26.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 21

Ursula Groden-KranichCDU/CSU - Übereinkommen gegen Diskriminierung der Frau

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor einer Woche habe ich hier zum Thema „Gleichstellung im Kulturbetrieb“ gesprochen. Auch die heutige Unterrichtung durch die Bundesregierung zeigt, dass uns alle das Thema „Diskriminierung von Frauen“ umtreibt; man möchte sagen: uns leider noch immer umtreibt. Die politische Arbeit an dieser Thematik ist – darin sind wir uns sicherlich alle einig – überaus mühsam, oft kleinteilig und geht deprimierend langsam vonstatten. Dennoch ist es wichtig, sich ab und zu vor Augen zu führen, dass es in unserem Land auch gute Fortschritte im Kampf gegen Diskriminierung gibt. Auch wenn es an der konsequenten Anwendung der bestehenden Gesetze zum Teil noch aus für mich unverständlichen Gründen hapert, gibt es viele Gesetze, um die uns Frauen anderer Nationen beneiden und auf die wir hierzulande stolz sein können; denn wir haben ein Allgemeines Gleichstellungsgesetz, und wir haben ein Grundgesetz, das in Artikel 3 die Diskriminierung von Frauen verbietet.

Die jetzige Regierung hat in den letzten Jahren einige Vorhaben zum Abbau der Diskriminierung von Frauen umsetzen können. Ich nenne hier exemplarisch nur das Gesetz zur Frauenquote. Auch den Abbau von Entgelt­ungleichheit zwischen Männern und Frauen haben wir im Koalitionsvertrag gemeinsam festgeschrieben. Wie Sie wissen, befindet sich derzeit ein Gesetzentwurf zur Umsetzung eben dieser Pläne im Bundeskanzleramt. Also auch hier sind wir aktiv.

Die Entgeltlücke als eine spezielle Form der Geschlechterdiskriminierung scheint mir in mancher Hinsicht symptomatisch zu sein; denn nicht nur beim Gender Pay Gap gilt: Das Problem, seine Ursachen und die möglichen Instrumente zur Behebung sind hinlänglich bekannt, die messbaren Fortschritte aber selbst nach jahrelangen Anstrengungen des Gesetzgebers immer noch eher dürftig.

Woran liegt es also, dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch diskriminiert werden? An einem Mangel an Gesetzen liegt es meiner Meinung nach jedenfalls nicht. Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach gesagt und betone es gerne nochmals: Um Diskriminierung nachhaltig zu bekämpfen, dürfen wir uns nicht allein auf den Gesetzgeber verlassen – auf ihn natürlich auch –, sondern wir müssen der Diskriminierung auf allen politischen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Kontexten entgegenwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine ganz wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Zugang zur Bildung, auf den meine Kollegin Christina Schwarzer noch eingehen wird.

Ein grundsätzliches Problem beim Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen ist sicherlich, dass sie in so unterschiedlichen Ausformungen daherkommt. Sie fängt bei vermeintlich harmlosen und oftmals sogar unbewussten Verletzungen wie dem sexistischen Sprachgebrauch an, und sie reicht bis zur grauenvollen körperlichen und seelischen Verletzung der Menschenwürde in Form von Zwangsprostitution und Genitalverstümmelung.

Meine Damen und Herren, bei der Beschäftigung mit den verschiedenen Formen von Diskriminierung stoße ich in letzter Zeit immer wieder auf eine Gruppe betroffener Frauen, die für meine Begriffe noch viel zu wenig im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht. Diese Frauen haben selbst leider oft nicht die Mittel oder die Kraft, stärker in Erscheinung zu treten: Ich denke an die Migrantinnen in diesem Land. Damit meine ich nicht nur die Frauen, die mit der aktuellen Flüchtlingswelle zu uns kommen und hier Schutz suchen. Nein, ich denke vor allem an die Migrantinnen der zweiten und dritten Generation, an Frauen, die oftmals sogar einen deutschen Pass besitzen und dennoch hier, mitten unter uns, in Parallelgesellschaften leben, die Lichtjahre von Artikel 3 unseres Grundgesetzes entfernt sind.

Die ganz alltägliche und von uns allen mehr oder weniger stillschweigend geduldete Diskriminierung dieser Mädchen und Frauen aus muslimischen Familien reicht von vermeintlich banalen Dingen wie dem Verbot der Teilnahme am Sportunterricht oder am Unterricht an weiterführenden Schulen – von Universitäten ganz zu schweigen – bis hin zur Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen, die oft noch Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland unserer Sprache kaum mächtig sind und die ihren Ehemännern in jeder Hinsicht – körperlich, moralisch und wirtschaftlich – ausgeliefert sind.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass Migrantinnen oft doppelt diskriminiert werden: einmal in der eigenen Community, und dann noch einmal von uns, indem wir für diese Art der Diskriminierung blind sind oder sie zumindest oft als Diskriminierung zweiter Klasse behandeln.

Übrigens ist dieses Phänomen nicht nur in Großstädten zu beobachten. Ich selber wurde in den letzten Jahren bei Begegnungen in meiner Heimatstadt immer wieder damit konfrontiert. Bei „öffentlichen“ Terminen waren Frauen mit größter Selbstverständlichkeit einfach ausgeschlossen. Während des Ramadans beispielsweise war ich sowohl bei türkischen Familien als auch in Moscheen zum täglichen Fastenbrechen eingeladen. Vor Ort wurde ich jedoch fast ausschließlich von Männern empfangen; die Frauen durften nicht an den Begegnungen teilnehmen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie eigentlich für die Integration? Sie machen doch nichts!)

Oder: Beim Besuch von Flüchtlingseinrichtungen in meinem Wahlkreis war ich erfreut, zu hören, dass es noch freie Plätze in Deutschkursen gibt.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch nicht immer über „die“ und „wir“!)

– Ach, lassen Sie es doch, Frau Schauws, ehrlich! Bei dem Thema sind nämlich auch Sie auf einem Auge blind.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind wir nicht!)

Vor Ort sagte mir dann aber beispielsweise eine tschetschenische Frau, ihr Mann wünsche nicht, dass sie an einem solchen Kurs teilnimmt, weil dort auch Männer sind. Dies trifft nicht nur Frauen in Flüchtlingsheimen, sondern es trifft auch Frauen, die bereits seit vielen Jahren in unserem Land sind.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab zwei Verabschiedungen, durch die die Schutzbedürftigen schlechtergestellt wurden!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Vorfälle wie diese lassen mich besorgt, wütend und leider auch regelrecht hilflos zurück. Sie bringen mich argumentativ in Bedrängnis. Denn wie soll ich meiner Tochter – –

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat eigentlich die Deutschkurse, die Integrationskurse eingeführt? Wir, gegen Ihren Widerstand! – Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

– Noch gilt es, dass jeder eine eigene Meinung haben darf und diese auch hier im Bundestag frei äußern darf. Insofern hat das auch mit Diskriminierung zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vorfälle wie diese lassen mich besorgt, wütend und auch regelrecht hilflos zurück. Denn wie soll ich meiner Tochter im Anschluss an solche Begegnungen erklären, dass sich Männer dieses Verhalten herausnehmen dürfen, ohne bestraft zu werden, und Frauen dies ertragen müssen? Da frage ich manchmal auch, Frau Künast: Wo ist der Aufschrei der grünen Feministinnen?

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach Gott! Jetzt schlägt’s aber 13! – Mechthild Rawert [SPD]: Deswegen wollen wir ja die Istanbul-Konvention durchsetzen!)

Warum konnten über Jahrzehnte hinweg Parallelgesellschaften entstehen, in denen Frauen und Mädchen einem chauvinistischen Diktat unterworfen werden, das nicht einmal ansatzweise mit unserer Rechtsordnung vereinbar ist, sondern diese bewusst und schamlos verachtet?

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir fragen beim § 177 noch mal, ob Sie uns unterstützen! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleich sagen Sie noch, Sie sind Feministin!)

Ist das unsere Vorstellung von Toleranz und kultureller Freiheit? Kann sie das wirklich sein? Ich denke: nein.

Im vergangenen Jahr konnte ich an der UN-Frauenrechtskonferenz in New York teilnehmen. Die Ziele der Resolution „Peking + 20“, die unter anderem den Abbau von Diskriminierung zum Ziel hat, sind aktueller und notwendiger denn je. In meinen Gesprächen mit Politikerinnen und Aktivistinnen verschiedenster Herkunft hat sich ein Punkt immer wieder herauskristallisiert, den ich absolut einleuchtend und enorm wichtig finde: Der Kampf um Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ist eben nicht eine reine „Frauensache“. Genau da setzen internationale Kampagnen, zum Beispiel „HeForShe“ der UN Women, an. Denn von einer aufgeklärten, emanzipierten und diskriminierungsfreien Gesellschaft profitieren am Ende alle: Männer und Frauen. Das haben einschlägige Untersuchungen bereits für verschiedene Länder gezeigt. Auch ein Bericht der Weltbank kommt zu dem Schluss, dass eine starke Wirtschaft, kulturelle Innovation und soziale Gerechtigkeit fast automatisch dort entstehen, wo besonders viel für die Geschlechtergerechtigkeit getan wird.

Wir Frauen sollten also nicht den Fehler machen, Männer beim Thema Diskriminierung immer nur als potenzielle Gegner zu betrachten. Im Gegenteil: Wir brauchen Männer dringend als Mitstreiter der Frauen

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Wenn sie an meiner Seite sind: Ja!)

und vor allem als positive Rollenvorbilder und Korrektive für die Generation unserer Söhne, Neffen und Enkel.

(Zurufe von der LINKEN)

– Ich glaube, im Moment sind mehr Männer von der CDU/CSU da als von den Linken.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wir machen manchmal auch Anmerkungen, die für alle gelten!)

Väter können und müssen ebenso wie Mütter dazu beitragen, dass ihre Töchter starke Persönlichkeiten werden, die sich ihrer Rechte als Frauen bewusst sind. Oder wie es kürzlich in einem Artikel auf Zeit Online so schön auf den Punkt gebracht wurde: „Deutschland braucht mehr Feministen!“

Die Diskriminierung von Frauen muss geächtet werden, und zwar von allen Menschen, die in diesem Land leben, völlig unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Religion, ihrer kulturellen Herkunft und ihrer politischen und privaten Überzeugung.

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich in einer der nächsten Reden zu dieser Thematik den Satz der US-amerikanischen Sozialreformerin Alice Hamilton zitieren könnte:

Für mich liegt die Befriedigung darin, dass die Dinge jetzt besser sind und dass ich daran Anteil hatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Ulle Schauws.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ulle, erklär es noch mal! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6598819
Wahlperiode 18
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Übereinkommen gegen Diskriminierung der Frau
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