26.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 21

Christina SchwarzerCDU/CSU - Übereinkommen gegen Diskriminierung der Frau

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau definiert diese in Artikel 1 wie folgt:

... jede mit dem Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur Folge oder zum Ziel hat, dass die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Frau – ungeachtet ihres Familienstands – im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird.

Schaue ich mir diesen Artikel Stück für Stück an, wird zumindest deutlich: Vom gesetzlichen Standpunkt her haben wir in Deutschland eine Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das ist eine gute Nachricht, eine wichtige Grundlage, aber damit allein wird absolut keine Aussage über die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter in unserem Land getroffen.

Das Übereinkommen geht mit gutem Recht noch einen Schritt weiter. Es verpflichtet die Vertragsstaaten zur Durchführung von Maßnahmen, die nicht nur die juristische, sondern auch die tatsächliche Gleichberechtigung von Frau und Mann herbeiführen sollen. Diese Zielstellung ist richtig und wichtig, macht es für den Vertragsstaat aber selbstverständlich ungleich schwieriger, die gemeinsam angestrebten Ziele zu erreichen. Die Gleichberechtigung in der Wirtschaft, in den Medien, in der Öffentlichkeit, ja sogar in der Familie selbst kann durch einzelne Regelungen oder Gesetze, Projekte oder Kampagnen forciert und gefördert, nie jedoch gänzlich herbeigeführt werden. Auch wird eine Diskriminierung im Zweifel unterschiedlich empfunden.

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau berücksichtigt diese beiden Faktoren auch in seinen Stellungnahmen zum Bericht, zum Beispiel, wenn es um die Geschlechtsstereotypen in der Öffentlichkeit, vor allem in den Medien, geht. Der Bericht erkennt hier klar an, dass die Bundesrepublik Deutschland, in der die Unabhängigkeit der Medien ein wichtiges Element der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, die Vermittlung eines positiven Frauenbildes nicht verlangen kann. Als Gesellschaft können wir dies einfordern – das sollten wir auch dringend tun –, und die Politik kann dies durch viele Maßnahmen unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ein wichtiges politisches und gesellschaftliches Ziel. Es ist in unserer Gesellschaft allgemein anerkannt, von traurigen Ausnahmen abgesehen. Wenn wir, die wir hier sitzen, auf die Straße gehen und ein paar Menschen fragen würden, ob sie die Gleichstellung der Geschlechter für wichtig und richtig halten, dann – da bin ich mir sicher – würden die meisten mit Ja antworten. Ich bin aber auch von Folgendem überzeugt: Würden wir die Menschen draußen fragen, ob sie in ihrem persönlichen Umfeld Frauen diskriminieren oder sich als Frau diskriminiert fühlen, würde ein nicht unbeachtlicher Teil mit Nein antworten. Das hat auch damit zu tun, wie wir ganz persönlich die Dinge einschätzen.

Der Chef eines kleinen IT-Unternehmens, der den männlichen einem gleichqualifizierten weiblichen Bewerber vorzieht, tut dies nicht mit dem erklärten Ziel, die Bewerberin zu diskriminieren, sondern vielmehr nur aus einem gefühlten Vorteil des Mannes heraus, den der Chef gar nicht so recht erklären kann, aber so empfindet. Die junge Mutter, die sich die familiären Aufgaben mit ihrem Partner so aufteilt, dass sie in den ersten Jahren die hauptsächliche Arbeit bei der Umsorgung der Kinder trägt, fühlt sich dadurch nicht zwingend diskriminiert.

(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Doch summieren sich viele kleine solcher Beispiele, Frau Rawert, trägt dies auch dazu bei, dass der Bericht bei uns in Deutschland natürlich eine strukturelle Benachteiligung der Frauen feststellt.

Hinzu kommen die wirklich schlimmen Ausnahmen der Benachteiligung von Frauen, wenn diese beispielsweise aufgrund ihres Geschlechts im Beruf ganz offen und gezielt benachteiligt werden oder zum Beispiel häusliche Gewalt erfahren. Dazu muss man aber auch Folgendes feststellen: Wenn ein Mann seine Frau verprügelt, dann haben wir es nicht mit einer strukturellen oder gar gesetzlichen Benachteiligung der Frauen zu tun, sondern wir haben es schlichtweg mit einem miesen Typen zu tun, der eher ein Fall für den Staatsanwalt und nicht für die Gleichstellungsbeauftragte ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Die heute schon vielfach angesprochene Lohndiskrepanz zwischen Männern und Frauen – mag man nun die unbereinigte Zahl von 22 Prozent, den bereinigten Wert von 7 bis 8 Prozent oder gar die umstrittenen 2 Prozent des Instituts der deutschen Wirtschaft heranziehen – ist ohne Zweifel ein Thema, dessen wir uns annehmen müssen. Wir tun dies schon seit Jahren. Viele Maßnahmen wurden heute auch schon genannt, zum Beispiel das ElterngeldPlus, die Frauenquote in der Wirtschaft oder der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz.

Warum wirkt das ElterngeldPlus so gut? Ein Teil des Gender Pay Gap lässt sich darauf zurückführen, dass Frauen, gesamtgesellschaftlich betrachtet, die Hauptaufgabe bei der Kinderbetreuung stemmen. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg, die partnerschaftliche Aufteilung bei der Kinderbetreuung stärker den Wünschen junger Familien anzupassen. Väter wollen nämlich mehr für ihre Kinder da sein; zahlreiche Studien belegen dies. Mit dem ElterngeldPlus unterstützen wir sie dabei. Das hat selbstverständlich auch positive Auswirkungen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Um es etwas salopp zu sagen: Wenn der Chef nicht einschätzen kann, ob eine potenzielle junge Mutter oder ein potenzieller junger Vater das Ausfallrisiko im Fall einer Familiengründung ist, wird er womöglich bei der Besetzung eines neuen Postens kein Geschlecht bevorzugen oder benachteiligen.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sowie der maßgeblich vom Bund finanzierte Ausbau der Kinderbetreuungsplätze sind ebenfalls dazu geeignet, eine schnelle Rückkehr von Frauen ins Erwerbsleben zu fördern, so sie denn wollen.

Wenn wir also konstatieren, dass bereits viele Schritte getan sind, es noch ein gutes Stück Weg hin ist bis zu einer reellen Gleichberechtigung von Mann und Frau, viele in unserer Gesellschaft dies aber in ihrer täglichen Lebensrealität nicht empfinden oder zumindest als weniger dringlich einstufen, ist es mir wichtig, die Problematik noch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Der Bericht bezieht eindeutig auch Deutschlands föderale Struktur – seine 16 Bundesländer mit rund 11 000 Kommunen – und die sich daraus ergebenden Aufgabenstrukturen ein.

Stellen wir folgende Überlegung an: Ein nicht zu vernachlässigender Faktor für die Lohnlücke ist die Berufswahl. Wir finden Frauen häufig – Frau Dr. Reimann, Sie erwähnten das – in schlechter bezahlten Dienstleistungsberufen in der Pflege, im Einzelhandel oder in der Kinderbetreuung. Männer dominieren in besser bezahlten Berufen und bei Vorstandsposten. Die Grundlage hierfür legen wir in der Schule, in der Ausbildung und im Studium.

Lassen Sie uns einen Blick in die Klassenräume und die Hörsäle werfen. In Deutsch-Leistungskursen gibt es mehr Mädchen, bei der Informatik als Wahlfach mehr Jungen. Auch in den Klassen, in denen zum Fachinformatiker ausgebildet wird, sind die Jungen in der Überzahl. Der Anteil der Frauen in Maschinenbaustudiengängen steigt; aber auch hier liegen die Frauen immer noch zurück. Bei den Sozialwissenschaften hingegen dominieren die Frauen.

Dass wir im Bereich IT ein Bildungs- und Ausbildungsproblem haben, stelle ich immer wieder fest, wenn ich Schülergruppen zu Besuch habe. Bei den Mädchen – aber auch Jungen erzählen das oft – hält sich die Begeisterung für den Informatikunterricht arg in Grenzen. Es scheint, als müsse man schon eine große Begeisterung für diese vermeintlich langweiligen Dinge mitbringen, um eine Leidenschaft für dieses Thema zu entwickeln.

Was ich damit sagen will: Eine wichtige Grundlage für weniger Diskriminierung am Arbeitsmarkt – und damit bei den Löhnen – legen wir mit unseren Lehrplänen bzw. mit unserem Bildungssystem. Damit sind wir beim Föderalismus und bei den Ländern.

Wenn wir wollen, dass sich diese Form von Männer- bzw. Frauenüberhang in bestimmten Berufsgruppen ausgleicht, müssen wir unseren Kindern verschiedene Themen von Anfang an strukturiert beibringen. Aber das allein reicht noch nicht aus. Wir müssen unseren Schülern die Dinge auch richtig – soll heißen: kindgerecht – beibringen. Einige Menschen müssen aufhören, zu verneinen, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich lernen. Diese Tatsache wird von ihnen als unsäglich gebrandmarkt. Tatsächlich ist das aber so. Das heißt, dass vor allem MINT-Unterricht nicht nur kindgerechter, sondern auch individueller werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist nicht nur für die Jungen und Mädchen selbst, sondern auch für die Wirtschaft wichtig. Die Studienergebnisse im Rahmen des „trendence Schülerbarometers“ 2015 zeigen, dass sich mit knapp 30 Prozent besonders Jungen eine Ausbildung im technischen oder mechanischen Bereich wünschen und nur 11,9 Prozent eine Ausbildung in der Informatik anstreben. Nur 2 Prozent der befragten Mädchen interessieren sich hingegen für eine entsprechende Ausbildung.

Auch bei angestrebten Studienrichtungen lassen sich Unterschiede bei der Beliebtheit seitens der Geschlechter feststellen. Während rund 11 Prozent der befragten Jungen ein Informatikstudium beginnen wollen, sind nur 0,8 Prozent der Schülerinnen daran interessiert. Klar ist: Die IT-Berufsgruppen brauchen Mädchen und Frauen. Die reelle Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt ist nicht nur ein Instrument der Frauenförderung, sondern auch der Wirtschaftsförderung.

Neben den heute schon vielfach angesprochenen Schritten beim Elterngeld, bei der Quote, bei der Rückkehr von Teilzeitarbeit in Vollzeitarbeit und bei vielem mehr ist das diesbezügliche Fitmachen unseres Bildungssystems meines Erachtens eine der wichtigsten Maßnahmen, um das gemeinsame Ziel, die Lohnlücke zu schließen – darüber wurde heute schon vielfach gesprochen –, zu erreichen, damit wir, liebe Ulle Schauws, den Equal Pay Day künftig auch an Silvester feiern können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Katja Dörner.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6598924
Wahlperiode 18
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Übereinkommen gegen Diskriminierung der Frau
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine