Günter BaumannCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hofreiter, in Ihrer Rede war kein „Augenmaß“ zu erkennen. Das war ein Frontalangriff gegen Sachsen, gegen rechtschaffene Menschen, die dort arbeiten. So können wir das Thema nicht aufarbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Blödsinn! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Angriff auf eine Staatsregierung, die seit Jahren die Augen vor der Realität verschließt, Herr Kollege!)
Der Ruf Sachsens und Deutschlands ist durch einzelne Bürger, die sich außerhalb des Gesetzes befinden, zu Schaden gekommen.
(Michael Leutert [DIE LINKE]: Es sind nicht einzelne! Es sind viele!)
– Das sind einzelne Bürgerinnen und Bürger, gegen die wir vorgehen müssen. – Angriffe gegen Asylbewerber, gegen Flüchtlingsheime, gegen Helfer, gegen Ehrenamtliche können wir nicht hinnehmen. Die müssen wir aufs Schärfste verurteilen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Bild von klatschenden Menschen vor einem brennenden Asylbewerberheim in Bautzen oder von grölenden Menschen in Clausnitz, die einen Bus stoppen wollen, ist für uns alle, meine Damen und Herren, unerträglich.
(Beifall der Abg. Bärbel Bas [SPD])
Lieber Uli Grötsch, ein Frontalangriff gegen alle Sachsen hilft uns nicht weiter und ist absolut ungerecht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Das hat er nicht gemacht!)
Das Bild einzelner Ereignisse der letzten Tage entspricht nicht unserem Sachsen. Das zu behaupten, ist ungerecht gegenüber den Menschen, die ehrlich arbeiten und jeden Tag ihren Job machen.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Also, ich habe mich bei Grötschs Rede nicht angesprochen gefühlt, obwohl ich auch in Sachsen wohne!)
– Sie habe ich auch gar nicht angeschaut.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja, ja! Ich meine nur! Das war kein Frontalangriff!)
Ich sage hier ganz deutlich: Die Blockierer von Clausnitz und die Brandstifter von Bautzen sind nicht das Volk. Das Volk sind die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen, die ehrlich ihre Arbeit machen, die Demokraten sind und sich jeden Tag rechtstreu verhalten.
Ich sage Ihnen auch – darüber können Sie sich gleich bestimmt wieder empören –: Wir sind stolz auf unser Sachsen,
(Beifall bei der CDU/CSU)
auf ein weltoffenes Sachsen, auf das, was wir nach der politischen Wende geschafft haben. Wir stehen in Sachsen wirtschaftlich, auf dem Gebiet des Tourismus, bei Infrastruktur und Kultur gut da.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber nicht mehr lange, wenn das so weitergeht! Viele wollen doch schon weg aus Dresden!)
Darauf sind wir stolz. Das kann uns auch keiner nehmen, auch nicht die fremdenfeindlichen Menschen, die auf der Straße herumgrölen.
Wir müssen die Vorkommnisse gemeinsam und mit aller Konsequenz aufarbeiten, und wir müssen die Asylbewerber, die zu uns nach Sachsen kommen und Hilfe brauchen, ordentlich behandeln und auch schützen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wie denn?)
Ich möchte ganz deutlich sagen: Als sächsischer Abgeordneter möchte ich mich für das Handeln der pöbelnden Menschen und der Brandstifter bei den Asylbewerbern und den Bürgern, die ehrenamtlich tätig sind, entschuldigen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Keinerlei Entschuldigung gibt es für diejenigen, die mit allen Mitteln gegen unser Land arbeiten. Sie müssen unsere Härte zu spüren bekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann über die gegenwärtige Asylpolitik diskutieren, und man kann auch verschiedene Meinungen dazu haben – aber das im demokratischen Rahmen, nicht auf der Straße und nicht mit Gewalt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Ich sage Ihnen auch deutlich, was mich so traurig macht: Sachsen hat gar nicht die größten Probleme. Der Anteil der Asylbewerber, die wir 2015 aufgenommen haben, betrug, gemessen an der Einwohnerzahl Sachsens, 1,3 Prozent. Wir haben insgesamt einen Ausländeranteil von 2 Prozent. Das sind im Vergleich zu anderen Regionen keine hohen Zahlen.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja, eben! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt auch keine Muslime! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?)
Deswegen ist es so traurig, dass es hier zu diesen Vorfällen gekommen ist.
Das Schlimme ist auch, dass wir die Sache einseitig betrachten. Wir müssen sehen: Es gibt auch in Sachsen eine Willkommenskultur. Es gibt Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, Asylbewerber begrüßen und sich für sie einsetzen. Johanniter, DRK, Malteser, THW und Polizei – ich könnte noch mehr aufzählen – leisten unheimlich viel. Auch darauf können wir stolz sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, mit Recht stellen in Deutschland Journalisten, Politiker und auch andere die Frage – auch Uli Grötsch hat sie angesprochen –: Warum gibt es in Sachsen mehr solcher Vorfälle, sowohl im bundesdeutschen Vergleich als auch im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern? Eine abschließende Antwort wird hier und heute keiner von uns geben können. Jeder wird versuchen, aus seiner Sicht Gründe zu finden.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Grund ist die CDU in Sachsen! – Gegenruf der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU]: Also wirklich! Dafür sollten Sie sich entschuldigen! Sie wissen doch ganz genau, dass das so nicht ist!)
Ursachenforschung ist dringend notwendig, um ein Stück voranzukommen. Ich stelle klar und deutlich die Frage, ob die Programme, die wir haben und für die wir sehr viel Geld zur Verfügung stellen – zur Demokratieförderung, zur Extremismusberatung, zu Intervention und Prävention im Rahmen von Aussteigerprogrammen; zu nennen ist auch das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ –, wirklich effektiv sind, ob sie ausreichen oder ob wir noch mehr brauchen.
(Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Was ist denn die Alternative?)
Dieser Umstand ist auch ein Widerspruch dazu, dass Sachsen bei PISA im Vergleich zu anderen Regionen ständig mit die besten Plätze belegt. Darauf sind wir stolz. Die Frage ist aber: Ist die politische Bildung in unseren Schulen zu schwach besetzt? Müssen wir hier noch mehr tun?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Diese Fragen müssen wir uns ohne Schaum vor dem Mund ehrlich stellen und die Dinge aufarbeiten. Wir dürfen uns aber nicht gegenseitig frontal beschimpfen.
Ich sage auch deutlich: Die Polizeireform in Sachsen, in deren Rahmen in den letzten Jahren 20 Prozent der Stellen abgebaut wurden, war aus meiner Sicht nicht der richtige Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Inzwischen wurde hier eine Korrektur eingeleitet. Wir wollen wieder mehr Polizisten einstellen.
Ich glaube, noch etwas ist wichtig: Wenn Asylbewerber in Asylheimen untergebracht werden, müssen wir mehr als bisher im Vorfeld mit den Bürgern der Gemeinden ausführlich in einen Bürgerdialog treten und versuchen, allen Menschen die Ängste zu nehmen. Es ist ja ein Zeichen von Angst, wenn man auf die Straße geht und sagt: Ich will das so nicht. – Es wurde auch statistisch festgestellt: In Orten, in denen hier im Vorfeld mehr getan wurde, ist die Zahl der Angriffe und Pöbeleien ein ganzes Stück geringer.
Zusammenfassend sage ich: Sachsen ist nicht rechtsradikal und auch nicht ausländerfeindlich. Es gibt ausländerfeindliche Aktionen von Einzelnen, die wir mit der ganzen Härte unseres Gesetzes verfolgen müssen. Meine Damen und Herren, Ursachenforschung ist für uns entscheidend wichtig; wir dürfen aber niemals alle Sachsen unter Generalverdacht stellen.
Zum Schluss gestatten Sie mir noch einen Satz: Es ist auch nicht hinzunehmen, dass am Montag dieser Woche ein Anschlag von Chaoten gegen die sächsische Landesvertretung in Berlin erfolgte. Das geht beim besten Willen nicht. Gewalt war nie eine Lösung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Caren Lay ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen |