Hansjörg DurzCDU/CSU - Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verschiedene Redner haben unterschiedliche Stellen im Gesetzesentwurf kritisiert und Verbesserungen vorgeschlagen. Das ist auch absolut nachvollziehbar. Herr Lenkert hat gemeint, dass das Thema insgesamt überhaupt nichts mit der Energiewende zu tun hat. Das verwundert mich schon ein klein wenig.
Wir sind uns bei der Digitalen Agenda insgesamt absolut einig, dass die Digitalisierung ein ganz zentraler Baustein der Energiewende sein wird. Demnach sind wir uns bei der Digitalen Agenda über alle Fraktionen hinweg einig, dass wir diesen Bereich voranbringen müssen. Ich werde versuchen, einmal zu erläutern, warum es doch einen Zusammenhang zwischen Energiewende und Digitalisierung gibt.
Bei der Energiewende, beim Ausbau der erneuerbaren Energien kommen wir stetig voran. Im Jahr 2015 lag der Anteil der Erzeugung – das wissen Sie alle sehr gut – bei etwa einem Drittel des Stromverbrauchs. Wir sind damit über Plan. Damit erreichen die Erneuerbaren im Vergleich zum Jahr 2000, wo es noch ein Anteil von 7 Prozent war, mittlerweile einen Anteil von 33 Prozent. Während der Anteil der konventionellen Erzeugung stetig gesunken ist, hat sich der Anteil der Erneuerbaren mehr als verachtfacht. Ausfluss dessen ist, dass in Deutschland mittlerweile über 1,5 Millionen EEG-Anlagen in das Netz einspeisen. Das zeigt sehr deutlich, dass die Transformation des Energiesektors mit großen Schritten vorankommt. Wir befinden uns in einer gigantischen Umbaumaßnahme des kompletten Energieversorgungssystems. Während in der alten Welt nur in eine Richtung Energie floss, nämlich vom Erzeuger hin zum Verbraucher, ist das dezentrale Energieversorgungssystem der Zukunft durch bilaterale Energie- und damit auch Informationsflüsse gekennzeichnet.
Mit der Zunahme der Zahl kleiner und dezentraler Stromerzeuger nimmt auch der Anteil von Erzeugungseinheiten zu, die fluktuierend in das Netz einspeisen. Sonne und Wind stehen im Jahresverlauf nicht immer planbar und verlässlich zur Verfügung. Zudem erfolgt die Einspeisung zumeist regional unterschiedlich und selten über das ganze Land verteilt einheitlich. Diese Volatilität stellt uns vor enorme Herausforderungen. Diesen begegnen wir unter anderem durch den Ausbau der Netze, der Übertragungs- und der Verteilnetze. Wir brauchen aber nicht nur mehr Netze, sondern insbesondere intelligentere Netze. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bietet uns die Digitalisierung hier enorme Chancen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bei den Netzverbrauchern, den Netzbetreibern und den Erzeugern fallen riesige Mengen von Daten an, die bislang weitgehend brachliegen. Ziel des Gesetzentwurfs ist, die Letztverbraucher in Deutschland mit sogenannten intelligenten Messsystemen auszustatten, die zukünftig als Kommunikationsplattform im intelligenten Energienetz dienen. Die intelligenten Messsysteme sind damit ein zentraler Baustein der Energiewende. So werden Stromerzeuger und Verbraucher intelligent miteinander verknüpft, damit Informationen über Erzeugung und Verbrauch ausgetauscht werden können. Damit stehen den Netzbetreibern genauere Daten zur Verfügung, die ihnen helfen, das Netz zu optimieren und den Ausbaubedarf exakter bewerten zu können. Das erhöht die Versorgungssicherheit und spart auch Kosten.
Die Digitalisierung der Energiewende hat aber nicht nur Vorteile für die Integration der Erneuerbaren, sie ist nicht nur für die Netzentwicklung von entscheidender Bedeutung, für die Energiewende insgesamt, sondern sie bringt auch große Vorteile für die Bürger, was gelegentlich ein bisschen angezweifelt wird.
Zum einen wandelt sich die Rolle des Verbrauchers grundlegend. Der ehemals inaktive Konsument kann sich mit Unterstützung von digitaler Infrastruktur zum – neudeutsch – Prosumer entwickeln. Dieser partizipiert aktiv am Energieversorgungssystem. Im einen Moment kann der Haushaltskunde Konsument sein und Strom von seinem Anbieter beziehen, im nächsten Moment kann er als Produzent von Strom auftreten, indem er durch seine PV-Anlage oder seine Wärmepumpe seine eigene Energie umwandelt und diese in das Netz einspeist. Dies ist einer der Vorteile, der mit der Digitalisierung der Energiewende verbunden ist. Er schafft die technische Voraussetzung, dass der Bürger zum aktiven Akteur der Energiewende werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Zum Zweiten kann es durch die intelligente Nutzung von Daten außerdem gelingen, über Marktsignale Anreize zu schaffen. Für den Stromkunden wäre es dank innovativer, flexibler Tarife möglich, genau dann Strom nachzufragen, wenn dieser besonders reichlich zur Verfügung steht und entsprechend günstig zu erwerben ist.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber genau dafür schaffen Sie mit dem Gesetz keine Grundlage! Das ist doch das Problem!)
Andererseits besteht für Erzeuger die Möglichkeit, ihre Anlagen in Verbindung mit einem Speicher zum Beispiel so zu steuern, dass sie ihren Strom dann anbieten, wenn dieser besonders gefragt und entsprechend teuer ist.
Gleichzeitig erhält der Verbraucher eine weitaus bessere Verbrauchsanalyse als heute, mit der er auf Grundlage präziser Informationen sein Verbrauchsverhalten auswerten kann. Praxiserfahrungen zeigen, dass bereits Verbrauchstransparenz zu Verbrauchsreduktion führen kann.
Bei allen Vorteilen, die mit der Digitalisierung der Energiewende verbunden sind, werden wir bei der Ausgestaltung auch die Risiken genauer in den Blick nehmen. Im Zuge der Digitalisierung müssen wir uns immer auch die Frage stellen: Was passiert mit den Daten? Mit der zunehmenden Vernetzung müssen die Fragen des Datenschutzes sowie der Datensicherheit mitgedacht werden. Wir brauchen eine hochsichere Kommunikationsinfrastruktur für unser Energiesystem. Das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entwickelte Schutzprofil sowie die technischen Richtlinien versprechen ein enorm hohes Schutzniveau; das ist bereits mehrfach bei Kollegen angeklungen. Übrigens sprechen Experten sogar davon, dass wir hier ein Schutzniveau erreichen, das über dem des Onlinebankings liegt. Daran sieht man auch: Sicherheit hat höchste Priorität.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dennoch: Aufgrund des erhöhten Anfalls von Daten, die Aufschluss über das Verbrauchsverhalten von Haushalten geben können, ist der Einbau datenrechtlich sensibel. Daher werden wir Wert darauf legen, dass der Kunde Herr über seine Daten bleibt und der notwendige Schutz sowie die erforderliche Sicherheit bei der Übermittlung der Daten gewährleistet werden. Zudem werden wir eingehend beraten, welcher Akteur wann auf welche Daten Zugriff haben muss. Hier geht es um das Verhältnis zwischen Verteilnetzbetreibern und Übertragungsnetzbetreibern, das bereits mehrfach angesprochen wurde. Ein weiteres Argument, darüber zu reden, ist, dass keine Parallelstrukturen aufgebaut werden sollen. Da nicht alle zum Umstieg auf neue Messinstrumente gezwungen werden sollen, gibt es auch noch die alte Welt, und sie liegt in der Zuständigkeit der Verteilnetzbetreiber. Hier muss man aufpassen, dass keine Parallelstrukturen entstehen.
Zudem unterstützen wir nachdrücklich den Ansatz, den Rollout zu angemessenen Kosten voranzutreiben, aber eben keinen Rollout um jeden Preis zu erzwingen. Im Gesetzentwurf ist deshalb vorgeschlagen, dass es bei einem Jahresverbrauch von weniger als 6 000 Kilowattstunden keine Einbaupflicht geben wird. Auf freiwilliger Basis kann aber ein Einbau erfolgen, wenn der Verbrauch darunterliegt; auch das ist bereits angeklungen.
Der mit intelligenten Messsystemen verbundene Nutzen wird von Verbraucherschützern gelegentlich in Zweifel gezogen. Hier bedarf es einer noch besseren Kommunikation der vielfältigen Vorteile, die mit der Digitalisierung einhergehen: Die Digitalisierung schafft bessere und effizientere Netze. Die Digitalisierung schafft mehr Transparenz für Verbraucher. Die Digitalisierung schafft die Voraussetzung dafür, dass der Bürger zum aktiven Akteur der Energiewende werden kann. Lassen Sie uns in den nächsten Wochen darüber diskutieren, wie wir einen guten Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren noch besser machen und somit die Energiewende durch sichere Digitalisierung wieder ein ganzes Stück voranbringen können.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist noch mit Defiziten behaftet!)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Auch ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächster Redner hat Johann Saathoff von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6599406 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 159 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende |