Norbert Lammert - Einführung beschleunigter Asylverfahren
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Keine Sorge, ich komme heute nicht mit neuen Vorschlägen zum Asylrecht aus der Länderebene. Ich halte es – im Gegensatz zur baden-württembergischen CDU – mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit Herrn Kauder, der vor kurzem gesagt hat: „Jeden Tag neue Vorschläge führen, glaube ich, nicht zum Ziel.“
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin gerne gekommen, um Ihnen die Erwartungen und auch die Notwendigkeiten aus Ländersicht näherzubringen. Wir alle machen doch tagtäglich die Erfahrung, dass die Menschen in Deutschland erwarten – wie ich meine: zu Recht –, dass sich Bund und Länder nicht in gegenseitigen Schuldzuweisungen übertreffen. Sie erwarten, dass sich die Politik, dass wir uns alle angemessen unserer gemeinsamen Verantwortung in der Flüchtlingsfrage stellen. Wolfsgeheul oder populistische Vorschläge, ob auf Wahlplakaten zum Ausdruck gebracht oder in Kameras gesprochen, helfen jedenfalls nach meinem Dafürhalten nicht weiter.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, dann machen Sie hier auch keinen Wahlkampf!)
Als Innenminister des Landes Baden-Württemberg bin ich mir dieser gemeinsamen Verantwortung durchaus bewusst, und deshalb werde ich alle Anstrengungen der Bundesregierung und des Bundestages unterstützen, die wirklich helfen, die gemeinsamen Herausforderungen, und zwar die der gesamten Bandbreite, gemeinsam zu meistern: von Aufnahme und Unterbringung über Rückführung und Abschiebung bis hin zur Integration derer, die bei uns bleiben können.
Die Länder sind in ihrem Handeln auf den Bund angewiesen. Wenn man von uns Ländern stringentes Handeln erwartet, dann muss der Bund die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir konsequent handeln können.
(Beifall des Abg. Rainer Spiering [SPD] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen wir zum Beispiel heute!)
Ich sage ausdrücklich: Wir müssen konsequent handeln können zum Schutz der Menschen, die aus Angst um ihr Leben vor Krieg und Zerstörung zu uns flüchten und einen Anspruch auf Aufnahme haben, konsequent aber auch gegenüber denjenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Deshalb hat der Bundestag, haben Sie Ende des letzten Jahres erste richtige Weichen im Asylrecht gestellt.
Aber ich will schon sagen: Mit der Aufnahme von Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste sicherer Herkunftsstaaten ist es nicht getan.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein, wir wollen ja auch noch Algerien, Tunesien und Marokko! Können wir gemeinsam machen!)
Die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, müssen effizient genutzt und auch bis zum Verfahrensende angewandt werden können. Deshalb haben wir in Baden-Württemberg unter meiner Verantwortung eine Stabsstelle Flüchtlingsunterbringung und auch einen Arbeitsstab „Rückkehrmanagement“ eingerichtet. So konnten wir im vergangenen Jahr die Zahl der Abschiebungen in unserem Bundesland mehr als verdoppeln.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Weniger als das Bundesland Hessen!)
Was mir noch wichtiger ist – darauf sollten vielleicht auch andere ihr Augenmerk richten –: Die Zahl der freiwilligen Ausreisen konnten wir um 150 Prozent erhöhen.
(Beifall bei der SPD)
Das macht im Übrigen deutlich, welche der beiden Maßnahmen die erfolgreichere ist.
Machbar war das Ganze deshalb, weil Sie dafür gesorgt haben, dass die Verfahren optimiert werden konnten und weil wir auch eine gezielte Beratung zur freiwilligen Ausreise installieren konnten. Ich wiederhole: Mit dieser Beratung waren wir wesentlich erfolgreicher als mit zwangsweisen Rückführungen.
Um diesen Weg weiterzugehen, muss die Diskussion um die Aufnahme weiterer Länder wie Marokko, Algerien und Tunesien zu einem Abschluss gebracht werden.
(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Können wir heute machen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn Sie das jetzt noch Ihrer Fraktion erklären!)
Vor allem ist es zwingend notwendig, dass in Verhandlungen mit diesen Staaten – auch da sind Sie wieder gefordert – das Laissez-Passer-Verfahren anerkannt wird. Wir alle wissen doch, dass Letzteres überhaupt erst ermöglicht, dass in vielen Fällen die Rückführung, übrigens auch die freiwillige, tatsächlich funktionieren kann.
Insofern bin ich sehr froh, dass die Bundesregierung nun den Vorschlag zur Schaffung einer Clearingstelle Passbeschaffung, den Baden-Württemberg bereits Mitte des letzten Jahres in die Diskussion eingebracht hat – es sei mir gestattet, darauf hinzuweisen –, konkret umsetzen möchte. Auch hiervon erwarte ich mir weitere wertvolle Verfahrensbeschleunigungen.
Meine Damen und Herren, wir wissen doch alle auch – da muss man sich immer wieder ein Stück weit ehrlich machen –: Vielfach scheitern Rückführungsversuche aus vorgebrachten medizinischen Gründen. Um hier teilweise unnötigen Verzögerungen von Rückführungen, aber auch von Missbrauch – das gehört zur Wahrheit dazu – entgegenzuwirken, müssen die Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste im Zusammenhang mit Abschiebungen präzisiert werden. Auch das beinhaltet ja dieses Paket. Aber selbstverständlich muss sichergestellt sein – darüber gibt es überhaupt keine Diskussion, finde ich jedenfalls –, dass auch zukünftig schwere, gravierende Erkrankungen einer Abschiebung entgegenstehen.
(Beifall bei der SPD)
Wir sprechen hier aber auch über beschleunigte Verfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen. Baden-Württemberg – unser Bundesland – kann darauf verweisen, dass wir mit unserem zentralen Registrierungszentrum in Heidelberg bereits eine entsprechende Einrichtung geschaffen haben. Waren es ursprünglich – ja, da gab es auch Handlungsbedarf – die Landesprozesse, die wir dort optimieren und beschleunigen mussten, kamen später – auch da gab es Handlungsbedarf – die Bundesprozesse hinzu. Beides haben wir jetzt nahezu optimal miteinander vernetzt. Das heißt, wir haben ein Konzept aus einem Guss geschaffen.
Das sogenannte baden-württembergische Modell, meine Damen und Herren, ist bundesweit beispielgebend.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
– Ich weiß gar nicht, warum darüber gelacht wird, wenn uns der Bundesinnenminister bei einem Besuch vor Ort diesbezüglich eine hohe Effizienz und gute Arbeit bescheinigt hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage dies deshalb, meine Damen und Herren, weil derart geordnete und beschleunigte Strukturen uns nicht nur bei der Steuerung bei der Flüchtlingsunterbringung helfen, sie vermögen auch das Sicherheitsrisiko zu minimieren und insbesondere besondere Schutzräume für Frauen und Kinder zu schaffen.
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hänsel zu?
Gerne.
Bitte schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6594060 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Einführung beschleunigter Asylverfahren |