26.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 20

Simone RaatzSPD - Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lenkert, sosehr ich Sie in manchen Bereichen fachlich schätze,

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nur in manchen? Ich dachte, in vielen!)

denke ich, der Antrag, den Sie hier vorgelegt haben – er wird ja hauptsächlich aus Ihrer Feder stammen –, ist einfach nur ein buntes Potpourri von „Wünsch dir was“.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Genau so ist es!)

Meine Vorredner haben das schon deutlich gemacht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es fällt schwer, einen roten Faden zu erkennen. Auch wenn Sie mit Vehemenz Themen ansprechen, bei denen wir als Koalition schon einiges geleistet und viel Gutes getan haben, fällt es mir schwer, das, was Sie hier fordern, ernst zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Deswegen – das nur mal so als Anregung – wäre es sehr schön, wenn Sie da auch noch Inhalte mit einbringen und selbst Vorschläge machen würden, wie Sie Ihre Wünsche verwirklichen wollen. Sie haben hier ein Anreizprogramm erwähnt – darauf ist, denke ich, mein Kollege Herr Kaufmann schon eingegangen –: Dabei geht es um die Einrichtung von 100 000 unbefristeten Wissenschaftlerstellen mit einem Umfang von 5 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu fällt mir jetzt nur die Frage ein: Ist das Ihrer Ansicht nach eine realistische bzw. eine sinnvolle Forderung?

Ich denke, wir haben mit der Verbesserung der Stellensituation – allein mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz – einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Einen zweiten Schritt werden wir mit dem Hochschulpakt machen. Darüber werden wir demnächst debattieren. Natürlich werden weitere Bausteine folgen. So werden wir sukzessive, denke ich, auch in dem Bereich einiges hinkriegen.

Ich will nun auf den zweiten Teil der Überschrift Ihres Antrags eingehen und mich darauf konzentrieren: Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen solide ausstatten. – Herr Claus sagte, „förderbedürftig“ würde besser klingen. Ich bin mir nicht sicher, ob das so ist. Ich denke, bei „strukturschwach“ weiß man, um was es geht. Es ist erst einmal prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, dass wir Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen unterstützen wollen. Dagegen hat keiner etwas.

Ihr Ausgangspunkt dabei ist, dass das deutsche Wissenschaftssystem seit 15 Jahren eine rasante Umstellung erlebt. Warum es gerade 15 Jahre sein sollen, erschließt sich mir jetzt so nicht. Für mich stellt eher die Wende einen erheblichen Einschnitt in das Wissenschaftssystem des Ostens dar. Das ist jetzt 26 Jahre her. Man könnte da jetzt also genauso gut von 26 Jahren sprechen.

Viele Wissenschaftseinrichtungen mussten sich 1990 schnellstens umorientieren. Sie wurden geschlossen, wenn sie das nicht schafften. Mit zwei Beispielen aus Freiberg will ich das kurz dokumentieren bzw. klarmachen:

Das Forschungsinstitut für Aufbereitung – es gehörte damals zur Akademie der Wissenschaften der DDR – schaffte den Absprung nicht. 1992 wurde es abgewickelt. Einen Sozialplan oder etwas Ähnliches gab es damals für die 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht.

Dagegen hat das Forschungsinstitut Leder- und Kunststoffbahnen den Strukturwandel gut bewältigt. Seit 1992 ist dieses Institut privatisiert. Es ist jetzt als gemeinnützige GmbH erfolgreich tätig.

Ich nehme an, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, dass Sie mit dem Punkt 8 Ihres Antrags vielleicht auf genau solche Einrichtungen wie dieses Forschungsinstitut Leder und Kunststoffbahnen fokussieren wollten. Es war Ihnen jedoch nur zwei Zeilen wert, dieses Thema – ein bisschen schnell – zu beschreiben. Ich hätte mir dazu, muss ich sagen, ein bisschen mehr gewünscht.

