Margaret HorbCDU/CSU - Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Machen wir eine kleine Zeitreise ins Jahr 1919: Der Erste Weltkrieg war gerade zu Ende gegangen, auf den Straßen gab es mehr Pferdedroschken als Autos, und noch gab es längst nicht in allen Amtsstuben Telefon oder Schreibmaschine, aber es gab schon Finanzämter.
Heute beginnen wir die grundlegendste Reform der Abgabenordnung seit 1977. Und das ist dringend notwendig; denn die Welt hat sich verändert. Demografischer Wandel, Digitalisierung und Globalisierung stellen auch unsere Finanzverwaltung vor neue Herausforderungen. In einer Welt, in der in Sekundenschnelle Milliarden von Euro, Dollar und Yen transferiert werden, in einer Welt, in der die Steuersysteme verschiedener Länder gegeneinander ausgespielt werden, in einer Welt, in der sozusagen Millionen von Daten aus verschiedenen Steuersystemen zugeordnet und ausgewertet werden müssen, in dieser Welt muss auch unsere Finanzverwaltung technisch auf der Höhe der Zeit sein. Die Finanzverwaltung des 21. Jahrhunderts wird eine digitale sein, oder sie wird scheitern. Wir sorgen dafür, dass sie nicht scheitert. Wir sorgen dafür, dass sie funktioniert.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Abgabenordnung ist sozusagen der Werkzeugkasten all derjenigen, die am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, also der Steuerzahler, der Finanzverwaltung und der steuerberatenden Berufe. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf legen wir einige neue, modernere Werkzeuge in diesen Werkzeugkasten hinein. Auf die Finanzverwaltung übertragen heißt das zum Beispiel: Die Millionen Steuerbescheide der Arbeitnehmer oder Rentner sollen künftig vollautomatisch erstellt werden können.
Dass wir Effizienz und Wirtschaftlichkeit in den Blick nehmen, heißt aber nicht, dass wir Abstriche bei der Rechtssicherheit, bei der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder bei der Steuergerechtigkeit machen. Ganz im Gegenteil: Die Finanzverwaltung soll sich auf die komplizierten, die komplexen Fälle und auf die Bekämpfung von Steuerbetrug konzentrieren können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sie soll serviceorientierter, effizienter und schneller werden. Der Bund kann dazu neue Werkzeuge in diesen Werkzeugkasten hineinlegen. Aber er ist nicht derjenige, der diese Werkzeuge benutzt. Die Personalhoheit in der Finanzverwaltung liegt aufseiten der Länder. Es geht nicht darum, Finanzpersonal zu ersetzen, sondern es geht darum, Personal effektiver einzusetzen. Selbst die modernsten Werkzeuge nützen nichts, wenn ein gut ausgebildeter Handwerker fehlt, der diese bedienen kann. Und wir machen dieses Gesetz auch nicht allein für die Länder und für die Finanzverwaltung. Ein Steuergesetz ist dann ein gutes Steuergesetz, wenn es die Interessen aller berücksichtigt, die am Besteuerungsverfahren beteiligt sind.
Fast die Hälfte aller Steuererklärungen wird nicht von den Steuerpflichtigen selbst gemacht, sondern von den beratenden Berufen. Es geht gerade um diese komplexen Fälle, die auf diese Weise vorstrukturiert und professionell aufbereitet bei der Finanzverwaltung eingehen. Wenn wir die Lohnsteuerhilfevereine und die Steuerberater nicht hätten, dann könnten wir unsere Finanzämter dichtmachen. Das wird sich auch in der Gesetzesberatung widerspiegeln.
Das Bundesfinanzministerium ist hier mit sehr gutem Beispiel vorangegangen. Länder, Kammern, Verbände, Gewerkschaft und Finanzrichter sind bei der Formulierung mit einbezogen worden. Das Modernisierungsgesetz ist im Dialog entstanden, und so sieht moderne Regierungsarbeit aus.
Zuallererst sind es aber natürlich die Steuerzahler selbst, die im Fokus unserer Arbeit stehen: die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen. Ein faires und ein einfaches Steuerrecht ist nicht nur eine Frage von Steuersätzen oder der Höhe von Pauschbeträgen, sondern es ist auch eine Verfahrensfrage. Wir geben den Ländern die Werkzeuge in die Hand, Steuererklärungen künftig schneller zu bearbeiten. Daten, die von Versicherungen, Arbeitgebern und vielen mehr an die Finanzverwaltung übermittelt werden, sollen auch den Steuerpflichtigen zur Verfügung stehen.
Die vorausgefüllte Steuererklärung werden wir weiter ausbauen. Belege müssen künftig nur noch auf Anfrage eingereicht werden. Am Ende steht auch hier die elektronische Belegübermittlung. Das ist gut, das ist richtig und das ist wichtig. Aber das setzt voraus – das sage ich in aller Klarheit –, dass dafür die notwendige IT vorhanden ist, dass sie schnell eingeführt wird und dass sie vor allem funktioniert. Die Länder müssen die Entwicklung der Steuer-IT mit stärkerem Tempo und mit größerer Entschlossenheit vorantreiben. Es kann nicht sein – da gebe ich Kollegen Pitterle recht –, dass die Unternehmen seit 2013 ihre Bilanzen detailliert aufgeschlüsselt elektronisch einreichen müssen, die Finanzverwaltung aber die Änderung nicht elektronisch zurückübermitteln kann. Die Unternehmen haben ein Recht auf diese Abweichungsanalyse.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Digitalisierung ist und darf keine Einbahnstraße sein. Als Bund können wir die Abgabenordnung anpassen, wo es sinnvoll und notwendig ist. Aber die Länder sind für den Steuervollzug zuständig. Wir, die CDU/CSU, würden gerne das Gesetzgebungsverfahren dazu nutzen, im Bereich der Steuervereinfachung noch weiter voranzukommen. Wir haben der SPD eine Liste mit Vereinfachungsvorschlägen unterbreitet, die wir für finanzierbar und notwendig erachten. Wir sind koalitionsintern noch in den Beratungen. Trotzdem möchte ich zwei der Vorschläge kurz vorstellen.
Erstens. Wir wollen die verbindliche Auskunft als Instrument stärken. Deshalb wollen wir in der Abgabenordnung festschreiben, dass über die Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft innerhalb von sechs Monaten entschieden werden soll. Die Unternehmen sollen damit schneller Rechtssicherheit und Planungssicherheit erhalten.
Zweitens. Wir haben vorgeschlagen, den Vollverzinsungssatz von derzeit 6 Prozent im Rahmen des haushalterisch Machbaren befristet abzusenken. Klar ist aber auch: Wir brauchen dafür die Zustimmung unseres Koalitionspartners und die der Länder.
Auf eine Änderung wollen wir uns in der Koalition verständigen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass es künftig vollautomatische Verspätungszuschläge geben soll. Wir wollen, dass es für Nullbescheide und Steuererstattungen bei der bestehenden Regelung bleibt. Auf dieser Linie wollen wir weitermachen.
Ich freue mich auf die Gesetzesberatung mit dir, lieber Frank Junge, aber auch mit den Kollegen der Opposition im Sinne und zum Wohle der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ganz herzlichen Dank. – Lothar Binding von der SPD-Fraktion hat als letzter Redner in dieser Debatte das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6599124 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 159 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens |