, weil sie grundlegende Regeln und Werte unseres Rechtsstaates ablehnen. Sie bekämpfen politische Entscheidungen nicht mit Worten, sondern mit Gewalt. Sie begegnen damit auch der parlamentarischen Demokratie mit Verachtung, und sie verhöhnen diejenigen, die ihnen als Repräsentanten unseres Staates gegenübertreten, seien es Feuerwehrleute oder Polizisten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist daher aus meiner Sicht auch richtig und wichtig, dass wir hier im Bundestag ein klares Bekenntnis dazu abgeben, dass wir denjenigen, die für uns und unseren Rechtsstaat tagtäglich ihren Kopf hinhalten, den Rücken stärken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das gilt für Polizisten und alle Einsatzkräfte, denen wir von Köln bis Clausnitz in diesen Monaten besondere Verantwortung und besonders schwierige Einsätze abverlangen.
Natürlich gehört es auch zu einem Rechtsstaat, dass polizeiliches Handeln nötigenfalls zum Gegenstand einer Überprüfung werden kann und soll. Ich habe aber – das sage ich ganz offen – kein Verständnis dafür, wenn von Berlin aus, Hunderte Kilometer entfernt vom Ort der schrecklichen Vorfälle, manche meinen, sie könnten anhand einer 90-sekündigen Handyvideosequenz beurteilen, ob ein Einsatz fehlerhaft oder gar unrechtmäßig war. Das ist Illusion des Dabeigewesenseins, aber nicht ein wirklich sachkundiger Beitrag.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Fairness und Respekt sollten wir hoffentlich im Konsens aller Demokraten auch im Umgang mit allen Einsatzkräften, auch den Polizisten, zeigen.
Wir setzen zum einen auf Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte im Kampf gegen gewalttätige und hetzende Extremisten. Diesen Tätern begegnen wir mit null Toleranz. Ich erwarte daher, dass die zuständigen Behörden alle Straftaten, für die sich in Clausnitz, Bautzen oder anderswo ein Anfangsverdacht ergibt, mit aller Konsequenz verfolgen und dass die Täter schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dass wir auf der Grundlage entsprechender Informationen auch hart und konsequent handeln, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière mehrfach gezeigt, zuletzt etwa durch das Vorgehen gegen die Gruppe „Oldschool Society“ oder das jüngste Verbot der rechtsextremistischen und ausländerfeindlichen Internetplattform Altermedia Deutschland.
Zum anderen gehen wir präventiv vor und unterstützen das bürgerschaftliche Engagement gegen Extremisten, beispielsweise mit Angeboten der politischen Bildung, deren Förderung in diesem Jahr zu Recht noch einmal deutlich verstärkt wurde.
Meine Damen und Herren, leider können staatliche Fördergelder alleine eine Gesellschaft gegen Extremismus nicht immunisieren. Es kommt letztlich auf die Menschen an, die sich für Mitmenschlichkeit und Demokratie einsetzen. Hier sollten wir bei aller Erschütterung über die jüngsten Bilder von Gewalt und Hetze vor allem nicht an der Stärke unserer Demokratie verzagen. Der Weimarer Republik, deren Geschichte uns in diesem Gebäude täglich umgibt, hat man nachgesagt, sie sei gescheitert, weil sie eine Demokratie ohne Demokraten gewesen sei. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass das Engagement vieler Bürger, auch in der aktuellen Flüchtlingskrise, beweist, dass unsere Bundesrepublik voller Demokraten ist, meine Damen und Herren.
Als Demokraten bieten wir den Extremisten die Stirn. Wenn wir in dieser Debatte genau dazu einen Beitrag leisten wollen, dann können wir das, wie ich hoffe, indem wir auf kleinliches Gezänk verzichten und stattdessen ein Zeichen der Entschlossenheit und Geschlossenheit setzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Kollegin Haßelmann erhält das Wort zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6590474 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen |