26.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 20

Tankred SchipanskiCDU/CSU - Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sorge mich. Ich sorge mich um die Linkspartei.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oh Gott! – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie hat ein Stadium des Realitätsverlustes erreicht, an dem nunmehr Grenzen überschritten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der letzten Haushaltsdebatte kam der Antrag, 8,14 Milliarden Euro zusätzlich in den Geschäftsbereich des BMBF zu geben. Dafür schlug man eine Gegenfinanzierung von gerade einmal 600 Millionen Euro vor.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Quatsch!)

Es war ein Antrag, der schon damals zeigte, dass die Linkspartei der Wirklichkeit völlig entrückt war. Ich glaubte nicht, dass eine Steigerung von so viel Irrsinn möglich ist. Ich dachte, die Linke hätte aus der letzten Haushaltsdebatte etwas gelernt, aber nein.

Frau Raatz hat es angesprochen: Am Montag kam in unser Büro ein Antrag der Linksfraktion mit dem vielversprechenden Titel: „Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten“. – Dieses Ziel verfolgen wir seit vielen Jahren mit vielen Förderprogrammen, nicht nur des BMBF, erfolgreich. Aber bereits die ersten Sätze und Worte dieses Antrags zeigen, dass es bei diesem Antrag um keine sachlich-konstruktive Auseinandersetzung mit nationaler Wissenschaftspolitik geht, sondern um reine Ideologie. Der Antrag zeigt das ganze Dilemma der Linken, die sich von Ideologie leiten lässt und eben nicht von der Sache.

Dieses Grundproblem haben wir nicht nur im Bereich der Wissenschaftspolitik, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Gestern haben wir das hier etwa zur gleichen Zeit zur Flüchtlingspolitik erlebt. Da hilft es auch nichts, dass die Linke ihre Galionsfigur Bodo Ramelow heute nach Rom zum Papst schickt, damit er dort Geist empfängt.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur kein Neid! – Zurufe von der LINKEN)

Ihr Geist ist und bleibt die Ideologie. Das ist auch Ihr Problem. Daher können Sie auch keine Sachpolitik für die Menschen in unserem Lande machen.

Meine Damen und Herren, was müssen wir im Antrag der Linken für Propaganda und Populismus lesen? Ich zitiere das mal:

Das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem erlebte in den vergangenen fünfzehn Jahren im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft eine rasante Umgestaltung ...

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja! Stimmen Sie zu?)

Es geht weiter:

Leidtragende dieser Situation sind die Studierenden, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Wissenschaft selbst. Negative Auswirkungen erfährt auch die strukturelle Entwicklung der verschiedenen Regionen und einzelnen Bundesländer.

Sie können sich denken: Gemeint sind hier selbstverständlich die neuen Bundesländer.

Man muss nicht lange weiterlesen: Da wird der Südwesten Deutschlands verbal beschimpft, die Stadt Frankfurt als „Finanzplatz“ verteufelt, die Stadt München wird auf den Standort für die gefährliche Versicherungswirtschaft reduziert. Natürlich wird auch der Automobilbau in Stuttgart dämonisiert, und im Freistaat Bayern wird ein „Trittbrettfahrerverhalten“ beobachtet.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stimmt!)

Berlin wird nicht einfach Hauptstadt genannt, sondern man spricht vom „Status der Bundeshauptstadt“. Was jeder Deutsche als Instrumente erfolgreicher Forschungspolitik bezeichnet, etwa die Exzellenzinitiative oder den Hochschulpakt, nennt die Linke in ihrem Antrag „Steuerungs- und Finanzierungselemente“. Was wir „Wissenschaftssystem“ nennen, bezeichnet die Linke in ihrem Antrag als ein „Gesamtsystem wettbewerblicher Bestenauslese“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, allein dieser kurze Auszug der Wortwahl zeigt, dass es hier nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern um Populismus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

„Populismus“ ist das treffende Wort. Sie werden es kaum glauben, aber es steht in einem angeblichen Antrag zur Wissenschaftspolitik die Forderung nach – ich zitiere – „Wiedererhebung der Vermögenssteuer“ sowie die „Ausschöpfung des Aufkommenspotentials der Erbschaftssteuer“ und natürlich die Forderung nach einer ganz umfassenden Steuerreform.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das hat mit solider Wissenschaftspolitik nichts zu tun.

Wie perfide solche Anträge instrumentalisiert werden, um die Realpolitiker in Deutschland zu schmähen, zeigt die letzte Debatte in diesem Hohen Hause zum Kooperationsverbot. Die Linke fordert auch in diesem Antrag wieder eine Verfassungsänderung, um die Kooperationskultur zwischen dem Bund und den Ländern im Bildungsbereich auszubauen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dringend notwendig!)

Nach der Debatte am 14. Januar dieses Jahres hat der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der er die Thüringer CDU bezichtigt, sie blockiere zusätzliche Bundesgelder für den Freistaat.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Richtig! Haben sie gefordert!)

Dies unterlegte er mit dem Fakt, dass CDU/CSU hier den Antrag der Linken auf eine Verfassungsänderung abgelehnt haben; Sie können das im Internet nachlesen. Herr Lenkert, populistischer geht es nicht.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Doch! Wenn Sie reden! – Gegenruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war gut! – Beifall der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das hat System. Wahrscheinlich sind die Pressemitteilungen für diese Debatte schon geschrieben. Diesmal haben Sie statt einem Wunsch neun Wünsche formuliert. Ich sage Ihnen: Wir werden diese neun unsinnigen Wünsche wieder ablehnen.

Ich finde es unredlich, wie Sie mit solch realitätsfernen Anträgen politisch agieren, agitieren und die Menschen in unserem Land mit solchen Forderungen in die Irre führen. „ Irreführung“ ist der richtige Begriff für diesen Antrag. Denn schauen wir uns doch einmal gemeinsam an, wie die Heimat des Linken-Abgeordneten Ralph Lenkert von der hier so gescholtenen deutschen Förderpolitik profitiert. Es geht um die Forschungsregion Jena in Thüringen.

Wir erinnern uns: Thüringen ist ein neues Bundesland, das laut dem Linken-Antrag eine Armutsregion darstellt, die von Erwerbslosigkeit geprägt ist und nicht von den Förderinstrumenten der Exzellenzinitiative, des Hochschulpakts oder des Pakts für Forschung und Innovation in irgendeiner Art und Weise profitiert – so die Sichtweise der Linken.

Nun ein Blick auf die Realität in Jena: eine Arbeitslosenquote von 6,9 Prozent, Bevölkerungswachstum, die Friedrich-Schiller-Universität mit 18 400 Studenten plus eine Fachhochschule mit 4 700 Studenten.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es gibt noch Leipzig und Dresden!)

Alle profitieren von dem Hochschulpakt.

Was die Forschungsförderung angeht, gibt es vier DFG-Schwerpunktprogramme, neun DFG-Forschergruppen, vier DFG-Graduiertenkollegs, fünf DFG-Sonderforschungsbereiche und ein DFG-Forschungszentrum.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Von so vielen DFG-Mitteln träumen andere Regionen, lieber Herr Lenkert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und Sie wollen uns weismachen, die neuen Länder profitieren nicht von DFG-Mitteln! Das ist schlichtweg falsch.

Herr Kollege Schipanski.

Nein, ich gestatte es nicht.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Weil Sie die richtigen Zahlen nicht hören wollen! Sie sind feige!)

Es geht weiter im schönen Jena: Drei Max-Planck-Institute, ein Fraunhofer-Institut, drei Leibniz-Institute, ein Helmholtz-Institut und sechs außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gibt es in Jena. All diese profitieren vom Pakt für Forschung und Innovation, dessen Aufwuchs um 3 Prozent wir selber finanzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drehen Sie das Mikro etwas leiser! Wir sind nicht taub! Aber nach Ihrer Rede sind wir es!)

– Es geht darum, dass es der Kollege versteht.

Es geht noch weiter: Jeder dritte Doktorand an einer dieser Einrichtungen kommt aus dem Ausland. Wenn das deutsche Wissenschaftssystem so furchtbar ist, dann frage ich mich, warum diese Wissenschaftler überhaupt zu uns kommen.

Jena hat zudem eine Graduiertenschule aus der Exzellenzinitiative sowie eine Ressortforschungseinrichtung des Bundes. In Jena haben wir mannigfache industrienahe Forschungseinrichtungen – Zuse wurde eben angesprochen – mit Mitteln aus ZIM und INNO-KOM. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen und auf den gesamten Freistaat Thüringen ausdehnen.

Ihre so gescholtene Exzellenzinitiative hat der Freistaat Thüringen sogar zum Vorbild genommen, liebe Kollegen der Linkspartei, und eine landeseigene Initiative gestartet.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie eigentlich Bundestagsabgeordneter oder Thüringer?)

Diese wird sogar unter einem linken Ministerpräsidenten fortgesetzt und ausgebaut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist anscheinend Exzellenzwahn in Thüringen – ganz erstaunlich.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ihr habt einfach zu viel Redezeit!)

Herr Kollege Rossmann, noch eine Bemerkung zu Ihnen: Sie haben das Zuständigkeitsgefüge und die Ausführungen von Herrn Kaufmann ein Stück weit kritisiert. Ich glaube, das Grundgesetz sagt uns eines ganz deutlich: Bund und Länder haben eine Verantwortung für das Gesamtsystem Wissenschaft. Das ist, glaube ich, ganz unstreitig. Innerhalb dieses Gesamtsystems haben wir klare Zuständigkeiten. Wir brauchen auch klare Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche.

Das Grundgesetz und auch die Union lassen sich vom Gedanken des Mehrwerts leiten. Wir sagen: Zusätzliches Geld des Bundes muss einen zusätzlichen Nutzen stiften. Wir freuen uns, wenn uns die SPD-Fraktion bei diesem Gedanken unterstützt.

Ich darf schließen, meine Damen und Herren. Dieser populistische Antrag bringt unser Land nicht voran. Er verunsichert die Menschen. Er führt in die Irre. Er ist ein Spiegelbild der Ideologie der Linkspartei. Er ist ein Zeugnis ihrer Realitätsverweigerung. Von daher lehnt die CDU/CSU-Fraktion diesen Antrag zum Wohle von Deutschland und zum Wohle von Europa ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Simone Raatz [SPD]: Der Welt!)

Das Wort hat jetzt die Kollegin Elfi Scho-Antwerpes, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6598700
Wahlperiode 18
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen
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