Wilhelm PriesmeierSPD - Änderung des Düngegesetzes
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich setze in der Koalition auf den konstruktiven Dialog. Aber spätestens seit 1991 wissen wir ja alle, dass wir die europäische Nitratrichtlinie umzusetzen haben. Damals war Frau Merkel Umweltministerin, heute ist sie Kanzlerin. Daran kann man ermessen, wie lange der Zeitraum ist, bevor eine Richtlinie effizient greift.
Die Vorgaben hätten wir 2013 erfüllen müssen, das haben wir nicht gemacht. Auch die europäische Wasserrahmenrichtlinie hätten wir 2015 erfüllen müssen. Ob wir sie erfüllt haben, wissen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht ganz genau. Wir müssen natürlich auch sehen, dass wir als SPD auf die Dringlichkeit dieser Frage schon in unserem Antrag vom 26. Juni 2012 hingewiesen haben und verschiedene Dinge eingefordert haben.
Eine Forderung war, die Stickstoffüberschüsse auf 50 Kilogramm pro Hektar pro Jahr zu begrenzen und die Stickstoffbilanz anhand einer Hoftorbilanz vorzunehmen. Eine weitere Forderung war, die Düngeverordnung konsequent zu kontrollieren und wirksame Sanktionen vorzusehen. Das erreichen wir jetzt unter anderem mit den Vorschlägen, die seitens des Bundesrates mit der Erhöhung des Sanktionsrahmens gemacht werden.
(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass es den Bundesrat gibt!)
Eine weitere Forderung war die Umsetzung. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung hat natürlich nicht gehandelt, sondern sie hat das Problem in die Zukunft verschoben, obwohl wir die Umsetzung angemahnt haben. Seit 2013 läuft jetzt das Vertragsverletzungsverfahren wegen der unzureichenden Umsetzung. Auch im Hinblick auf die Wasserrahmenrichtlinie gibt es bereits eine Pilotanfrage. Ich befürchte, dass ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren die Konsequenz sein könnte. Auch im Hinblick auf die NEC-Richtlinie ist absehbar, dass wir diese ohne weitere gesetzliche Rahmenbedingungen, die wir zu schaffen haben, vermutlich nicht werden umsetzen können.
(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sieht es aus!)
Das zentrale Element der Umsetzung dieser drei Richtlinien sind das Düngerecht und auch die Düngeverordnung, sie basiert auf dem Düngegesetz. In wenigen Tagen werden wir erfahren, ob die jetzt vorliegende Düngeverordnung ausreichend ist oder nicht. Aber wir sollten nicht erst warten, bis wir flächendeckend und überall 50 Milligramm Nitrat im Trinkwasser vorfinden. Die zusätzlichen Kosten für sauberes Trinkwasser darf am Ende nicht der Verbraucher und soll auch nicht die Allgemeinheit bezahlen.
Am Beispiel von Niedersachsen möchte ich die hohe Viehdichte beschreiben: 1 500 Biogasanlagen, 60 Millionen Tonnen Gülle, also 7,7 Tonnen pro Einwohner. Das sind die Bilanzen, die wir in ganz Niedersachsen vorzuzeigen haben. Dazu kommt noch ein grenzüberschreitender Gülleimport aus den Niederlanden. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, eine flächengebundene Nutztierhaltung anzustreben. Wir sollten uns daranmachen, das konsequent umzusetzen; denn nur durch die Bindung der Tierhaltung an die landwirtschaftliche Fläche erreichen wir, dass regionale Nährstoffkreisläufe wieder funktionieren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Um Stickstoff- und Phosphatüberschüsse in den Griff zu bekommen – und nicht nur aus diesem Grunde – müssen wir zumindest versuchen, das Problem zeitnah zu lösen. Wenn ich davon ausgehe, wie viel Phosphat zum Beispiel ausgebracht wird – ein weiteres Problem, das wir mit der jetzigen Düngeverordnung nicht entscheidend angehen –, fehlen uns, wenn man nur das ersetzt, was die Pflanzen dem Boden entziehen, so wie es in Niedersachsen ordnungsgemäß normalerweise sein sollte, allein in der Weser-Ems-Region circa 450 000 Hektar Fläche. Die gesamte niedersächsische Landwirtschaftsfläche reicht nicht aus, um alle Nährstoffe bedarfsgerecht zu verteilen. Das macht deutlich, wie drängend das Problem ist.
