Sebastian HartmannSPD - Einführung beschleunigter Asylverfahren
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der bereits zitierte Willy Brandt formulierte vor 36 Jahren, 1980, in der Einleitung zum Nord-Süd-Bericht: „Die Globalisierung von Gefahren und Herausforderungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert eine Art ‚Weltinnenpolitik‘.“ Die Flüchtlingskrise ist der Brennpunkt von Innen- und Außenpolitik. Das belegt die Notwendigkeit eines solchen Gedankens der Weltinnenpolitik.
(Beifall bei der SPD)
Zweiter Gedanke, meine Damen und Herren: Die Rahmenbedingungen für uns Deutsche sind gut: 19 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss, ein hoher Bundesbankgewinn, wie gestern bekannt wurde, und mit 43 Millionen Erwerbstätigen in diesem Land eine so hohe Beschäftigung wie nie zuvor.
„Wir schaffen das“ bedeutet: wenn wir es wollen. Aus dem „Wir schaffen das“ leitet sich eine Gesamtverantwortung ab. „ Wir schaffen das“ ist der Leitgedanke eines umfassenden Programms. Dieser Leitgedanke ist ein Appell an alle politisch Handelnden und Verantwortungsträger auf allen staatlichen Ebenen: Bund, Länder und Kommunen.
(Beifall bei der SPD)
Aber lassen Sie uns endlich damit aufhören, alles nur in Schwarz und Weiß zu denken. Deutschland ist und bleibt ein liberales, weltoffenes Land, das international geachtet wird und seine besondere Verantwortung besonnen wahrnimmt.
(Beifall bei der SPD)
Dafür stehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht nur theoretisch ein, sondern in Regierungsverantwortung in den Ländern und im Bund.
(Beifall bei der SPD)
Lassen Sie uns insbesondere aber auch damit aufhören, Tag für Tag über singuläre hektische Maßnahmen zu reden. Das ist kleingeistig und wenig zielführend. In einer immer komplexeren Welt gibt es keine einfache Lösung, die man in einem Satz zusammenfassen kann.
(Beifall bei der SPD)
Mehr noch: Es ist keine Politik. Politik muss nach Erhard Eppler Ziele und Orientierung bieten. Politik, so wird er zitiert, kommt aus der Frage, wie Menschen leben wollen und wie nicht. Sie formuliert das Gemeinwohl gegenüber den Einzelinteressen. Politik ist etwas anderes als der Vollzug von Sachzwängen. Politik braucht Ziele, Entwürfe und Utopien und muss auch die Spannung zwischen Entwurf und Wirklichkeit aushalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen Augenmaß und kühlen Kopf, Herz und frohen Mut.
Ich benenne drei Herausforderungen. Was ist jetzt zu tun? Die erste Herausforderung ist das Fundament jeder Lösung dieser Krise: Wir müssen die Krisenstaaten und die Regionen stabilisieren, um den Zuzug zu reduzieren, um Flucht durch Bekämpfung von Fluchtursachen unnötig zu machen. Das gelingt nur international und europäisch. Die Kanzlerin und Frank-Walter Steinmeier allen voran setzen sich jeden Tag dafür ein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Manche mögen zweifeln und denken, dass Deutschland überfordert sei. Aber wir sind nicht allein. Deutschland ist stark und kann viel. Es war niemals unser Ziel, allein zu handeln. Zur Wahrheit gehört auch: Deutschland hat eine Verantwortung, die unteilbar ist und die wir wahrnehmen.
Die zweite Herausforderung ist unsere strukturelle Verantwortung als Bund. Wir müssen alles tun, was zur Ordnung und Beschleunigung der Verfahren nötig ist. Wir müssen diese Verfahren ordnen, um den Menschen schneller zu eröffnen, wer bleiben kann und wer eine Perspektive hat, um endlich mit der Integration zu beginnen. Darüber hinaus müssen wir aber auch den anderen sagen: Ihr habt keine Perspektive; ihr habt keine Chance. – Das ist übrigens nichts anderes als die Herrschaft des Rechts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber wir erwarten auch vom Innenminister, dass alle Zusagen betreffend Verfahrensbeschleunigung und Personalgewinnung, die öffentlich getroffen worden sind, eins zu eins eingehalten werden. Sonst kommt es nicht zur Ordnung der Verfahren.
