26.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 20

Alexandra Dinges-DierigCDU/CSU - Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ich kann es Ihnen nicht ersparen, dass Sie das eine oder andere jetzt noch einmal hören werden.

Mit Blick auf die Zukunft sage ich: Das wird bestimmt auch nicht das letzte Mal sein.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das sind wir von Ihnen gewohnt, dass nichts Neues kommt! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer nichts Neues bringt, kriegt keine neuen Antworten!)

Als ich Ihren Antrag gelesen habe und noch einmal gelesen habe, hat es mir ehrlich gesagt – ich sage das so salopp – fast die Schuhe ausgezogen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nicht nur Ihnen, Frau Kollegin!)

Ich könnte auf viele Einzelforderungen aus Ihrem Antrag eingehen, ich könnte Ihnen gewichtige Argumente entgegenbringen. Herr Rossmann hat gesagt, er glaubt an eine Weiterentwicklung der Linken. Ich bin mir nicht mehr ganz so sicher; denn durch Ihren gesamten Antrag zieht sich – deshalb glaube ich, dass einzelne Argumente Sie nicht überzeugen werden – ein Staatsbild, das ich persönlich als zentralistisch beschreiben würde. Sie wollen – das haben Sie nicht nur an einer Stelle deutlich gemacht – den übermächtigen Bund, Sie wollen die schwachen und machtlosen Länder.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stärken!)

In Ihrem Antrag bezeichnen Sie die Länder – wie haben Sie es geschrieben? – als eine Art Getriebene einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Sie nicht nur für das Wissenschaftssystem als schädlich ansehen. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: So verstehen sich die Länder nicht, so haben sie sich nie verstanden, und so werden sie sich auch nie verstehen.

(Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Vor circa zehn Jahren gab es sehr lange Diskussionen über die Föderalismusreform. Gerade den Ländern war es wichtig, zwischen ihnen und dem Bund klare Regelungen zu Entscheidungsgewalt und Verantwortung zu treffen; der Kollege Stefan Kaufmann hat es schon ausgeführt. Warum war ihnen das so wichtig? Das war ihnen so wichtig, weil sie schneller und besser eigene politische Akzente setzen wollten. Sie wollten in ihren Haushalten Schwerpunkte setzen, ohne dass der Bund ihnen sagt, wo die Schwerpunkte liegen sollen. Sie wollten durch kluge politische Entscheidungen in den Wettbewerb eintreten und sich dort durchsetzen, und zwar nicht nur in einen Wettbewerb mit anderen Ländern – sonst hätten wir PISA ohnehin nicht gemacht –, sondern in einen Wettbewerb mit anderen Regionen Europas und der Welt.

Betrachte ich die Ergebnisse der letzten zehn Jahren, kann ich sagen: Sie können sich im Durchschnitt sehen lassen. Schauen Sie sich die Ergebnisse an, die wir im Schulbereich haben, ob es nun PISA oder PISA-E ist! Schauen Sie sich die internationale Sichtbarkeit unseres Wissenschaftssystems an! Schauen Sie sich die Berichte an: „Bildung auf einen Blick“ – selbst die OECD hat es inzwischen verstanden – oder den Bildungsmonitor. Im Schnitt sehen Sie überall eine dynamische, wirklich recht gute Entwicklung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber ich sage auch: Wir haben noch Luft nach oben.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr viel Luft nach oben!)

– Wir nutzen sie, lieber Kollege Mutlu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich werden Sie nicht atemlos!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wettbewerb – das ist auch so ein Reizwort für Sie – ist für Sie von der Linken offensichtlich kein Anreizsystem.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn es falsche Anreizsysteme sind! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hängt mit dem Sozialismus zusammen!)

Sie gehen davon aus, dass Sie durch die gleiche Verteilung von Finanzen in ein differenziertes Bildungs- und Wissenschaftssystem gute Perspektiven für die Generation von morgen schaffen. Sie gehen zum Beispiel auch davon aus, dass durch die nahezu vollständige Umwandlung befristeter Stellen in feste Stellen die Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs steigen.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Können Sie mal etwas zu Ihrer Position sagen?)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ist nachweisbar falsch. Das zeigt uns nicht nur die Geschichte.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nur weil es nicht Ihr Weltbild ist, ist es nicht falsch!)

Ich sage Ihnen, was Sie mit der Umverteilung und der Beseitigung von Wettbewerb schaffen:

(Zuruf von der LINKEN: Von Ihnen lassen wir uns gar nichts sagen!)

Statt dynamischer Spitzenentwicklung schaffen Sie überregionale Mittelmäßigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Statt Internationalität schaffen Sie Nationalität – verbunden mit dem Verlust der besten Köpfe.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die guten Leute gehen ins Ausland! Das wissen Sie doch!)

Sie schaffen Starrheit im Forschungssystem; denn die Stellen sind dann über 30 Jahre besetzt. Sie schaffen einen Rückgang der Innovationen. Ich kann Ihnen sagen, was die Folge ist: Arbeitsplatzverlust, Wohlstandsverlust, Schwächung der Gesellschaft und der Wirtschaft – genug Material, um eine Horrorgeschichte zu schreiben. Ich sage Ihnen eines: Das werden Sie mit der CDU/CSU nicht schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin, darf der Kollege Lenkert eine Zwischenfrage stellen?

Heute ausnahmsweise nein, lieber Kollege.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Grundgesetz ist, glaube ich, überdeutlich. Aufgaben der Länder sind all jene, die das Grundgesetz nicht dem Bund zuschreibt. Dazu stehen wir als CDU/CSU heute und auch morgen.

Bildung und Wissenschaft sind dabei im Grundsatz ganz klar, so wie es die Länder wollten, Aufgabe der Länder. Ich sage ganz eindeutig: Wer für die Verantwortung für Bildung und Wissenschaft gekämpft hat, muss sich jetzt auch um eine auskömmliche Grundfinanzierung kümmern. Darauf werden wir achten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da sind wir so froh gewesen, den Artikel 91 b geändert zu haben!)

Meine Damen und Herren, bei ausgewählten Zielen arbeiten und finanzieren Bund und Länder im Bewusstsein der klaren Verfassungslage gemeinsam. Es gibt kein Verbot der Zusammenarbeit, wie Sie uns immer glauben machen wollen; wir haben es an vielen Stellen gehört. Ja, es knirscht manchmal in der Zusammenarbeit. Ja, wir streiten uns auch. Aber sicher, ganz sicher wird die Zusammenarbeit an der einen oder anderen Stelle verbessert werden, auch wenn wir uns weiter vehement für gegensätzliche Positionen einsetzen. Ich halte das übrigens für eine sehr gute Sache, wenn es darum geht, den wahren Weg zu finden.

Eines aber geht nicht. Damit, denke ich, Herr Lenkert und liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir uns vielleicht doch noch einmal viel intensiver auseinandersetzen müssen. Mir ist bis heute wirklich nicht klar, warum Sie unbedingt – Sie sehen darin den Schlüssel zur Besserung – Aufgabenbereiche der Länder in die Zuständigkeit des Bundes ziehen wollen. Ich sehe darin überhaupt keinen Schritt in Richtung Fortschritt.

Gerade im Bildungs- und Wissenschaftsbereich müssen Entscheidungen nah an den Orten gefällt werden, an denen Bildung und Wissenschaft entstehen, und nicht weit weg davon. Deshalb haben die Diskussionen vor zehn Jahren genau dieses Ergebnis gehabt. Man wollte die Dezentralisierung ganz bewusst. Das hat sich bis heute nicht geändert. Sprechen Sie mit Ihren Kollegen aus Brandenburg und Thüringen!

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es geht um die Finanzierung! Das ist doch nicht so kompliziert!)

Es ist völlig außer Frage, dass es irgendwie in eine andere Richtung geht.

Jetzt schauen Sie sich doch einmal den Haushaltsplan des Bundes an! Was ist in den letzten zehn Jahren passiert? Es wurden Prioritäten gesetzt. Es wurden Schwerpunkte gebildet. Das müssen auch die Länder tun, und das können sie tun. Schauen Sie sich die im Bereich Bildung und Wissenschaft erfolgreichen Länder an! Die kämpfen in den Haushaltsberatungen für die Priorität von Bildung und Wissenschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das können wir von den Ländern verlangen. Gepaart mit der Prioritätensetzung des Bundes wird das zu einer Ausstattung aller Regionen führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Anträge bieten immer wieder die Gelegenheit, gewisse Dinge gebetsmühlenartig zu wiederholen. Deshalb sage ich es an dieser Stelle noch einmal: Wir als CDU/CSU-Fraktion wollen starke und selbstbewusste Länder; wir wollen starke und selbstbewusste Wissenschaftseinrichtungen; wir wollen, dass diese auch in Zukunft ihre Entscheidungen eigenverantwortlich treffen, im Wettbewerb mit allen anderen. Wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind, dann werden wir als Bund in Zukunft immer als Partner für sie zur Verfügung stehen, und wir werden noch stärker werden, als wir es jetzt schon sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Simone Raatz [SPD])

Das Wort hat nun der Kollege Lenkert für eine Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6598627
Wahlperiode 18
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen
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