Sie haben in Punkt 8 Ihres Antrags geschrieben, dass Sie – jetzt zitiere ich aus Ihrem Antrag – „gemeinnützige, unabhängige Forschungseinrichtungen als Stützen von Forschung und Innovation für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU)“ stärken wollen. Ja prima! Das finde ich gut. Und wie? Wie wollen Sie die stärken? Darüber steht dort nichts. Wir als Koalition haben aber Vorschläge dafür. Ich werde sie jetzt ganz kurz aufführen. In einen solchen Antrag gehört meines Erachtens hinein, wie Sie solche Unternehmen stärken wollen. Dass die Unterstützung von Forschung und Entwicklung in strukturschwachen Regionen wie Ostdeutschland Sinn macht, ist unbestritten. Dagegen wird keiner etwas sagen.

Ich möchte drei Punkte anführen, warum das so ist:

Erstens. Die ostdeutsche Wirtschaft ist nach wie vor sehr kleinteilig strukturiert und wächst seit vielen Jahren nicht. Man muss einmal genauer hingucken, warum das so ist.

Zweitens. Die Unternehmen verfügen meist nicht über eigene Forschungskapazitäten.

Das führt drittens natürlich dazu, dass sie seltener Produkt- und Verfahrensinnovationen einführen. Genau an dieser Stelle setzt zum Beispiel die Deutsche Indus­trieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse an. Die hat mit ihren derzeit 74 gemeinnützigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und über 5 000 Mitarbeitern die sogenannte dritte Säule in unserer Forschungslandschaft kreiert. Ich glaube, es lohnt sich, darauf auch einmal einzugehen.

(Beifall bei der SPD – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Welche Förderung geben Sie denen? Genau die sollen von unserem Antrag profitieren! Genau die sollen Geld kriegen!)

Denn neben unseren großen Forschungsverbünden – die sind ja schon häufig erwähnt worden – und unseren Hochschulen ist es eben genau diese dritte Säule, die wir in den strukturschwachen Regionen unterstützen sollten und auch fördern wollen. Das machen wir, denke ich, als Koalition.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja, „sollten“! Machen Sie nicht!)

Die Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft ­Konrad Zuse, die im Januar 2015 in Berlin gegründet wurde, hat eben gerade zum Ziel, passgenaue Forschungsunterstützung für den Mittelstand – hierbei geht es insbesondere um die KMUs – zu leisten und ihn durch marktvorbereitende Forschung zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie sehen: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir können auf etablierte Strukturen zurückgreifen. Aber es ist natürlich wichtig, die Arbeit dieser Einrichtungen auch von politischer Seite aus zu unterstützen bzw. ein stabiles finanzielles Fundament dafür zur Verfügung zu stellen. Genau da setzen wir als Regierungskoalition auch an. Uns ist das wichtig. Ich finde, es ist sehr schade, dass Ihnen das bisher entgangen ist.

Darum möchte ich am Ende meines kurzen Statements drei Haushaltstitel nennen, die für die strukturschwachen Regionen einfach wichtig sind: Der erste – er steht im Haushalt des BMBF – lautet „Innovationsförderung in den neuen Ländern“. Hierfür stellen wir 2016  159 Millionen Euro zur Verfügung. Das sind immerhin 13 Millionen Euro mehr als 2015. Der zweite Haushaltstitel lautet „Industrieforschung“. Hier geht es um Programme wie „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ und ­„INNO-KOM-Ost“. Dafür stellen wir 2016  138,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Frau Kollegin Raatz, Sie denken an die vereinbarte Redezeit?

Ja, einige wenige Sätze noch. – Der dritte Haushaltstitel lautet „Förderung des Mittelstandes“. Dabei geht es auch um das ZIM. Hierfür stellen wir 2016 543,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Am Ende meines Vortrags muss ich an dieser Stelle sagen: Danke an unsere Minister, Herrn Gabriel und Frau Wanka, und natürlich auch ein Dankeschön an unsere Haushälter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, anstatt uns hier ein buntes Potpourri auf den Tisch zu legen, wäre es schön, wenn Sie uns demnächst etwas Aussagekräftigeres präsentieren würden. Dann können wir an dieser Stelle auch gerne wieder mit Ihnen ins Gespräch kommen.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6598636
Wahlperiode 18
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen
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