Frank JungeSPD - Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pitterle, wenn man mit Ihrer Argumentation jedes Gesetzgebungsverfahren von vornherein begleiten würde, dann würden wir nie Fortschritte erzielen, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger insgesamt besser machen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt ja nicht!)
Der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen bescheinigt den Deutschen in seiner siebten Studie zur Steuerkultur eine hervorragende Steuermoral. Die große Mehrheit der Bürger ist danach steuerehrlich und steht zur Steuerpflicht. Damit rangiert die Moral der deutschen Steuerzahler auf einem selten hohen Niveau.
Bei der Steuermentalität, die sich mit einer gewissen Verzögerung auf die Steuermoral auswirkt, ist es leider anders. Sie drückt aus, welche Einstellungen der Bürger ganz allgemein zum Steuersystem, zur Steuerlast und zur Steuergerechtigkeit hat. Hier ist das Ergebnis so schlecht wie lange nicht. Die große Unzufriedenheit ist in hohem Maße mit darauf zurückzuführen, dass der zeitliche und finanzielle Aufwand zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten als viel zu hoch angesehen wird. Das sehe ich als klares Indiz für den Wunsch der Bürger nach einem einfacheren Steuersystem und einem viel leichteren und unkomplizierteren Umgang damit.
Genau da, liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Umgang mit dem Besteuerungsverfahren setzen wir heute an; denn mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir die rechtliche Basis dafür schaffen, dass zukünftig neben der herkömmlichen Methode zur Erstellung und Bearbeitung der Steuererklärung das massenhafte vollautomatisierte Steuerverfahren stattfinden kann. Wir werden den Weg bereiten, dass der Einsatz der vollständig maschinellen Bearbeitung von Steuererklärungen deutlich gesteigert wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das wird – Herr Meister hat es gesagt – die Finanzverwaltung entlasten. Das wird aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern in absehbarer Zeit zu einem unkomplizierteren und schnelleren Umgang mit ihrem Steuersystem führen.
Damit das gelingt, soll künftig ein wesentlich größerer Anteil der Steuererklärungen vollautomatisch bearbeitet werden; auch das kam zur Sprache. Dazu sind unter anderem automationsgestützte Risikomanagementsysteme erforderlich, die bewerten sollen, ob Steuersachverhalte weiter gehender Ermittlungen und Prüfungen bedürfen oder ob kein Hinderungsgrund für eine vollautomatische Steuerfestsetzung besteht.
Neben einer Beschleunigung der Abarbeitung der Standardfälle soll damit auch erreicht werden, dass sich die Finanzbehörden auf tatsächlich prüfungsbedürftige Fälle konzentrieren können, einfach, weil sie dann mehr Kapazitäten dafür haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eins hervorheben: Seit knapp zwei Jahren arbeiten Bund und Länder an diesem Gesetz Hand in Hand in einem Verfahren, das man meiner Ansicht nach als beispielhaft bezeichnen kann. Herausgekommen ist ein Entwurf, der jetzt bereits schon von einem grundsätzlich positiven öffentlichen Konsens getragen wird. Meine Gespräche mit Vertretern der Branche, wie zum Beispiel den Lohnsteuerhilfevereinen, bestätigen das.
Bei aller Zustimmung für diesen Gesetzentwurf will ich für die SPD-Fraktion jedoch deutlich machen, dass wir an einigen Stellen schon noch Klärungs- und Nachbesserungsbedarf sehen. Das will ich an drei Punkten erläutern.
Erstens: der Verspätungszuschlag. Verspätungszuschläge sollen in Zukunft gesetzlich geregelt werden und ohne Ermessen eines Finanzbeamten definiert werden können. Das ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung; denn damit werden künftig streitanfällige Ermessensentscheidungen komplett vermieden. Allerdings sieht der Gesetzentwurf vor, dass ein Verspätungszuschlag in Höhe von 50 Euro pro Monat bei pflichtigen Jahressteuererklärungen erhoben werden soll. Wenn wir das allen Ernstes so umsetzen, kann bei einem halben Jahr Verspätung – aus welchen Gründen auch immer – nach Adam Ries ein Verspätungszuschlag in Höhe von 300 Euro entstehen. Für Steuerpflichtige, die beispielsweise nur eine geringfügige oder gar keine Erstattung zu erwarten haben, ist eine solche Konstellation absolut unverhältnismäßig. Bei allem Verständnis demnach für Sinn und Zweck eines Verspätungszuschlags: Hier müssen wir nach Ansicht der SPD-Fraktion dringend nachbessern.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens. Die Finanzbehörden sollen ermächtigt werden, bei der Entscheidung über Art und Umfang von Ermittlung und Prüfung – es wurde schon genannt – Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen, um damit unvertretbaren Aufwand zu vermeiden. Das ist auch grundsätzlich okay; denn daraus wird am Ende eine Effizienzsteigerung bei der Bearbeitung erwachsen. Gleichwohl ist zurzeit jedoch überhaupt nicht geklärt, wie präzise „wirtschaftlich und zweckmäßig“ definiert ist und wo da Grenzen liegen. Deshalb brauchen wir an dieser Stelle die nötigen Angaben. Wir brauchen mehr Transparenz, wir brauchen mehr Klarheit, um die Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger besser beurteilen zu können.
Drittens. Vollständig Nutzen aus dem Modernisierungsgesetz wird sich erst dann ziehen lassen, wenn die Implementierung der dafür benötigten Hard- und Software abgeschlossen ist. Dieses komplexe Verfahren soll 2022 beendet sein. Je früher wir aber diesen Prozess umsetzen und einen reibungslosen Betrieb in den Bundesländern sicherstellen können, desto eher profitieren die Finanzverwaltungen und die Bürgerinnen und Bürger von den angestrebten entlastenden und erleichternden Effekten. Darum sollten wir an dieser Stelle – Bund und Länder zusammen – nach Möglichkeiten suchen, diesen Prozess der Einführung der notwendigen IT zu beschleunigen und früher umzusetzen, als bisher geplant.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Trotz unserer kritischen Punkte halte ich den eingebrachten Gesetzentwurf für ausgewogen und gut. Er beinhaltet nach meinem Dafürhalten zielführende Regelungen, um gute Voraussetzungen für eine Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zu schaffen. Damit sichern wir insgesamt nicht nur die Zukunftsfähigkeit, wir stärken damit in gleichem Maße die Serviceorientiertheit der Finanzverwaltung. Am Ende dieses Prozesses – davon bin ich überzeugt – wird der deutsche Steuerzahler profitieren, der zusammengefasst bald wesentlich weniger Aufwand damit haben wird, seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen.
Mit diesem Anspruch, liebe Kolleginnen und Kollegen, lade ich Sie alle – natürlich auch Sie, Herr Pitterle – dazu ein, den vorgelegten guten Entwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens gemeinsam im parlamentarischen Verfahren zu einem noch besseren zu machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ganz herzlichen Dank. – Als nächste Rednerin spricht Lisa Paus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6599101 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 159 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens |