25.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 158 / Tagesordnungspunkt 5

Matthias SchmidtSPD - Integrationspolitik

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen in diesen Tagen sehr viel über Demokratie, und das hat seinen Grund. Die Bilder aus Clausnitz und Bautzen haben uns alle erschüttert und zeigen: Genau hierauf muss unser Augenmerk liegen, und das nicht erst seit diesen Vorfällen. Alle Demokratinnen und Demokraten waren und sind gefordert, dazu eine Haltung einzunehmen; denn Hetze, Gewalt und Terror gegen Menschen, die bei uns Schutz suchen, betreffen uns alle. Feinde von rechts bekämpfen nicht nur Flüchtlinge. Sie bekämpfen die Demokratie. Hier müssen wir zusammenstehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben dieses Thema in der gestrigen Debatte ausführlich erörtert und haben es gemeinsam als ein sächsisches Phänomen beschrieben. Aber seien wir ehrlich: Es ist nicht ein rein sächsisches Phänomen, sondern ein deutsches Phänomen. Wir alle haben in unseren Wahlkreisen Flüchtlingsunterkünfte. Ich denke, nicht nur in den Flüchtlingsunterkünften in meinem Wahlkreis, sondern auch in denen in Ihren Wahlkreisen wird von der Zivilgesellschaft hervorragende Arbeit geleistet, vor der wir alle nur täglich den Hut ziehen können. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Würde eine Flüchtlingsunterkunft bei mir im Wahlkreis brennen, was Gott verhüten möge, dann müsste ich sagen: Ich kenne die Leute in meinem Wahlkreis, die davor stehen und applaudieren würden. Diese Entwicklung, die in Sachsen schon weiter vorangeschritten ist, dürfen wir nicht hinnehmen, sondern, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen dagegen gemeinsam aufstehen und als Demokraten Geschlossenheit zeigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin sehr froh, in einem Land zu leben, in dem Schutzsuchende noch immer ein Dach über dem Kopf bekommen und ein faires Verfahren. Das muss auch so bleiben. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen greift nun einen Aspekt heraus, um die Demokratie zu stärken, nämlich die Integration. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe Ihnen recht: Die Integration von Flüchtlingen ist gelebte Demokratie. Sie zu stärken, ist ebenfalls ein wichtiges Ziel, absolut d’accord.

Nun ist das allerdings nur ein Aspekt. Zu Recht sprechen Sie auch das Asylverfahren an, werfen es aber immer mit der Integration in einen Topf. Da geht einiges durcheinander. Darum will ich versuchen, das ein wenig zu ordnen.

Welche Abfolge, welche Schritte durchläuft ein Flüchtling? Die erste Phase ist die von der Einreise bis zur Antragstellung. Diese Phase ist unerträglich lang. Ich habe davon gehört, dass man für die Terminvergabe zur Antragstellung im BAMF einen Vorlauf von neun Monaten braucht. Das kann nicht sein. Wir müssen alle dafür sorgen, dass diese Frist verkürzt wird. Wir müssen darüber auch mit der Bundesregierung reden. Ich glaube, das ist überwiegend ein exekutives Problem, aber möglicherweise ist es auch legislativ. Darüber müssen wir gemeinsam nachdenken.

Erst nach dieser Phase beginnt der zweite Teil, nämlich das eigentliche Asylverfahren beim BAMF. In unserem Koalitionsvertrag haben wir uns geeinigt, dass das gesamte Asylverfahren nicht länger als drei Monate dauern soll. Das ist unverändert weiter unser Ziel. Der Koalitionsvertrag stammt allerdings aus dem Jahr 2013, und die Anzahl der Flüchtlinge hat sich inzwischen verfünffacht. Wenn man die fünffache Zahl von Menschen in das System hineinbringt, dann ist es völlig klar, dass das ganze System mehr Zeit braucht. Gleichwohl hat die Koalition bzw. die Bundesregierung auch beim BAMF gehandelt und wichtige und richtige Schritte unternommen.

Nach Abschluss des Asylverfahrens gibt es, grob gesagt, zwei Möglichkeiten: Entweder bekommt der Flüchtling einen anerkannten Schutzstatus, kann bleiben und muss integriert werden, oder er muss zurückgeführt werden. Ich finde, bei diesem Teil müssen wir unbedingt die freiwillige Ausreise noch stärken. Da gibt es einen Wildwuchs in den Ländern. Lassen Sie uns das genauer ansehen. Innenminister Gall hat das heute sehr detailliert dargestellt.

Kommen wir zum eigentlichen Gegenstand Ihres Antrags, der Integration. Natürlich gibt es da einen Zusammenhang: Wenn die Verfahren so beschleunigt sind, dann wird sich das auch positiv auf die Integration auswirken. In Ihrem Antrag wird das allerdings – ich habe es schon gesagt – ein wenig vermischt.

Sie fordern ein Integrationskonzept und machen das Asylverfahren zum Bestandteil der Integration. Ich finde, das ist nicht zielführend. Wir sollten das sauber voneinander trennen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht aber nicht!)

Sie kritisieren in Ihrem Antrag erheblich die Bundesregierung. Ich finde, damit haben Sie nicht recht. Ja, die Verfahren dauern insgesamt viel zu lange, wie gesagt. Aber es wurde auch einiges auf den Weg gebracht.

Mir ist klar, dass Sie als Opposition die Regierung nicht loben müssen. Aber Sie sollten auch nicht alles negieren, was die Große Koalition auf den Weg gebracht hat.

Die vielen neuen Stellen beim BAMF habe ich bereits genannt. Das BAMF hatte kürzlich noch 1 600 Mitarbeiter, inzwischen sind es über 4 000. Wir haben mit dem sogenannten Datenaustauschverbesserungsgesetz den einheitlichen Ausweis, den Ankunftsnachweis, eingeführt. Im Bereich der Integration wurden die Mittel erheblich aufgestockt, und einen erleichterten Arbeitsmarktzugang gibt es bereits seit Juli 2014.

Lassen Sie uns das so zusammenfassen: Es wurde bereits gehandelt, und die Große Koalition handelt weiter. Dennoch gibt es in Ihrem Antrag selbstverständlich viele Dinge, die ich auch begrüße: Wohnkonzepte, Bildung, Gesundheitsversorgung, der Kampf gegen Hetze. Das ist alles richtig.

Gleichwohl: Die Koalition führt ihren Kurs weiter. Wir werden die Verfahren weiter beschleunigen, und zwar von der Einreise bis zum Ende des Asylverfahrens. Wir werden die freiwillige Rückkehr stärken und die Integration vorantreiben. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen in den Ausschüssen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Luise Amtsberg, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6594817
Wahlperiode 18
Sitzung 158
Tagesordnungspunkt Integrationspolitik
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