Wir haben uns verpflichtet, die Einleitung von Phosphaten in die Nord- und Ostsee bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren. Auch das macht deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist. Darüber hinaus reichen die Vorräte vermutlich nur noch 60 bis 100 Jahre. Phosphat ist aber ein ganz wichtiger Rohstoff für unsere Welternährung, und wir sollten damit sparsam umgehen.
Für uns ist dabei in der weiteren Umsetzung neben der Düngeverordnung die Hoftorbilanz das entscheidende, zentrale Instrument, um gerade in den roten Gebieten auf der Landkarte das Problem in den Griff zu bekommen. Bei der Hoftorbilanz werden der Stickstoffeintrag in den Bestand oder in den Betrieb, zum Beispiel durch Zufuhr von Dünger, wie auch der Stickstoffaustrag erfasst.
Diese Bilanzierung – vereinfacht Flächenbilanz bzw. Feld-Stall-Bilanz, was auch vielfach diskutiert wird – ist in Summe die Hoftorbilanz. Sie ist wesentlich genauer als alle Schätzverfahren und weiteren Verfahren, die wir sonst kennen und die viele Gestaltungsspielräume enthalten.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: So viel zum Bürokratieabbau!)
– Manchmal geht es nicht ganz ohne Bürokratie, aber mit ein bisschen Datenverarbeitung und IT geht es garantiert, und dann wird es vielleicht auch einfacher, als wenn ich es mit der Hand nach dem alten Schätzverfahren berechnen muss, Herr Kollege. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Im Dezember 2014 haben wir in der Koalition klar vereinbart, dass die Rechtsgrundlagen für die Einführung einer Hoftorbilanz geschaffen werden. Deshalb kann ich es mitnichten nachvollziehen, dass wir erst 14 Monate später ein entsprechendes Gremium zusammenrufen, das sich damit beschäftigt, wie die Voraussetzungen für die Hoftorbilanz in eine Verordnung zu bringen sind. Ich glaube, da kann man wesentlich schneller sein. Das kann man auch besser machen.
Ich erwarte jetzt im weiteren Fortgang für das Gesetzgebungsverfahren – davon sind viele Dinge abhängig –, dass es einen klaren, nachvollziehbaren Zeitplan gibt, wann die Hoftorbilanz im Rahmen einer Verordnung verabschiedet werden kann und wann sie in Kraft tritt. Ich hoffe, dass das zum 1. Januar 2018 der Fall sein wird.
Was die Datenlage angeht, muss man einen Großteil der Daten verfügbar machen, ganz einfach deshalb, um das Vollzugsdefizit des alten Düngerechts zu beseitigen. Dazu gehört auch, dass zum Beispiel in Niedersachsen bisher nur 11 Prozent der Daten zum Stickstoffanfall und lediglich 2 Prozent der Daten zur Stickstoffverwertung von den Behörden ausgewertet werden können. Ich glaube, man kann einiges tun, um das Vollzugsdefizit zu beseitigen.
Einen wichtigen Beitrag dazu leisten in der jetzigen Diskussion vor allen Dingen die Bundesländer mit ihren Anträgen im Bundesrat zu dem vorgelegten Entwurf des Düngegesetzes. Ich gehe davon aus, dass das für uns Ansporn ist, uns der Arbeit, die jetzt an dem Gesetzentwurf zu leisten ist, zu stellen. Wir können im Bundestag Gesetzentwürfe der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren nicht schlechter, sondern nur besser machen. Wir sollten uns daranmachen, diese Arbeit zügig zu erledigen und das Problem anzugehen. Ich fordere alle dazu auf, die sich daran beteiligen wollen, ganz besonders den Koalitionspartner. Es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an!
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Kollege Priesmeier. – Nächster Redner: Friedrich Ostendorff, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6596391 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Düngegesetzes |