Die dritte Herausforderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen und wir können die langfristige Herausforderung meistern und diese Krise als echte Chance nutzen, um neue Mitbürger zu integrieren, um den Standort Deutschland zu stärken und um gemeinsam stärker zu werden. Das ist die zentrale Ebene, die wir national beeinflussen können. Wir wissen: Erfolgreiche Integration ist ein Gewinn, kulturell und moralisch, aber auch wirtschaftlich.
(Beifall bei der SPD)
Wie wollen wir zukünftig zusammenleben? Das ist die Frage, die wir jetzt beantworten müssen. Integration erfasst alle: die, die hier leben, und die, die neu hinzugekommen sind. Das ist Integration. Es ist kein loses Miteinander oder Nebeneinander. Integration fußt für mich auf einem neuen Gesellschaftsvertrag, der von allen hier Lebenden – ich betone: allen hier Lebenden – positiv geschlossen werden muss. Es geht uns alle an. Dann kann Integration ein echter Erfolg für unser Land sein und eine Gesellschaft prägen, die das zukünftige Deutschland ist.
(Beifall bei der SPD)
Es ist richtig: Wir brauchen einen Integrationsplan. Wir brauchen einen Integrationspakt für Deutschland. Aber wir fangen nicht bei null an. Wir wissen genau, was zu tun ist. Wir haben in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe sehr deutlich gemacht, wo die Herausforderungen und die Handlungsfelder bestehen. Wir haben darüber hinaus in diesen Tagen in meinem Heimatland Nordrhein-Westfalen den ersten Integrationsplan vorgelegt. Wir fangen nicht bei null an. Wir wissen genau, was zu tun ist.
(Beifall bei der SPD)
Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Integration gelten auch für diejenigen, die hier leben. Kein anständiger Deutscher kann sich auf unseren Rechtsstaat berufen, wenn er Molotowcocktails auf Asylbewerberheime schmeißt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kein anständiger Deutscher darf sich darauf berufen! Die Werteordnung ist auch zu leben.
Sprachförderung, Integrationskurse, Arbeitsmarkt, Bildung sowie Wohnungsbau und Quartiere, das alles gehört zusammen. Wir wissen, dass das auch finanziert werden muss. Wir werden über einen längeren Zeitraum mehr Geld brauchen, und zwar für die Bewältigung der Folgen der Demografie sowie für Integration und Migration. Wenn wir aber die notwendigen Mittel investieren, dann kommt jeder Euro mehrfach zurück.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sehr zentral in einem föderalen Staat ist: Es kann nicht sein, dass allein die Kommunen diese Aufgabe tragen und für die Integration zahlen müssen, die späteren Gewinne einer erfolgreichen Integration aber vor allen Dingen auf Landes- und Bundesebene sowie in den Sozialkassen vereinnahmt werden. Das müssen wir gemeinsam anpacken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Abschließend: Wenn ich heute – genauso wie ein großer Teil meiner SPD-Bundestagsfraktion – dem zweiten Asylpaket zustimme, dann tue ich das in der Erwartung, dass es zu einer echten Verfahrensbeschleunigung kommt, ohne die Qualität und die Angemessenheit jeder Einzelfallentscheidung und ‑prüfung infrage zu stellen.
(Beifall bei der SPD)
Ich tue das in der Erwartung, dass wir nun weitgehend alles Erforderliche in den Asylpaketen I und II getan haben. Damit reicht es dann aber auch. Wir können uns nun endgültig der Integration und den nächsten Integrationspaketen zuwenden. Wir müssen aber die Vereinbarung, die wir in der Koalition getroffen haben, auch einhalten.
(Beifall bei der SPD)
Die Herausforderung liegt auf der Hand.
Herr Kollege.
Die Verständigung auf den gemeinsamen Integrationspakt steht noch aus.
Herr Kollege.
Wenn wir aber mutig sind und Orientierung bieten, dann schaffen wir das. Dann machen wir das.
Ich möchte enden mit den Worten eines großen Deutschen, von Heinrich Heine: „Ein kühnes Beginnen ist halbes Gewinnen.“
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Jutta Eckenbach für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6594364 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Einführung beschleunigter Asylverfahren |