Lothar BindingSPD - Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Margaret Horb, bei allen guten Vorschlägen machen wir mit.
(Margaret Horb [CDU/CSU]: Super!)
Antje Tillmann hat gestern Abend bei der Haarmann-Steuerkonferenz erklärt, dass eine Steuersenkung um 1 Prozent – bezogen auf den von ihr genannten Satz von 6 Prozent – 10 Milliarden Euro kostet.
(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Nein, das ist ein anderes Thema!)
Das ist schon ein besonderes Thema.
Richard, du hast vorhin Fehler beschrieben. Die gravierenden Fehler müssen behoben werden; das ist ganz klar. Aber heute geht es um einen systemischen Wechsel. Jetzt kommt es darauf an, das richtige System zu finden. Eines will ich garantieren: Auch im neuen System wird es Fehler geben. Es wird auch Pannen geben. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Wie fehlertolerant ist das System? Du hast gesagt, allein das Ziel zu beschreiben, sei nicht genug; es komme darauf an, den Weg zu wissen. – Das stimmt; aber sich ohne Ziel auf den Weg zu machen, ist auch schlecht. Insofern sind wir heute auf einem ganz guten Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es geht heute nicht um Steuervereinfachung. Es geht auch nicht darum, dass die Steuern niedrig und gerecht sein sollen; das sind ja unsere Standardziele. Heute geht es um einen Modernisierungsschub – das ist eine andere Kategorie – durch die Einführung einer länderübergreifend einheitlichen IT. Es geht um Wirtschaftlichkeit und Effizienz, es geht um die Schnittstelle zwischen Finanzamt und Bürger.
Dabei geht es darum – das wurde schon gesagt –, dass man die Massenverfahren jemanden machen lässt, der dumm genug ist, das zu können, nämlich den Rechner. Man muss sich auf die prüfungswürdigen Fälle – da geht es meistens um Menschen – konzentrieren; denn das, was prüfungswürdig ist, beschwert den Bürger möglicherweise besonders. Weil man durch das automatisierte Verfahren Zeit gewinnt, kann man sich verstärkt darum kümmern. Dadurch wird die Veranlagung zielgenauer und gerechter. Möglicherweise wird dadurch auch die Prüfdichte in verschiedenen Ländern erhöht, die gedacht haben, sie könnten mit der Frage des Personals so oder so umgehen. Ich glaube, dass da eine gewisse Gleichmäßigkeit erreichbar ist.
Aus Sicht der Bürger wird der Service besser. Wir erwarten mehr digitale Auskünfte. Es gibt eine elektronische Erklärung, elektronische Belege, elektronische Meldungen von Dritten – Rentenversicherung, Sozialversicherungen, Zuwendungen, steuererhebliche Meldungen, und das alles automatisch. Das klingt gut, und es ist auch gut, wenn es so kommt.
Lisa Paus hat vorhin einen kritischen Punkt angesprochen – den sehen wir auch –: Wird eigentlich der Amtsermittlungsgrundsatz im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit bei der Entwicklung des automatischen Onlinesystems ordentlich berücksichtigt? Das ist sicherlich eine Sache, über die wir noch sprechen müssen. Du hast von einem Kontrollerfordernis gesprochen. Das sehen wir auch. Wir sind da noch nicht ganz am Ende, aber, wie gesagt, auf einem guten Weg.
Wir wissen auch noch nicht genau, wie das mit dem Risikomanagement funktionieren soll und was man eigentlich weglassen soll. Sollen wir zum Beispiel die Steuererklärungen von Leuten mit hohem Einkommen nicht mehr prüfen, weil diese Leute sowieso ehrlich sind? Oder sollen wir viele Steuererklärungen von Leuten mit kleinem Einkommen nicht mehr prüfen, weil es sowieso unerheblich ist? Wir müssen noch ein bisschen über das Risikomanagement nachdenken.
Eine Sache vermissen wir noch im Gesetz, allerdings verständlicherweise, nämlich den Aspekt der Datenhoheit, der Hoheit über die Daten des Steuerpflichtigen. Mit der Ausweitung der Nutzung von Kommunikationstechnik und Datenverarbeitung müsste eigentlich auch eine Erweiterung der bereichsspezifischen Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit einhergehen. Das fehlt jetzt hier. Allerdings gilt das allgemeine Datenschutzrecht ja trotzdem. Wir wissen aber, warum dieser Aspekt fehlt: weil die Datenschutz-Grundverordnung in Europa noch nicht so weit ist. Wir wissen: Wenn wir da jetzt etwas regeln, dann müssen wir die entsprechende Regelung bald an die Datenschutz-Grundverordnung anpassen. Wir hätten dann zwei Regelungen, die sich möglicherweise widersprechen. Das bedeutet unnötige Arbeit. Also warten wir, bis die Verantwortlichen auf europäischer Ebene damit fertig sind, und passen die Regelungen dann an. Das allgemeine Datenschutzrecht gilt aber. Insofern ist die Lücke erträglich, wenn man auf europäischer Ebene hinreichend schnell arbeitet und sie nur kurze Zeit besteht.
Ich habe mir überlegt: Es gibt einen Notanker für einen Steuerbürger, der meint: Ich muss unbedingt an der Bearbeitung meiner Steuererklärung durch den Rechner vorbeikommen und die Aufmerksamkeit eines Menschen wecken, der sich meine Steuererklärung genauer anschauen soll. – Für diesen Fall gibt es ja das Freitextfeld. Wenn man etwas in das Freitextfeld schreibt – das klingt sehr technisch, aber immerhin ist das eine Möglichkeit –, dann erzwingt man damit, dass sich ein Mensch um die Steuererklärung kümmert. Ich finde, das ist ein ganz guter Notanker für den Bürger, der sagt: Ich will mich doch nicht nur vom Rechner veranlagen lassen.
Um es zusammenzufassen: Insgesamt haben wir eine gute Diskussionsgrundlage geschaffen, mit der wir sehr schön weiterarbeiten können. – Frau Präsidentin zeigt gerade an, dass ich mit meiner Redezeit schon 43 Sekunden im Minus bin.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6599136 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 159 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens |