26.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 159 / Tagesordnungspunkt 23

Karsten MöringCDU/CSU - Änderung des Bundesberggesetzes (Fracking-Technik)

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Verlinden, ich verstehe nicht, weshalb Sie es so bemängeln, dass wir noch keinen Gesetzentwurf verabschiedet haben, obwohl Sie doch genau wissen, dass wir aufgrund von Vereinbarungen mit den Unternehmen, die fördern, und aufgrund von Vereinbarungen mit den verschiedenen Landesregierungen de facto seit Jahren nicht fracken.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber eine Rechtssicherheit nützt allen!)

Noch viel mehr wundert mich Folgendes: Sie haben vorhin sehr ausführlich dargelegt, welche schrecklichen Ereignisse es in der jüngeren Vergangenheit – sprich: in den letzten ein, zwei Jahren – alles gegeben hat, die auf das Fracking zurückzuführen sind. Da frage ich mich: Wie geht das? Seit Jahren wird nicht gefrackt,

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh man!)

aber aktuell soll es lauter Probleme geben, die durch das Fracken zustande gekommen sind.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manche Folgen kommen erst später!)

– Nein. Liebe Frau Verlinden, es geht um etwas ganz anderes. Mit diesem Gesetzentwurf betreiben Sie, um es einmal deutlich zu sagen, absoluten Etikettenschwindel,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und zwar ganz einfach aus folgendem Grund: Sie sagen, Sie folgen den Hauptempfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, und die verlangen ein Fracking-Verbot.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt!)

Der Bundesrat verlangt das aber gar nicht. Er hat differenziert Stellung genommen und gesagt, welche Verbesserungen er sich vorstellen kann. Das werden wir zu einem erheblichen Teil auch berücksichtigen und in den Gesetzentwurf schreiben.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das läuft aber auf ein Fracking-Verbot hinaus!)

Wir werden aber kein Verbot regeln.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sehen Sie dann die Änderungen im Gesetzentwurf von Ihnen? Das, was Sie vorhaben, erzählen Sie den Wählern erst nach der Landtagswahl!)

Sie haben dann gesagt, es gebe sehr viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Und dann schaffen Sie mit drei wenigen Zeilen alle Probleme aus der Welt!

Schauen wir uns das doch einmal genauer an:

Erster Punkt. Sie sagen, Sie wollen kein Fracken zur Förderung von Kohlenwasserstoffen, weil Fracken schlimm ist. Fracken für Geothermie kommt bei Ihnen aber nicht vor. Es gibt also gutes und schlechtes Fracken. Das scheint mir nicht besonders konsequent zu sein.

Zweiter Punkt. Wenn wir Ihrem Gesetzentwurf zustimmen würden, dann wäre die Folge, dass die Niedersächsische Landesregierung, an der Ihre grünen Par­teifreunde beteiligt sind, im Bundesrat dagegenstimmen müsste;

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir dann erst einmal sehen!)

denn die Niedersächsische Landesregierung legt größten Wert darauf, dass wir so bald wie möglich wieder mit der bisherigen Form des Frackings – wenn auch unter verschärften Bedingungen – beginnen können, damit die Förderung von Gas nicht mehr auf das halbe Niveau zurückfallen kann, wie das vor ein paar Jahren geschehen ist, und damit der niedersächsische Haushalt einige 100 Millionen Euro mehr an Konzessionsabgaben vereinnahmen kann. Verkaufen die Grünen in Niedersachsen ihre Vorstellungen für höhere Haushaltseinnahmen?

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)

Oder sind sie wie wir der Meinung, dass die Risiken bei diesem Fracken beherrschbar sind? Ich glaube, das zweite ist der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal die Aussagen der Grünen aus Niedersachsen zu diesem Thema!)

Ansonsten müssten Sie Ihren Parteifreunden sagen, dass sie eine unverantwortliche Politik machen. Das tun Sie aber nicht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen gar keine Politik! Das ist der Unterschied! Wo ist denn der Gesetzentwurf?)

– Auch wir machen Politik, Herr Krischer. Warten Sie es ab.

Der nächste Punkt in diesem Zusammenhang. Sie schreiben von zahlreichen Übeln und Problemen. Gehen wir sie einmal der Reihe nach durch: Krebsgefahr. In epidemiologischen Studien ist das Krebsrisiko statistisch erfasst. Keiner kann sagen: Gibt es einen Kausalzusammenhang, oder woher kommt dieses Risiko?

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Können Sie das Gegenteil beweisen?)

Welche Konsequenz ergibt sich daraus? Das ist genau das, was die niedersächsische Regierung und das Bundesgesundheitsministerium machen. Sie gehen der Frage nach: Gibt es einen Zusammenhang, oder wo ist die Quelle einer solchen statistischen Häufung? Dazu kann man sagen, dass bei den Beschäftigten, die in der Öl- und Gasförderung tätig sind, solche Erkrankungen nicht aufgetreten sind.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Weil sie nicht untersucht werden!)

– Hören Sie auf! Natürlich wird das untersucht.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Nein!)

Glauben Sie nicht, dass jemand, der in diesem Bereich gearbeitet hat und bei dem Krebs diagnostiziert wird, auf die Idee kommt, einen Zusammenhang herzustellen, wenn das in der Öffentlichkeit diskutiert wird? Pardon, aber das ist blauäugig.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da klatschen noch nicht mal Ihre eigenen Kollegen! – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Witz ist aber nur: Das hat im Zweifelsfall mit der Gasförderung zu tun, aber nicht mit Fracken. Sie aber sagen: Fracken ist das Übel.

Seismische Erschütterungen. Alle seismischen Erschütterungen, die nennenswerte Bedeutung haben, sind entweder aufgetreten, ohne dass ein Frack-Vorgang vorlag, zum Beispiel aufgrund von Druckentlastung in der Lagerstätte, oder weil beim Verpressen von Lagerstättenwasser mit zu hohem Druck gearbeitet worden ist oder Schwachstellen aufgetreten sind.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie jetzt dagegen tun? – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Fragen Sie mal Ihre Kollegen!)

Daraus aber wollen Sie ein Fracking-Verbot herleiten. Daraus können Sie ein Verbot der Verpressung von Lagerstättenwasser herleiten, wenn Sie wollen, oder ein Verbot der Förderung schlechthin.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge?)

Aber mit Fracken hat das nichts zu tun.

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Sicher hat das mit Fracken zu tun!)

Nächster Punkt: Lagerstättenwasser. Es gibt belastetes Lagerstättenwasser. Das kommt aber bei jeder Förderung hoch und hat ebenfalls mit Fracken nichts zu tun.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir doch! Das wollten Sie aber alles letztes Jahr regeln!)

Warum sagen Sie denn, Sie wollen Fracken verbieten, wenn das, was Sie hier als Schäden anführen, nichts anderes als das ist, was bei der Förderung schlechthin passiert?

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge? – Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Quatsch!)

Dann sagen Sie doch gleich: Wir wollen die Gasförderung einstellen. – Das wäre doch wesentlich ehrlicher. Aber auch das funktioniert nicht. Deswegen stürzen Sie sich auf so etwas.

Letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Verunreinigung von Grundwasser. Frack-Fluid wird in Zukunft nicht giftig sein.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das höre ich schon seit fünf Jahren!)

Das haben wir schon mehrfach gesagt, auch bei früheren Diskussionen. Die Problematik der Grundwasserverunreinigung entsteht, wenn überhaupt, durch belastetes Lagerstättenwasser. Wie wir damit umgehen, werden wir in unserem Gesetzentwurf – das ist einer der schwierigsten Punkte – vernünftig regeln.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann sehen wir den denn mal?)

– Warten Sie doch noch ein bisschen. Ich will ja nicht den alten Satz bemühen, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht. Aber Sie als Opposition haben einen Vorteil. Sie legen einen Antrag mit drei Sätzen vor. Wir aber werden einen Gesetzentwurf mit 20 oder 30 Seiten vorlegen, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssen. Darin werden dann nämlich Dinge geregelt, die Sie völlig ausblenden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die blenden wir nicht aus! Die stehen in unserem Entschließungsantrag, den wir letztes Jahr pünktlich fertig hatten!)

Sie benutzen das Thema Fracken, weil das so schön praktisch ist. Darunter subsumieren Sie auch alles andere; denn Fracken passt so gut zu Schrecken. Damit kann man in der Öffentlichkeit richtig Aufregung produzieren. Das tun Sie. Aber die sachlichen Punkte, um die es wirklich geht, kommen bei Ihnen nicht vor.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die stehen in dem Entschließungsantrag vom letzten Jahr!)

Wollen Sie vielleicht auch die Gefahrstofftransporte auf den Straßen verbieten? Was ist denn mit einem Tankschiff auf dem Rhein oder auf der Elbe, in dem Tausende von Litern problematischer Flüssigkeiten transportiert werden, die bei einem Unfall ins Grundwasser geraten könnten? Was ist mit Tankwagenunfällen auf der Autobahn?

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ignorieren die Probleme, die gerade existieren!)

Bei diesen Risiken sagen Sie: Okay, das ist Alltag. Das müssen wir hinnehmen. Diese Transporte haben ja auch Vorteile. – Aber beim Thema Fracken heißt es bei Ihnen: Daumen runter. Fracken müssen wir verbieten. – Das ist zu einfach. Das können wir uns als Industrieland überhaupt nicht leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen sich endlich um die Herausforderungen kümmern! Sie sind an der Regierung!)

Sie schreiben am Schluss Ihres Gesetzentwurfs unter Alternativen: „Beibehaltung des unsicheren Zustandes ...“, was Sie natürlich nicht wollen. Da haben Sie recht. Aber Ihre Alternative ist falsch. Denn die Alternative zu Ihrem Gesetzentwurf ist ganz einfach ein ordentliches Gesetz, sorgfältig abgewogen und mit genauen Regelungen, wie wir die Risiken minimieren oder verhindern, und zwar gemäß dem, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Darin heißt es nämlich:

Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang … Den Einsatz umwelttoxischer Sub­stanzen … lehnen wir ab.

Genau so werden wir den Gesetzentwurf machen, und das werden Sie dann auch lesen müssen, von der ersten bis zur letzten Seite.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Hiltrud Lotze von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6599221
Wahlperiode 18
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundesberggesetzes (Fracking-Technik)
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta