Jens KoeppenCDU/CSU - Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass dieses Thema sehr ambivalent angegangen wird, war klar. Die Staatssekretärin hat versucht, auf Vorteile und Nachteile hinzuweisen. Aber dass bei Ihnen alles falsch war, ist wieder bezeichnend. Ich will einmal versuchen, mich der Sache realistisch zu nähern.
Man fragt immer: Können intelligente Systeme alle Probleme lösen? Natürlich können sie nicht alle Probleme lösen. Für die einen ist die Digitalisierung Teufelszeug, und für die anderen ist sie der Heilsbringer.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Beides ist falsch!)
Ich muss sagen: Nicht nur null und eins zählen oder schwarz und weiß, sondern wir brauchen die entsprechenden Graustufen. Das ist doch ganz klar. Die einen sagen: Das ist für uns das Thema, um die Energiewende voranzubringen. – Die anderen sagen: Damit ist dem Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet. Die einen sagen, es ist transparent und verbraucherfreundlich; die anderen sagen, es können Profile erstellt werden. Dann wird natürlich gesagt: Es wird eine neue kritische Infrastruktur aufgebaut. Aber es ist nicht wie bei Marc Elsberg in Blackout, sondern hier geht es um eine Technologie, die beherrschbar ist und die kommen soll.
Eins muss man auch sagen: Es geht um eine europäische Richtlinie, die vereinbart wurde und in nationales Recht umgesetzt werden muss. Jetzt müssen wir schauen: Wie bekommen wir das am besten hin, mit allen bestehenden Vorteilen? Ich möchte einmal versuchen, mich den Möglichkeiten, den Chancen und dem Nutzen zu nähern, um zu zeigen, was wir von dieser Technologie haben.
Zunächst denke ich, dass – da sind wir uns mit allen in der Branche einig, auch mit den Verbraucherschutzverbänden – ein transparenter Energieverbrauch möglich ist, dass eine transparente Abrechnung möglich ist, dass eine Visualisierung – da haben Sie vollkommen unrecht, Herr Lenkert – möglich ist. Dadurch entsteht mehr Energieeffizienz. Ich kann in meinem Haushalt Stromfresser ausfindig machen und dementsprechend ausschalten.
Und natürlich habe ich dadurch einen variablen Stromverbrauch. Natürlich habe ich variable Tarife. Natürlich kann kundenbezogen, angebotsbezogen gearbeitet werden. Das ist alles nachgewiesen. Ich darf nur daran erinnern: Wir hatten ja früher die Nachtspeicherheizung; Sie werden sich daran erinnern, wir haben sie eigentlich immer noch.
(Zuruf von der SPD: Ich habe die immer noch!)
Da gab es eine analoge Uhr. Die hat man von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens eingeschaltet, und dann hat man das Nachttal aufgefüllt. Die neue Technologie bietet demgegenüber eine große Chance. In der Uckermark und in Barnim zum Beispiel stehen 700 Windkraftanlagen. Aber es gibt nicht genügend Netze, die den Strom angebotsbezogen zum Verbraucher schaffen. Es könnte doch eine Möglichkeit sein, dass, während ich hier mit Ihnen rede, der intelligente Zähler sagt: Der Strom ist jetzt 20 Prozent günstiger; also ist es jetzt sinnvoll, dass das Haus geheizt wird oder der Supermarkt seine Klimaanlage anschaltet, was auch immer. Das ist immerhin besser, als den Strom abzuschalten und trotzdem zu vergüten, wie es zurzeit bei Redispatch möglich ist. Das wollen wir erreichen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und es ist auch möglich, Überproduktion bei einer geringen Nachfrage in nutzbare Energie zu verwandeln.
Natürlich ist die Direktvermarktung von erneuerbaren Energien auch ein Thema bei Smart Metern, bei diesen intelligenten Systemen. Wir bekommen die Volatilität, die wir bei erneuerbaren Energien nun einmal haben, dadurch ein bisschen besser in den Griff, dass der Strom dann, wenn er – bei großer Windstärke oder starker Sonneneinstrahlung – verfügbar ist, angebotsbezogen an die Kunden geleitet wird. Und ich erreiche durch die Spannungsstabilität eine entsprechende Netzstabilität und auch eine bessere Auslastung des Netzes. Wenn wir das flächendeckend haben, können wir eventuell sogar auf das eine oder andere Netz verzichten.
Aber wo es Licht gibt, gibt es auch Schatten, und darauf muss man ganz klar eingehen. Die Staatssekretärin hat völlig zu Recht gesagt: Wir haben den weltweit konsequentesten Ansatz bei dieser Technologie; denn wir sagen: Wir lassen nur intelligente Zähler zu, die ein ganz klares Schutzprofil haben, vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert. Ohne dieses Zertifikat darf es keinen Zähler geben. Dieser Schutz der Verbraucherdaten steht für uns an oberster Stelle. Das sehen Sie auch an den Papieren vom Ministerium; erst danach kommen die Vorteile. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Eins muss man auch klar sagen: Bis 10 000 Kilowattstunden – der Durchschnitt liegt bei 3 500 bis 4 000 – passiert überhaupt nichts. Da bekommen Sie wie bisher einmal im Jahr eine Abrechnung; einmal im Jahr werden die Daten übermittelt,
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außer der Messstellenbetreiber will das!)
wenn man nicht einen anderen Tarif haben möchte. Wenn man bei dem Tarif bleiben möchte, gibt es eine einmalige Übertragung im Jahr, und damit ist es gut. Das können Sie selbst entscheiden. Es gibt das Opt-in, es gibt das Opt-out; man kann sagen, ob man das möchte oder nicht.
Es gibt ganz klare und ganz strenge Löschvorschriften. Es gibt keine detaillierten Nutzerprofile. Sie können keine Profile auslesen. Sie können keine Lebensgewohnheiten, wie es eben gesagt wurde, auslesen. Sie werden nicht von Ihrem Kühlschrank ausspioniert. Denn die Daten werden aggregatisiert und anonymisiert abgegeben. Ich glaube, es ist wichtig, zu wissen, dass man, wenn man keinen anderen Tarif wählt, das nutzen kann.
Es gibt – das ist ganz klar – natürlich keinen hundertprozentigen Schutz; den gibt es nirgendwo in der Welt. Aber sich daher zu verstecken und zu sagen: „Wir müssen das Ganze so lange regulieren, dass dieses Geschäftsmodell und die damit verbundenen Chancen nicht mehr möglich sind“, halte ich für falsch.
Ich möchte, auch mit Blick auf das Ministerium, noch auf einige Punkte in diesem Gesetzentwurf eingehen.
Ich persönlich denke, dass das Rollout in Deutschland zu lange dauert. Der Großteil des Rollouts besteht darin, dass wir erst 2020 mit der Installation der Zähler anfangen. Schon zuvor müssen bei einigen Großverbrauchern die neuen Zähler installiert werden; aber erst ab 2020 geht es so richtig los. Dann werden viele Länder in Europa mit der Installation schon fertig sein. Wir hingegen werden dann erst mit der Installation von 80 Prozent dieser Anlagen beginnen. Ich weiß nicht, ob das so gut und ob das dann noch wirtschaftlich ist. Wenn andere Länder besser sind, verlieren wir auch hier den Anschluss und können das, was wichtig und notwendig ist, nicht nutzen. Vielleicht sollten wir da ein bisschen zügiger vorangehen.
Ein weiterer Punkt ist – er bereitet mir ein bisschen Bauchschmerzen –: Im Gesetzentwurf steht, dass die Datenauswertung und die gesamte Bilanzierung bei den vier großen Übertragungsnetzbetreibern angesiedelt sein sollen. Das sollten wir überdenken.
(Beifall des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich meine, dass es besser wäre, wenn die Daten ein Stadtwerk auswertet und nicht die vier großen Netzbetreiber. Ich glaube, das Vertrauen der Menschen in die Verteilnetzbetreiber ist größer als das in die Übertragungsnetzbetreiber. Ich stelle einfach einmal zur Überlegung, dass wir in der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzentwurfs da noch eine Änderung zustande bringen. Ich hielte das für besser, insbesondere was die Akzeptanz durch die Menschen angeht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Bei der Auskömmlichkeit sollten wir vielleicht noch ein paar Gedanken darüber verschwenden, ob die Preisobergrenzen den Brutto- oder den Nettowert angeben. Es geht dabei um all das, was eingepreist werden muss. Ich bin für flexible Preisobergrenzen. Viele Anbieter sagen nämlich: Es ist möglich, Preise unter den Preisobergrenzen, die jetzt gesetzt wurden, festzulegen. Vielleicht kann man das Ganze flexibler gestalten. Aber wir müssen überlegen – es wäre gut, bis zur nächsten Lesung diesbezüglich noch ein paar Berechnungen zu bekommen –: Geben die Preisobergrenzen den Brutto- oder den Nettowert an? Wie gestalten sich die Preisobergrenzen ganz genau? Darüber sollten wir in der Anhörung noch einmal miteinander beraten.
Meine Damen und Herren, Smart Meter, das ist kein Selbstzweck. Das ist eine große Innovationskraft, die Deutschland nutzen sollte. Wir sind bei der Digitalisierung oft Vorreiter gewesen. Mittlerweile sind wir aus Angst vor der eigenen Courage aber selbst ein bisschen Bremser. Wenn wir die Fragen offen angehen und letztendlich miteinander gut beraten, auch bei unserer bevorstehenden Anhörung, können wir zu einem guten Ergebnis kommen. Das wünsche ich mir.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Oliver Krischer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6599327 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 159 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende |