25.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 158 / Tagesordnungspunkt 9

Lisa PausDIE GRÜNEN - Europäisches Einlagensicherungssystem

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einschneidende Finanzkrisen überfordern jedes noch so stabile nationale System, auch das deutsche. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen: Nur in Irland und Griechenland wurde mehr Steuergeld für die Rettung strauchelnder Banken ausgegeben als in Deutschland. Unsere Landesbanken waren es, die während der Finanzkrise mehr von der Freigiebigkeit unseres Finanzministers als von der viel beschworenen Institutssicherung der Sparkassen profitierten. Auch die Einlagensicherung der Privatbanken wurde von der Pleite des deutschen Ablegers von Lehman Brothers völlig überfordert. Schon heute besteht also eine Rückversicherung in Deutschland als Gratisleistung des deutschen Steuerzahlers. Aber genau damit, meine Damen und Herren, muss ein für alle Mal Schluss sein in Deutschland und in Europa.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deswegen müssen die deutsche Kreditwirtschaft und der deutsche Finanzminister ihre Fundamentalopposition gegenüber einem europäischen Einlagensicherungssystem endlich aufgeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch auch die Europäische Kommission macht einen Fehler, wenn sie die schrittweise Vergemeinschaftung der Einlagensicherung fordert. Wir finden, klüger wäre eine europäische Rückversicherung der nationalen Töpfe, die nur im Falle einer nationalen Überlastung greift. Ein solches europäisches Rückversicherungssystem bietet ausreichend Sicherung und ausreichend Gestaltungsspielraum, um funktionierende nationale Systeme wie die Institutssicherung der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken und das in sie bestehende Vertrauen der Bankkunden zu bewahren. Die Refinanzierung der Rückversicherung sollte aus unserer Sicht über risikobasierte Gebühren der Banken und nicht über nationale Systeme erfolgen.

Aber was machen Sie? Anstatt dem Ansinnen der Kommission mit einem vernünftigen Gegenvorschlag, wie ich ihn gerade skizziert habe, im Geiste der europäischen Gemeinschaft zu begegnen, stoßen Sie unsere Partner in Europa durch sture Denkverbote nur vor den Kopf.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das kann man so nicht sagen!)

Sie poltern in Ihrem Antrag, dass „Vorschläge für die Errichtung einer europäischen Einlagensicherung, auch in Form einer Rückversicherung, nicht akzeptabel sind“. Warum verbauen Sie hier wertvolle Optionen für die Zukunft? Wenn Sie sich eine europäische Einlagenversicherung zwar nicht jetzt, aber mittelfristig durchaus vorstellen können, wie im Ausschuss und auch hier zu vernehmen war, warum steht das dann nicht im Antrag, meine Damen und Herren von der Koalition?

(Manfred Zöllmer [SPD]: Weil es einen konkreten Vorschlag der Kommission gibt, der jetzt auf dem Tisch liegt! Genau deshalb!)

Warum stattdessen diese bockige Verweigerungshaltung mit offenen Drohgebärden gegenüber unseren europäischen Nachbarn? Das ist nicht nur destruktiv. Es ist auch nicht besonders glaubwürdig für die Sozialdemokratie, wenn deutsche Sozialdemokraten hier Nein sagen, aber in Brüssel Ja sagen.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Das soll bei den Grünen auch schon mal vorgekommen sein!)

Das trägt nicht zu Ihrer Glaubwürdigkeit bei und ist auch gefährlich, meine Damen und Herren. Denn eines hat uns die Euro-Krise doch gelehrt: Kundeneinlagen bei Banken müssen sicher sein – überall in Europa.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Und Risikokonzentrationen müssen vermieden werden! Das ist der Punkt an Versicherungssystemen!)

Der integrierte Binnenmarkt und die gemeinsame Währung funktionieren nur, wenn 1 Euro bei einer spanischen Bank nicht weniger wert ist als 1 Euro bei einer deutschen Bank. Ansonsten kommt es bei den ersten Anzeichen einer Krise zu Kapitalflucht und zu einem sich selbst verstärkenden Teufelskreis, der das ganze System, auch das deutsche, gefährden kann. Deshalb brauchen wir neben der einheitlichen Aufsicht und dem einheitlichen Abwicklungsfonds zur Vollendung der Bankenunion den gemeinsamen Fonds zur Rückversicherung der Einlagen.

Leider sind wir Grünen derzeit die einzige Partei, die hier und in Brüssel dieselbe Position vertreten. Dabei wissen Sie doch, dass Sie Ihre Blockade gar nicht aufrechterhalten können. Der Internationale Währungsfonds fordert uns dazu auf, die Bankenunion zu vervollständigen.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Der sitzt ja auch in Washington!)

Auch die fünf Präsidenten, darunter Herr Juncker, Christdemokrat, und Martin Schulz, deutscher Sozialdemokrat, sagen: Wir brauchen jetzt ein europäisches Einlagensicherungssystem. – Aber was machen Sie? Mit dem Versuch einer Subsidiaritätsrüge haben Sie beim Thema Einlagensicherung schon einmal unser Land in Europa blamiert.

(Manfred Zöllmer [SPD]: Wie bitte? Wir haben doch überhaupt keine Subsidiaritätsrüge gemacht!)

Was haben Sie daraus gelernt? Weil das mit der Rüge so gut geklappt hat, drohen Sie jetzt mit einer Subsidiaritätsklage. Herzlichen Glückwunsch, meine Damen und Herren.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Kommissionsvorschlag – ich sagte es – hat seine Schwächen. Aber wir sollten daran arbeiten, ihn zu verbessern, und ihn nicht blockieren. Wir brauchen die dritte Säule. Deswegen lassen Sie mich zum Schluss vier Punkte aus grüner Sicht festhalten:

Erstens. Eine europäische Einlagensicherung ist wichtig und richtig, aber als reine Rückversicherung.

Zweitens. Bei den Beiträgen zur Rückversicherung muss gelten: riskanteres Geschäft, höhere Beiträge.

Drittens. Für den Steuerzahler dürfen keine neuen Kosten entstehen. Die Beiträge müssen die Auszahlungen langfristig decken.

Viertens. Voraussetzung für die Teilnahme an der Rückversicherung muss die Umsetzung klarer Haftungs- und Abwicklungsregeln sein und selbstverständlich auch die Reduktion nationaler Risiken. Das darf aber kein Vorwand sein, Europa vollständig zu blockieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe frei nach einem in diesem Hohen Hause so oft bemühten Satz: Scheitert dieser Koalitionsantrag, gewinnt Europa. Deswegen: Lehnen Sie ihn ab, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Alexander Radwan.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6595398
Wahlperiode 18
Sitzung 158
Tagesordnungspunkt Europäisches Einlagensicherungssystem
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