Lothar RiebsamenCDU/CSU - Personalbemessung in Gesundheit und Pflege
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz ohne Zweifel ist das Thema Pflege ein wichtiges Thema. Es ist wichtig in den Krankenhäusern, wo es darum geht, Multimorbidität, älter werdende Patienten auch zukünftig gut zu versorgen. Es ist wichtig in den Pflegeheimen. Wir wissen, dass wir erst am Anfang einer demografischen Entwicklung stehen. Schon jetzt haben wir eher zu wenig als zu viel Pflegepersonal. Dann, wenn meine Generation in die Pflegebedürftigkeit kommt, wird erst recht Pflegepersonal fehlen, wenn wir nicht rechtzeitig handeln.
Wichtig ist auch die Wertschätzung der Altenpflegerinnen und Altenpfleger und der Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger; da haben Sie durchaus recht. Deswegen haben wir uns das ganze vergangene Jahr – da frage ich mich schon, Frau Zimmermann, ob Sie letztes Jahr gefehlt haben – mit dem Pflegestärkungsgesetz I, dem Pflegestärkungsgesetz II und all diesen Themen intensiv auseinandergesetzt, in vielen Anhörungen, in Fachgesprächen und in Form von Statistiken. Mehr kann man eigentlich gar nicht machen.
(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Hätten Sie aber lernen müssen!)
Ich frage mich schon: Was reitet Sie eigentlich? Ihren Antrag will ich vom Grunde her gar nicht infrage stellen; das Thema ist ernst. Aber was reitet Sie, Ihren Antrag auf einen Enthüllungsjournalisten im Privatfernsehen zu stützen, noch dazu, wenn einer dieser Fälle – das haben Sie in Ihrem Antrag angeführt – per einstweiliger Verfügung vom Landgericht Hamburg gestoppt wurde? Das Thema ist viel zu ernst, um sich mit solch windigen Enthüllungsjournalisten zu befassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Glauben Sie allen Ernstes, auch nur eine Altenpflegerin oder einen Krankenpfleger zusätzlich zu gewinnen, wenn Sie die Pflege in unseren Einrichtungen auf diese Art und Weise schlechtmachen? Indem Sie sich jetzt auch noch in einem Antrag im Deutschen Bundestag auf diesen Enthüllungsjournalisten beziehen, machen Sie die Leute und die jungen Menschen, die diesen Beruf vielleicht ergreifen würden, glauben, dass es in unseren Alten- und Pflegeheimen Unterernährung gibt und dass es, was die Stellenschlüssel anbelangt, in unseren Alten- und Pflegeheimen flächendeckend zu Betrug kommt. Das führt nicht zum Ziel. Wir haben im vergangenen Jahr die richtigen Maßnahmen ergriffen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Pfeifen im Walde!)
Natürlich ist es notwendig, sich auch mit den Ergebnissen von Patientenbefragungen auseinanderzusetzen. Natürlich ist es richtig, Patienten und alte Menschen zu befragen. Warum ist es denn so, dass ältere Menschen ihren Lebensabend oftmals im Ausland verbringen, sie aber dann, wenn sie krank oder pflegebedürftig werden, prompt nach Deutschland – in deutsche Krankenhäuser oder in deutsche Alten- und Pflegeheime – zurückkommen?
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig!)
Wäre es so, wie Sie schildern, würden sie das ja im Leben nicht tun. Viele ältere Menschen machen aber genau das Gegenteil. Denn sie wissen, dass sie in unseren Krankenhäusern und Pflegeheimen eine gute Versorgung bekommen. Deswegen kommen sie zurück.
(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Quatsch!)
Wenn Sie sich das Ergebnis der Befragung der großen Krankenkassen, die vor zwei Jahren durchgeführt wurde, ansehen, stellen Sie fest, dass 83 Prozent der Patienten in Krankenhäusern mit der ärztlichen Leistung und 82 Prozent mit der pflegerischen Leistung zufrieden sind. Deswegen wollen die Menschen in unseren Krankenhäusern und in unseren Alten- und Pflegeheimen versorgt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun haben Sie die DRGs angesprochen. Das, was Sie hierzu geschrieben haben, ist nicht grundfalsch. Natürlich ist es so, dass aufgrund der Einführung der Fallpauschalen – es gibt aber auch noch andere Gründe – die Anzahl der Pflegekräfte in den Krankenhäusern recht drastisch zurückgefahren wurde. Das wollen wir überhaupt nicht leugnen. Wir hatten in der Spitze – das war Mitte der 90er-Jahre, allerdings bei viel mehr, nämlich fast doppelt so vielen Pflegetagen wie heute –
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Die Fälle sind doch auch mehr geworden!)
350 000 Vollzeitkräfte in den Krankenhäusern. Die Krankenhäuser haben die DRGs, die schon 2003 eingeführt wurden, antizipiert. Deswegen wurde davor schon abgebaut und auch weiter von 2003 bis zum Jahr 2007. Bei Einführung der DRGs hatten wir dann nur noch 330 000 Vollzeitkräfte. Diese Zahl fiel bis 2007 leider bis auf 298 000; das ist richtig. Aber seit dem Jahr 2008 – das hat auch etwas mit dem Pflegestellenförderprogramm der Großen Koalition von 2009 zu tun – steigt die Zahl wieder deutlich an; auch das muss man zur Kenntnis nehmen. Wir haben zusammen mit den Krankenhäusern dafür gesorgt, dass es zu dieser Entwicklung kam.
Nach der letzten Statistik von 2014 – Sie können das nachlesen – haben wir ohne die Funktionspflege ungefähr 330 000 Pflegekräfte an den Betten. Damit haben wir wieder in etwa den Stand bei Einführung der DRGs erreicht. Das ist immer noch zu wenig; das wissen wir sehr wohl. Deswegen haben wir im vergangenen Jahr, 2015 – auch das wird jetzt Wirkung zeigen –, mit dem Krankenhausstrukturgesetz noch einmal nachgebessert. Wir haben ein neues, ein weiteres Pflegeprogramm mit einem Volumen von 660 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren aufgelegt. Dieser Betrag wird sich bei 330 Millionen Euro ab dem Jahr 2019 einpendeln. Es wird dann etwa 6 000 neue Pflegestellen geben.
Außerdem wissen Sie ganz genau, dass wir den Versorgungszuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr in einen Pflegezuschlag umgewandelt haben. Es wird belohnt, wenn man ausreichend Pflegepersonal hat. Je mehr Pflegepersonal man hat, desto mehr wird man am Pflegezuschlag partizipieren. Auch das wird dazu führen, dass es wieder mehr Pflegepersonal in den Krankenhäusern geben wird. Deren Bestand wird deutlich über den vor Einführung der DRGs und den im Jahre 2007 hinausgehen.
Wir haben ein Weiteres gemacht, nämlich eine Pflegekommission eingesetzt, die beim BMG angesiedelt ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass auch unser Minister in dieser Kommission dabei ist. Dort setzen wir uns mit folgenden Fragen auseinander: Wird das Thema Pflege in den DRGs ordentlich abgebildet? Wie sieht es mit dem Thema „Demenz und Multimorbidität“ in den Krankenhäusern aus? Wie sieht es mit den Nachbesetzungen und auf den Intensivstationen aus? Die Antworten auf diese Fragen werden wir in der nächsten Zeit vorlegen.
Wir haben daneben ein Qualitätsinstitut gegründet. Es gibt in den Krankenhäusern keinen Preiswettbewerb, sondern einen Qualitätswettbewerb. Ohne gute Pflege wird es keine gute Qualität geben. Das wissen auch die Krankenhäuser, und deswegen sind auch die Krankenhäuser von sich aus bemüht, hier zu Verbesserungen zu kommen.
Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu den Stellenschlüsseln und zu der Bezahlung der Pflegekräfte sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie wissen ganz genau, dass das nicht Sache des Bundestages, sondern Ländersache ist. Trotzdem ist das eine wichtige Sache.
Schauen wir uns doch einmal an, wie die Bezahlung in Thüringen aussieht, wo Sie den Ministerpräsidenten stellen. Das Durchschnittseinkommen einer Pflegekraft im Altenheim beträgt dort 1 982 Euro. Im benachbarten Bayern sind es 2 709 Euro. Dort werden 40 Prozent mehr als in Thüringen bezahlt. Fassen Sie sich hier einmal an die eigene Nase! Sorgen Sie dafür, dass dort mehr bezahlt wird!
(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit der Bezahlung selber hat die Landesregierung nichts zu tun!)
Sie haben das selber in der Hand – insbesondere den Stellenschlüssel. Das ist Ländersache und nicht Sache des Deutschen Bundestages. Machen Sie es doch einfach!
(Beifall der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU])
Das Geld dazu haben wir 2015 mit dem Pflegestärkungsgesetz I und 2016 mit dem Pflegestärkungsgesetz II gegeben. Mehr als 20 Prozent Mehreinnahmen im Bereich der Pflege: Wo gibt es das schon? Diese Mittel stehen zur Verfügung, um auch bei der Bezahlung und beim Pflegestellenschlüssel etwas zu tun. Machen Sie es einfach!
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Michalk [CDU/CSU]: Da sind sie ruhig! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach zehn Jahren ist bei Ihnen noch nichts passiert! Das ist ein Witz! Nicht einmal die Inflation wurde ausgeglichen!)
Ich will einen letzten Punkt ansprechen: Ein zentraler Punkt ist die Attraktivität des Berufes. Wir werden in den nächsten Wochen dafür sorgen – der Gesetzentwurf liegt schon vor –, die Attraktivität zu steigern.
Der Respekt vor den Altenpflegerinnen und Altenpflegern in der Bevölkerung ist schon jetzt durchaus hoch. Die Wertschätzung spiegelt sich aber nicht in einem entsprechenden Standing in den Krankenhäusern wider. Deswegen ist es richtig, dass es in Zukunft eine gemeinsame Ausbildung im Bereich der Altenpflege, der Krankenpflege und der Kinderkrankenpflege geben wird, nämlich um das Standing im Vergleich zu anderen Berufen – in den Krankenhäusern und allgemein – anzuheben.
Ich habe bei mir im Wahlkreis Gespräche mit der Pflegeakademie und mit großen Einrichtungen geführt. Diese gemeinsame Ausbildung ist eine gute Sache, die in der Praxis auch als wichtig angesehen und begrüßt wird. Ich bin mir sicher, dass der Pflegeberuf auch dadurch in wenigen Monaten deutlich aufgewertet wird. Dafür setzt sich diese Regierungskoalition ein, und ich bin mir sicher, dass wir damit dazu beitragen, dass sich mehr junge Menschen für den Pflegeberuf interessieren werden.
So, wie Sie das anstellen – Sie machen den Pflegeberuf und die Pflegeeinrichtungen schlecht; ich habe das eingangs bereits gesagt –, gewinnen Sie mit Sicherheit keine neuen jungen Menschen. Ihrem Antrag können wir leider nicht zustimmen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Riebsamen. – Ich darf darum bitten, dass sich alle Rednerinnen und Redner nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch an die vorgegebene Redezeit halten. Ansonsten wird das wieder eine lange Nachtsitzung.
Die nächste Rednerin: Elisabeth Scharfenberg für Bündnis 90/Die Grünen.
(Christian Hirte [CDU/CSU]: Ihr Wunsch ist uns Befehl!)
– Ich habe es ja sehr freundlich gesagt.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6677637 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Personalbemessung in Gesundheit und Pflege |