Michael LeutertDIE LINKE - Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass Clausnitz und Bautzen keine Einzelfälle sind, sondern dass sie sächsische Normalität, sächsischer Alltag sind. Im Übrigen: Dies gilt nicht erst seit Pegida und nicht erst, seit der Mob in Freital und in Heidenau auf der Straße ist, sondern das ist sächsische Realität seit 25 Jahren. Das ist Ergebnis ganz bewusster CDU-Politik auf Landes- und Kommunalebene.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich will auf verschiedene Punkte hinweisen: 1997 gab es die SSS, Skinheads Sächsische Schweiz. Sie konnten fünf Jahre lang ihr Unwesen in der Sächsischen Schweiz treiben. Kein Wunder, dass die NPD 2004 mit 9,2 Prozent in den Landtag eingezogen ist. Ich habe gedacht, das sei ein Alarmsignal. Sie war damit fast so stark wie die Sozialdemokraten. Sie hat in der Sächsischen Schweiz fast 25 Prozent geholt. Das wurde damals damit abgetan, das seien Einzelfälle.
Sturm 34 – 2006, 2007 in Mittweida. In Mügeln – wer sich noch daran erinnert; so lange ist es noch nicht her – prügelte 2007 ein aufgebrachter Mob von 50 Leuten mehrere Inder durch die Stadt und skandierte: Hier herrscht der nationale Widerstand. – Das ist sächsische Realität. Im Übrigen: Auch der NSU hat in Sachsen Unterschlupf gefunden.
Wenn Sie wissen wollen, wie es auf kommunaler Ebene aussieht, schauen Sie sich den Landkreis Mittelsachsen an. Dort gibt es einen Landrat, der Matthias Damm heißt. Er war in den 90er-Jahren CDU-Chef in Mittweida. Dort komme auch ich her. Ich war damals Vorsitzender eines Jugendvereins. Wir hatten ein Jugendhaus. Natürlich sind wir regelmäßig von Nazis angegriffen worden. Wissen Sie, was die Stadt gemacht hat? Wir haben Bußgeldbescheide bekommen wegen Verunreinigung des öffentlichen Raums, weil die Scherben noch auf der Straße lagen.
Nicht nur wir sind angegriffen worden. Die Katholische junge Gemeinde ist angegriffen worden. Es gab Schwerverletzte. Wir sind ins Krankenhaus gefahren, haben uns gekümmert und Anwälte besorgt. Wir durften nicht einmal den Film „Hitlerjunge Salomon“ in den Schulen vorführen, weil uns gesagt wurde, die Schulen seien keine öffentlichen Aufführungsanstalten. So wurden uns Knüppel zwischen die Beine geworfen.
Im Übrigen war Matthias Damm einmal bei uns im Jugendhaus – mit Polizei, als das Jugendhaus dichtgemacht wurde. Die Nazis hat es gefreut.
Im Jahr 2007, als der Sturm 34 Mittweida fest im Griff hatte und als mein Abgeordnetenbüro fünf-, sechsmal angegriffen wurde, haben wir eine Demo organisiert. Der Bürgermeister hatte alle Hände voll damit zu tun, das zu verhindern. Er wollte einen Feuerwehrumzug machen, damit wir nicht durch die Straßen konnten. Er hat versucht, den evangelischen Pfarrer davon abzuhalten, an der Demo teilzunehmen und dort zu sprechen, was natürlich schiefgegangen ist. Er hat sogar die Hochschule einen Tag vorher schließen lassen. Die ausländischen Studierenden sind nach Freiberg geschafft worden, damit ja niemand an der Demo teilnehmen konnte. 2 000 waren dann da. Auch heute noch einmal recht herzlichen Dank für die hohe Beteiligung an der Demo.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Damals war er Bürgermeister in Mittweida, jetzt ist Matthias Damm Landrat, und es passiert das in Clausnitz. Was macht er? Er sagt: Der Heimleiter ist versetzt worden, und zwar zu seinem Schutz. – Die Polizei ermittelt gegen die Flüchtlinge. Das ist sächsische Realität. Genau das ist im Übrigen die Politik, die dazu führt, dass der rechte Mob auf der Straße ist; denn er fühlt sich nicht nur im Recht, in Sachsen fühlt er sich in Sicherheit. Das ist das Problem.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
So funktioniert das im Übrigen auch auf Landesebene. Ich habe schon gesagt: Demonstranten, die sich in Dresden den Nazis in den Weg stellen, wird nicht Danke gesagt, sondern die werden angeklagt und verfolgt. Das SEK ist mit brachialer Gewalt in Vereinsräume eingebrochen und in die Büros von Anwälten gegangen, um Computer und Flugblätter zu beschlagnahmen.
Herr Kollege, kurzer Blick auf die Uhr.
Ich schaue. Danke für den Hinweis.
(Heiterkeit)
Bitte ein konsequenter Blick auf die Uhr.
Es ist hier angesprochen worden: Die Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, und wir auf Bundesebene können etwas dafür tun, indem wir die Programme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit aufstocken und so ausstatten, dass die Zivilgesellschaft damit etwas anfangen kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Andrea Lindholz, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6590654 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 157 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen |