Matern von MarschallCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 17./18. März 2016 in Brüssel
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für diese Vorschusslorbeeren,
(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und ich will meinen Dank auch gerne gleich mit einem Kompliment an die Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion verbinden. Dass Sie die Politik der Bundeskanzlerin heute so ausdrücklich unterstützen, ist natürlich erfreulich. Ich würde mir aber auch wünschen, dass sich das auch in Ihrem Zustimmungsverhalten im Bundestag niederschlägt. Ich darf an das Asylpaket II erinnern. Damals haben Sie vollständig dagegen gestimmt. Diese Diskrepanz werden wir hoffentlich vielleicht noch ausgeräumt sehen.
Herr Bartsch, nachdem ich Ihren Entschließungsantrag gelesen hatte und Ihre Einlassungen heute zur Kenntnis nehmen musste, habe ich erkannt, dass Sie mit aller Vehemenz gegen eine europäische Lösung, gegen eine Kooperation der Europäischen Union mit der Türkei arbeiten.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das Gegenteil ist der Fall!)
Das allerdings, Herr Bartsch, wird in erster Linie dazu beitragen, dass es verstärkt zu nationalen Lösungen kommt. Und das wiederum – da können Sie ganz sicher sein – wird noch mehr auch Ihrer Wähler in die Arme der AfD treiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt möchte ich im Detail auf das Rückübernahmeabkommen zu sprechen kommen, das zwischen Griechenland und der Türkei – genau darum geht es nämlich – getroffen worden ist. In diesem Rückübernahmeabkommen, das übrigens schon länger besteht, geht es sehr wohl darum, dass jeder Einzelne eine Anhörung bekommt und dass auch jedem Einzelnen die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsbeistandes eröffnet wird. Insofern geht es dabei nicht um eine pauschale unrechtmäßige Zurückweisung. Auch wird nicht etwa – was hier als Kritik geäußert worden ist – möglicherweise verfolgten türkischen Bürgern der Rechtsschutz verwehrt. Sie könnten dann natürlich in der Europäischen Union um ein Asylverfahren nachsuchen.
Im Zentrum dessen, was jetzt vereinbart werden könnte, ist ein ganz enormes Potenzial. Dabei geht es darum, dass fast niemand mehr als illegaler bzw. irregulärer Migrant über den gefährlichen Seeweg kommen muss. Das ist natürlich bemerkenswert, weil damit Verbrechern, die sich als Schleuser betätigen und Menschen in Lebensgefahr bringen, die Geschäftsgrundlage entzogen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es richtig!)
Das ist eben ein humanitärer Ansatz und kein – so haben Sie es in Ihrem Entschließungsantrag formuliert – Menschenhandel. Auch wird die Türkei nicht – so haben Sie es gleichfalls dort formuliert – in ein Gefängnis verwandelt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit dem 3-Milliarden-Euro-Paket, das bis 2018 aufgestockt werden soll, wird – unter Einsatz des BMZ und gerade auch unter Einsatz der GIZ – in der Provinz Gaziantep ein wichtiger, ganz zentraler Schwerpunkt insofern gesetzt, als die syrischen Flüchtlinge in den infragekommenden türkischen Gemeinden angenommen werden, dass die Kinder der Flüchtlinge in den Schulen dieser Gemeinden Plätze finden, um zu lernen, auch um die türkische Sprache zu erlernen. Weiterhin soll den Flüchtlingsfamilien die Möglichkeit geboten werden, in diesem Nachbarland Syriens Fuß zu fassen. Sie können nach dem Ende des Bürgerkrieges hoffentlich auch in ihre Heimat zurückkehren.
Selbstverständlich ist dieses Konzept in eine Kette weiterer Maßnahmen eingebettet. Dabei geht es auch um das Anliegen, dass die Türkei gegenüber Drittstaaten Visaverpflichtungen geltend macht. Dabei geht es nicht mehr etwa nur um den Irak und den Iran, bei denen das schon geschehen ist, sondern eben auch um die Maghreb-Staaten, damit die Menschen aus diesen Ländern die Türkei nicht als Transitland benutzen, um auf diesem Wege zu uns zu kommen. Es handelt sich also um ein umfangreiches Konzept, das im Zentrum auch humanitäre und entwicklungspolitische Maßnahmen beinhaltet, die den 500 000 schulpflichtigen Kindern syrischer Flüchtlinge in der Türkei zugutekommen.
Ich will zum Abschluss noch einmal die Fragen stellen: Trauen wir uns eigentlich nach lediglich sechs Monaten Arbeit – von September letzten Jahres bis jetzt – bereits jetzt nicht mehr zu, diese Krise europäisch zu lösen? Wollen wir – angesichts vereinzelt unruhig werdender Regionen in Deutschland, wenn wir auf die Wahlergebnisse vom letzten Sonntag schauen – 70 Jahre Frieden in Europa riskieren?
Meine Damen und Herren, jetzt gilt es doch, Rückgrat zu zeigen. Jetzt gilt es doch für alle von uns, das, was Europa starkgemacht hat, aufrechtzuerhalten, nämlich unsere Friedensgemeinschaft in Europa und Deutschland als ein wesentliches und starkes Land im Herzen Europas zu stützen. Ferner sollten wir auch unsere Bundeskanzlerin bei ihren Verhandlungen stützen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Meine Damen und Herren, es ist jetzt – angesichts schlechter bzw. guter Wahlergebnisse für diejenigen, die wir nicht im Parlament haben wollen – nicht die Zeit, das Rückgrat zu verlieren und vielleicht – nur um kurzfristig ein Mandat zu retten – diese Grundprinzipien der Europäischen Union wegzugeben für ein Linsengericht.
Danke schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6675193 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 17./18. März 2016 in Brüssel |