25.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 158 / Tagesordnungspunkt 8

Wilfried OellersCDU/CSU - Befristungen im öffentlichen Dienst

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode beraten wir zum sechsten Mal einen Antrag der Fraktion Die Linke zum Befristungsrecht.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wir können noch mehr!)

Zum ersten Mal thematisieren Sie die Befristungen im öffentlichen Dienst, die Sie stoppen wollen. Ihre Forderungen sind trotz geänderter Überschrift gleich geblieben. Sie wollen die sachgrundlose Befristung, den Befristungsgrund der Erprobung und die Möglichkeit der sogenannten Haushaltsmittelbefristung abschaffen. Den Katalog der Sachgründe wollen Sie als abschließend ansehen sowie eine Sachgrundbefristung nur mit einer einmaligen Verlängerung vorsehen. Alle diese Forderungen stellten Sie bereits mit Ihrem letzten Antrag hierzu vor etwa viereinhalb Monaten vor, nun lediglich in einem anderen Gewand.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist passiert?)

Darüber hinaus fordern Sie nun die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass im öffentlichen Dienst nicht befristet eingestellt wird. Natürlich sehen wir von der Union auch am liebsten nur unbefristete Arbeitsverhältnisse. Die Realität zeigt jedoch, dass dies aus den unterschiedlichsten Gründen nicht immer möglich ist.

Richtigerweise stellen Sie fest, dass die Befristungen von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst häufiger vorzufinden sind als in der Privatwirtschaft; diese Feststellung machen Sie erstmals. Um die Befristung jedoch in einer Gesamtschau darzustellen, sei erwähnt, dass nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2014 die Befristungsquote der Kernerwerbstätigen im Alter von 15 bis 64 Jahren bei 6,9 Prozent lag. Dies ist der niedrigste Stand seit 2005.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Berücksichtigt man, dass vor 2005 die Erhebungen aufgrund einer ungenauen Methode ermittelt wurden, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Werte sogar die niedrigsten seit 25 Jahren sind; zwischenzeitlich war sogar ein Anstieg auf circa 9 Prozent zu verzeichnen.

Stiegen die Befristungen bis 2010 im Rahmen der Wirtschaftskrise an, so ist seit 2010 ein stetiger Rückgang zu verzeichnen. So kommen Menschen auch in schwierigen Zeiten in Arbeit. Diese Entwicklung kann doch nur als positiv bezeichnet werden. Sie zeigt vor allem auch, dass die Befristungen ein wichtiges Flexibilisierungsinstrument sind, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten angemessen reagieren zu können.

Wenn dann in wirtschaftlich guten Zeiten Befristungen rückläufig sind wie zurzeit, dann zeigt dies auch, dass die Arbeitgeber verantwortungsvoll mit diesem Flexibilisierungsinstrument umgehen und es, der wirtschaftlichen Situation angemessen, anpassen.

Mit dieser Feststellung kann ich natürlich nicht ausschließen, dass in Einzelfällen Missbrauch betrieben worden ist bzw. betrieben wird. Diese Fälle sind mit der derzeitigen Rechtslage aber lösbar. Hierzu gilt es jedoch, die Gerichte anzurufen. Einzelne Missbrauchsfälle dürfen in meinen Augen nicht dazu führen, dass gesetzliche Regelungen verschärft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit verhindert man nicht die Missbrauchsfälle. Man verhindert sie nur dadurch, dass sie gerichtlich aufgeklärt und sanktioniert werden.

Mit einer Verschärfung trifft man zuallererst diejenigen, die redlich handeln, und schränkt sie weiter ein, da sie sich an die neue Rechtslage halten werden. Es kann aber nicht das Ziel sein, den Großteil der redlichen Unternehmer und Arbeitgeber durch schärfere Regelungen zu bestrafen, nur weil es einige schwarze Schafe gibt, die mit geltendem Recht sanktioniert werden können.

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Befristungen neben ihrer Flexibilisierungsfunktion auch eine Brücke für Arbeitslose in den Arbeitsmarkt darstellen.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Die Übernahmequote ist bemerkenswert; Sie sollten sie sich anschauen, Frau Krellmann. Bei 43 Prozent befristeter Neueinstellungen im Jahr 2014 wurde eine Übernahmequote von 58 Prozent erreicht, Tendenz steigend.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: 58 sind nicht 100!)

Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht aus dem Jahr 2015 zu der Feststellung, dass gerade die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung häufig als eine Brücke in den Arbeitsmarkt fungiert.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Das stimmt nicht!)

– Lesen Sie sich die Feststellungen des IAB durch.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Diese Juristen sind eine Katastrophe!)

Das ist darauf zurückzuführen, dass die sachgrundlose Befristung eine unbürokratische Einstellungsmöglichkeit darstellt.

Berücksichtigt man all das vor dem Hintergrund der Rekordbeschäftigungszahlen – über 43 Millionen Erwerbstätige, über 30 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei circa 2,9 Millionen Arbeitslosen –, so zeigt dies, dass die derzeitige Rechtslage, natürlich gepaart mit der guten wirtschaftlichen Situation, die Menschen in Arbeit bringt, und das muss doch auch schließlich unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Altersgruppe von 15 bis 24 Jahre eine Befristungsquote von 23 Prozent ausweist, da sie in den folgenden Altersgruppen bis hin zur ältesten Altersgruppe – 55 bis 64 Jahre – auf 3,7 Prozent absinkt. Dies zeigt: Auch wenn der Berufseinstieg zunächst durch eine Befristung erfolgt, so geht er in der Regel in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wieso lassen Sie die jungen Leute so prekär?)

Betrachtet man den Bereich des öffentlichen Dienstes genauer, so macht man folgende Feststellung: Beim gesamten Befristungsanteil im Jahr 2014 von 10,3 Prozent liegt der Schwerpunkt der Befristungen im wissenschaftlichen Bereich.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das ist ja noch schlimmer!)

Das IAB hat in seinem Forschungsbericht festgestellt, dass die Befristungen im öffentlichen Dienst lediglich 5,6 Prozent betragen würden, wenn man den wissenschaftlichen Bereich einmal ausklammern würde.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aha!)

Betrachtet man die Entwicklung von 2004 bis 2014, so stellt man zwar einen Anstieg von 4,3 Prozent auf 5,6 Prozent fest; allerdings ist der Befristungsanteil seit 2010 leicht rückläufig. Eine derartige Quote ist sicherlich vertretbar und erfordert keine gesetzlichen Veränderungen und schon gar keine Verschärfung der Rechtslage.

Anders muss man dies sicherlich bewerten, wenn man sich die Befristungsanteile in den wissenschaftlichen Einrichtungen anschaut, die etwa 50 Prozent der Befristungen im öffentlichen Dienst ausmachen. Die Entwicklung in diesem Bereich ist als sehr kritisch zu bewerten. Lag der Befristungsanteil im Jahre 2004 insgesamt bei 26,3 Prozent, stieg er bis 2014 auf insgesamt 43,6 Prozent an. Die Entwicklung im wissenschaftlichen Bereich bedurfte also einer gesonderten Betrachtung.

Daher haben wir uns in der Koalition das Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 genauer angeschaut. Es regelt die Bedingungen der befristeten Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter während der Qualifizierungsphase. Die rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen des Gesetzes führten dazu, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur Einjahresverträge erhielten und der erste Vertrag meist sogar eine Laufzeit von unter einem Jahr hatte. Diesen Fehlentwicklungen ist die unionsgeführte Koalition im letzten Jahr durch ein Änderungsgesetz entgegengetreten, mit dem unsachgemäße Kurzbefristungen für junge Wissenschaftler künftig verhindert werden. Sachgrundlose Befristungen sollen nach dem neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz nur in Ausnahmefällen möglich sein. Wissenschaftliche Mitarbeiter mit Daueraufgaben wie zum Beispiel Angestellte, Labor- oder Technikmitarbeiter dürfen keine sachgrundlos befristeten Verträge mehr erhalten. All diese und weitere Verbesserungen werden im kommenden Monat, im März 2016, in Kraft treten.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wieso gilt das nicht überall?)

Damit ist ein wesentlicher Bereich der Befristungen im öffentlichen Dienst durch die unionsgeführte Koalition verbessert worden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies wird die Zahl der Befristungen insgesamt, aber insbesondere im öffentlichen Dienst, reduzieren und den Menschen damit Planungssicherheit geben.

Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht zu dem Ergebnis, dass befristete Beschäftigungen im öffentlichen Sektor vielfach zum Einsatz gebracht werden, um temporäre Personalausfälle zu kompensieren. Mich freut es, in diesem Zusammenhang ein positives Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen zu können: Eine Behörde hatte insgesamt vier Mitarbeiter im Wege der Schwangerschaftsvertretung befristet beschäftigt. Rechtlich war dies nicht zu beanstanden. Nach einigen Verlängerungen der Arbeitsverträge, erneut im Wege der Schwangerschaftsvertretung, entschied der Behördenleiter, diese vier Mitarbeiter unbefristet einzustellen, um den Mitarbeitern Planungssicherheit zu geben und weil er der berechtigten Annahme war, dass Schwangerschaftsvertretungen in seinem Hause auch zukünftig erforderlich sein werden.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch!)

Besonders freut mich natürlich, dass der Behördenleiter Mitglied der CDU ist.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Toll! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt wohl bei Ihnen auch gute Leute!)

Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Linken, muss ich sagen, dass wir als Union sehr verantwortungsbewusst mit der Befristung umgehen. Die notwendigen Rechtsveränderungen wurden bereits vorgenommen. Natürlich müssen wir als Gesetzgeber die Entwicklung weiter genau beobachten und gegebenenfalls Änderungen vornehmen;

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Abschaffung der sachgrundlosen Befristung! Ihr Beispiel hatte einen Sachgrund!)

aber mit Augenmaß. Ihre Vorschläge haben dieses Augenmaß nicht. Die Befristung ist in der derzeitigen Form als Flexibilisierungsinstrument und als Brückenfunktion zu erhalten, weil sie den Menschen im Ergebnis zugutekommt.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6595197
Wahlperiode 18
Sitzung 158
Tagesordnungspunkt Befristungen im öffentlichen Dienst
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