25.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 158 / Tagesordnungspunkt 5

Rainer SpieringSPD - Integrationspolitik

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon immer die Redner bedauert, die kurz vor der namentlichen Abstimmung sprechen mussten, weil sie gegen diesen Bienenschwarm anreden mussten. Jetzt hat es mich selbst erwischt. Gut, dann ist das so.

Herr Kollege, vielleicht nutzen wir die Gelegenheit: Wollen wir versuchen, für einen kurzen Moment Ruhe einkehren zu lassen? Es sind so viele gekommen, die noch den Schluss der Integrationsdebatte unbedingt hören wollen. Denen wollen wir Gelegenheit geben, zuzuhören.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Ich habe während der Zeit, als ich zugehört habe, gedacht: Was wäre wohl, wenn du als Berufsschullehrer diese Plenardebatte übertragen hättest und deine Klasse teilgenommen hätte? Ich stelle mir die Frage, ob es bei diesem großen Thema sinnvoll ist, Länderbashing zu betreiben, weil wieder irgendwo Wahlkampf ist. Ich glaube, es ist vor dem Hintergrund dieses Themas nicht notwendig und auch nicht richtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe über viele Jahre als Berufsschullehrer mit jungen Menschen unterschiedlicher Kulturen zu tun gehabt. Es sind junge Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern gewesen. Ich kann Ihnen sagen: Es hat immer Spaß gemacht, es hat viel Freude gemacht, und es hat uns alle bereichert. Aber es gibt auch Erfahrungen dazu: Du kannst jede Gruppe und jede Klasse immer nur begrenzt belasten. Das heißt, wenn wir integrieren wollen, dann müssen wir die Kapazitäten für die Integration haben, um sie gut durchführen zu können. Das wollen wir, und das können wir.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Bemerkung, bei der es mir um unser Land geht. Deutschland ist das Land in Europa, das am ehesten die Fähigkeiten und die Kraft hat, diese Anstrengung überhaupt durchzuführen; Deutschland hat die Kraft und die Fähigkeit, es zu tun. Aber dann muss man dem Land auch die Möglichkeit geben, sich entsprechend zu entwickeln. Das müssen wir behutsam machen, und zwar über Integrationsschritte. Wir müssen die Integration gut, gezielt und dosiert durchführen, damit wir jede und jeden auf dem Wege mitnehmen können.

Meine Erfahrung in den Klassen ist folgende gewesen: Wenn ich mich intensiv genug mit den jungen Menschen, und zwar aller Kulturen und aller Nationalitäten, übrigens inklusive der deutschen Nationalität, befasst habe, dann war am Ende des Tages klar: Es gilt eins in Deutschland für jede, für jeden, für jeden aus jeder Kultur – das deutsche Grundgesetz und nichts anderes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich habe den Antrag der Grünen intensiv gelesen; ich habe mit dem Kollegen Mutlu gerade darüber gesprochen. Dieser Antrag hat mir einige Denkaufgaben gegeben. Ich habe darin einen Passus gefunden, der zumindest für mich sehr nachdenkenswert war: Dort geht es um die Frage, wie wir das Riesenpotenzial der deutschen Berufsbildung zur Integration nutzen.

Ich sage Ihnen einmal über alle Parteigrenzen hinweg und vor allem mit der großen Hinwendung an unser Land, das es geschafft hat, diese Berufsbildung durch die Menschen dieses Landes über 50 Jahre zu stabilisieren und weiterzuentwickeln, übrigens mit allen Länderregierungen und mit allen Bundesregierungen, ohne dass man dazu irgendein Länder-Bashing durchführen muss: Die deutsche Berufsbildung ist das, was wir erhalten haben. Die deutsche Berufsbildung ist am ehesten dazu in der Lage, die Probleme, die wir haben, anzupacken und zu lösen. Es gilt immer noch: Hand, Herz, Kopf. Wir können die Menschen an den Werkbänken zusammenführen, und wir können sie zusammen arbeiten lassen. Wenn sie das schaffen, dann schaffen sie die Interaktion vor Ort durch Bewältigung gemeinsamer Projekte.

Insofern lautet mein großer Aufruf: Lassen Sie uns die Berufsschulen in diesem Land stärken. Lassen Sie den Berufsschulen den Raum, die Zeit und die Kraft, Integration durchzuführen; denn sie sind der Ort, wo Interaktion an einem sächlichen Beispiel stattfinden kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das können wir leisten.

Aber dafür müssen wir unsere Bemühungen in den Schulen intensivieren. Dazu gehört als erstes Medium in der Tat die Sprache. Egal ob ich Physik, Chemie, Mathematik oder irgendetwas anderes unterrichte: Ich kann nur über die Sprache kommunizieren. Wir müssen auch in die Berufsschulbildung eine wesentlich bessere Stärkung der deutschen Sprache einfließen lassen, um die Menschen, die zu uns kommen, teilhaben und mit uns interagieren zu lassen. Erst wenn das geschieht, können sie verstehen, übrigens auch das Grundgesetz, und dementsprechend handeln. Deswegen meine dringliche Aufforderung, die Sprachförderung zu verbessern.

Was wir zur Stärkung der Berufsschulen auch brauchen, ist, dass mehr Sozialarbeiter in Haupt- und Realschulen, in die berufsbildenden Schulen gehen, damit die Probleme, die jetzt zwangsläufig auftreten, gelöst werden können. Das zu bewerkstelligen, ist eine Bundesaufgabe. Damit kann man die Länder nicht alleinlassen; das gilt für alle Länder, auch für Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt. Sie brauchen an dieser Stelle unsere Hilfe. Die Bundesrepublik Deutschland kann es.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6594900
Wahlperiode 18
Sitzung 158
Tagesordnungspunkt Integrationspolitik
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